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Kann es sein, dass ein Piratenschiff wie aus dem Bilderbuch plötzlich in einer Reihenhaussiedlung modernerer Zeit landet? Aus der Sicht eines Jungen, der sich nach Abenteuer und einem Freund sehnt, schon. Dieser niederländische Kinderfilm plädiert altersgerecht für Toleranz und Diversität.

Mein Freund der Pirat (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die wilden neuen Nachbarn

Ein Piratenfilm, der an Land spielt – kann das gut gehen? In diesem lustigen und aufregenden Kinderabenteuer aus den Niederlanden gibt es nur im Prolog ein Gefecht auf hoher See. Seinem Baby und seiner resoluten Frau Betsie (Sarah Janneh) zuliebe muss der Pirat Hector Donnermann (Egbert Jan Weeber) das Gefecht gegen seinen Erzfeind Krillis (Tygo Gernandt) abbrechen und einen friedlichen Kurs im Leben einschlagen. Gut 12 Jahre später legt das Piratenschiff der Familie Donnermann mitten im beschaulichen Küstenort Sandberg an. Piratensohn Billy (Samuel Beau Reurekas) und der gleichaltrige Michael (Matti Stooker) aus dem Haus nebenan begegnen sich skeptisch. Schnell wird Michael klar, dass es für ihn keinen Grund mehr geben wird, über Langeweile zu klagen.

Die Magie geschieht in dieser Geschichte fast beiläufig. Das Piratenschiff mit seinen Segeln wie aus einem vergangenen Jahrhundert steht nun einfach da, zwischen den ordentlichen Reihenhäusern einer nicht näher definierten Gegenwartsebene. Erst wollen Michaels Eltern natürlich nicht glauben, dass er ein Piratenschiff vor dem Haus entdeckt hat. Von dieser Realität erst einmal überzeugt, hinterfragen sie sie aber auch nicht groß. Was sich die Bewohner*innen des Örtchens jedoch durchaus fragen, ist, ob die wilden Piraten die Grundsätze des nachbarschaftlichen Zusammenlebens – „Ruhe, Sauberkeit, Regelmäßigkeit“ wird da von einer besonders spießigen Anwohnerin gepredigt – übernehmen werden. Die Kinder freuen sich unterdessen, dass sozusagen ein Hauch von Pippi Langstrumpf in ihr Leben einzieht. Michael wird von Billy in der Kunst des Schwertkampfs und des Weitspuckens unterwiesen und die gleichaltrige Nachbarstochter Elisabeth (Celeste Holsheimer) lässt sich nicht so leicht entmutigen, wenn die beiden Jungs sie als Mädchen nur zögerlich in ihrer Nähe dulden.

Der Film des niederländischen Regisseurs Pim van Hoeve basiert auf einem Kinderbuch von Reggie Naus und thematisiert Außenseitertum, Anderssein und Integration ohne pädagogische Aufdringlichkeit. Die Familie Donnermann soll aus dem Ort verschwinden, verlangen Elisabeths Eltern, sie passe nicht hierher! Gut, dass Billy anfangs nicht lesen kann, denn so kann ihm Michael weismachen, dass der Brief, der im Ort kursiert, ein Akt der Willkommenskultur ist. Gerührt veranstalten Billys Eltern ein Fest am Strand, und alle tanzen ausgelassen mit. Aber Elisabeths Vater paktiert heimlich mit dem plötzlich aufgetauchten Piraten Krillis, um die Sesshaftigkeit der Donnermanns zu torpedieren. Derweil geht dem rebellischen Billy der permanent erlebte Zwang, sich den Regeln der Zivilisation anzupassen, zu weit. Die neue Freundschaft mit Michael steuert in stürmische Gefilde.

Michael, der im Grunde der Hauptcharakter der Geschichte ist, versucht viel, um seinen neuen Freund nicht zu verlieren. Er wirkt eher unscheinbar, ist aber aufgeweckt und klug. Sein Mut äußert sich in ideenreichen Initiativen, während Billy gerne verwegen auftrumpft. Die beiden Charaktere ergeben ein kontrastreiches Gespann, zu dem sich Elisabeth als selbstbewusstes Mädchen mit Köpfchen immer wieder hinzugesellt. Die Gegensätzlichkeit von Piraten und Bewohner*innen Sandbergs kommt bei den Erwachsenen stärker und zugespitzter zum Vorschein. Der langhaarige Hector mit dem blauen Mantel und seine toughe Frau Betsie fordern ihre steifen Gäste auf, beim Essen zu rülpsen, sie servieren die Nachspeise zuerst und den Fisch gibt es roh. Der Piraten-Großvater mit dem Holzbein trinkt Rum zum Frühstück. Eine herrliche Szene spielt sich auf einem Mädchengeburtstag ab, auf dem Hector als Unterhalter jobben und ehrliches Geld verdienen will. Während es die Kinder lieben, piratenmäßig über die Stränge zu schlagen, dreht die Hausherrin völlig durch.

Wo Hector ist, darf auch der weiße Hai Roy nicht fehlen, den er seinen Wach-Hai nennt. Er taucht im Wasserkanal vor dem Schiff auf und schnappt nach allem, was er kriegen kann. Wo Piraten sind, da wird außerdem über die Piratenehre und die Freundschaft gesungen. Mit stilvoller Dramatik orchestriert die Filmmusik die Gefahr, das Abenteuer oder stürmisches Wetter. Dieser Piratenfilm erweist sich als ein rundes Vergnügen für das junge Publikum. Auf dem Internationalen Filmfestival Schlingel 2020 gab es dafür der Preis der Kinderjury.

 

Mein Freund der Pirat (2020)

Der friedliche Alltag im kleinen Örtchen „Sandburghausen“ wird plötzlich umgekrempelt, als die Piratenfamilie „Donnerbüchsen“ mit ihrem Schiff in der Nachbarschaft vor Anker geht. Gemeinsam mit ihrem Octopus Freddy und der Hai Roy sind sie auf der Flucht vor ihrem Erzrivalen Cornelius. Betsie und Hector, Sohn Billy und Großvater wollen endlich ein ehrliches Leben an Land führen. Fernab von Raubzügen, schnaps-durchtränkten Nächten und wilden Abenteuern stellt sich das allerdings für die Piraten in dieser behüteten Umgebung als schwieriges Unterfangen dar. Trotzdem freundet sich Billy mit den Nachbarskindern Elizabeth und Michael an, und auch Hector und Betsie kommen mit denLeuten von nebenan gut zurecht. Nur dem mürrischen Herrn Dudley ist der Aufenthalt der Piraten ein Dorn im Auge und er versucht sie loszuwerden. Als der durchtriebene Cornelius auftaucht und die Schatzkiste der Familie stiehlt, spitzt sich die Lage zu. Der Versuch, ehrlich Geld zu verdienen, misslingt. Diese Chance nutzt Cornelius, um die „Donnerbüchsens“ wieder auf das Meer zu locken. Doch Michael und Elizabeth lassen die Bande nicht so einfach davonziehen.

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