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Thomas Hardiman verlegt in „Medusa Deluxe“ einen klassischen Agatha-Christie-Plot ins Milieu der Haarkunst. Das führt zu etlichen aberwitzigen Momenten.

Medusa Deluxe (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein haariger Fall

Der britische Drehbuchautor und Regisseur Thomas Hardiman erzählt in „Medusa Deluxe“ eine Murder-Mystery-Geschichte – und ist nach eigener Aussage auch selbst ein sehr großer Fan solcher Whodunit-Stoffe. Dennoch folgt er deren Formel in einem entscheidenden Punkt ganz bewusst nicht. Denn es gibt in diesem Film keine ermittelnde Figur – keinen exzentrischen Hercule Poirot, keine unscheinbar beobachtende Miss Marple, keinen zerknitterten Inspektor Columbo und keine clevere Jessica Fletcher. Stattdessen konzentriert sich alles auf die kleine Gruppe, die von dem Fall betroffen (und damit letztlich verdächtig) ist.

Als Schauplatz dient ein großes Gebäude, in dem ein lokaler Haarkünstler:innen-Wettbewerb vorbereitet wird. Der Veranstalter René (Darrell D’Silva) will die Stylist:innen Cleve (Clare Perkins), Divine (Kayla Meikle), Kendra (Harriet Webb) und Mosca (John Alan Roberts) gegeneinander antreten lassen; als Models stehen Timba (Anita-Joy Uwajeh), Inez (Kae Alexander), Etsy (Debris Stevenson) und Angie (Lilit Lesser) zur Verfügung. Doch dann wird Mosca tot aufgefunden – skalpiert!

Natürlich treibt sowohl uns als auch das Personal die Frage um: Wer war’s? Und warum ist das bloß geschehen? Nach und nach erfahren wir skandalöse Hintergründe. War der Sieg des Wettbewerbs womöglich schon längst erkauft? Hatten die impulsive Cleve und der wankelmütige Mosca noch eine Rechnung miteinander offen? Dramatik kommt hinzu, da Mosca mit seinem jüngeren Lebenspartner Ángel (Luke Pasqualino) ein kleines Kind hatte. René war wiederum der Ex-Freund von Mosca. Und welche Rolle spielt eigentlich der Security-Mann Gac (Heider Ali), der etwas zu verheimlichen scheint?

Die Auflösung des Rätsels ist, offen gestanden, nicht unbedingt das Spannendste an Medusa Deluxe. Ohnehin handelt es sich hier um einen Film, dessen Einzelteile irgendwie reizvoller als deren Summe sind. Das beginnt schon bei einer kurzen Animationssequenz, die das Werk eröffnet und in ihrem Stil an die oft sehr kreativen James-Bond-Intros erinnert, mit allerlei Hairstyling-Utensilien in surrealistisch anmutender Umgebung. Ein kleines Meisterstück. Und auch am Ende läuft der Mix aus Krimi und Milieustudie zu vergleichbarer Hochform auf, wenn sich alle Beteiligten mit einer glamourösen Musical-Nummer zu George McCraes Disco-Hit Don’t You Feel My Love verabschieden.

Dazwischen wird in Medusa Deluxe die Illusion erzeugt, als ginge (fast) alles in Echtzeit vonstatten und als sei dies in einer einzigen Einstellung ohne Schnitte gedreht worden. Wenn Hardiman und sein Kameramann Robbie Ryan (der unter anderem die großartigen Bilder zu American Honey, The Favourite und Come on, Come on gestaltet hat) die diversen Figuren durch die Korridore des recht verlassen wirkenden Gebäudes begleiten, lässt dies an manche Arbeiten von Gaspar Noé denken. Das Skript und die Umsetzung lassen indes weitaus mehr Herz und Einfühlung für die handelnden Personen erkennen, als dies etwa bei Climax (2018) der Fall ist.

Das Stylistinnen-Trio Cleve, Divine und Kendra und sein Umfeld sind zweifellos überzeichnet; auch würden wir hier einigen durchaus einen Mord zutrauen. Dennoch drückt Hardiman zugleich seine Bewunderung für diese energische Community aus, die sich selbst zu helfen weiß, statt darauf zu warten, dass die Polizei oder irgendeine oberschlaue Gestalt die Sache in die Hand nimmt. Und nicht zuletzt ist Medusa Deluxe natürlich eine glorreiche Feier der pompösen Frisuren. Die Leistung des gesamten Hair- & Make-up-Departments ist absolut faszinierend.

Medusa Deluxe (2022)

Bei einem Frisurenwettbewerb prallen nicht nur Extravaganz und Exzesse aufeinander, denn als es zu einem Mord kommt, beginnt die verschworene Gemeinschaft, einander zu misstrauen. Und dafür gibt es einiges an Gründen, wie sich herausstellen wird. 

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