Max Frisch, Citoyen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein großer Humanist des 20. Jahrhunderts

Der schweizerische Architekt, Intellektuelle und Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) ist Generationen von Schülern durch die Lektüre seiner Werke wie Homo faber, Stiller oder Andorra im Unterricht bekannt. Er war einer jener publizierenden Denker, die sich mit ihren sozialpolitischen Haltungen permanent an öffentlichen Diskursen beteiligt und damit gesellschaftliche Verantwortung und Repräsentation übernommen haben, die ihrem Engagement ein hohes Maß an respektierter Bedeutung verliehen – ein aussterbender Schlag von Intellektuellen des Formats eines Friedrich Dürrenmatt oder Niklas Meienberg. Es war Max Frisch, der das legendäre, auch heute noch aktuelle Wort „Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“ im Jahre 1965 im Zusammenhang mit den Debatten um die Migration damals so genannter Gastarbeiter geprägt hat, und seine zahlreichen Reden sowie seine Tagebücher, die auch in der Dokumentation Max Frisch, Citoyen von Matthias von Gunten ausführlich dargestellt werden, zeugen von seiner klugen, aufrüttelnden Belebung der politischen Dimensionen zwischen Journalisten und professionalisiert Politiktreibenden als dritte, kritische Komponente.
Max Frisch, Citoyen, dessen Titel bereits darauf hinweist, legt den Fokus seines Porträts des Schweizers auf seine Position als gebildeter, verantwortlicher Bürger, der sich vor dem Hintergrund seines literarischen und journalistischen Schaffens in der Öffentlichkeit mit den gesellschaftlichen Zu- und Missständen auseinander setzte. Dies geschieht einerseits anhand seiner Schriften, die eingebettet in ihre historischen Zusammenhänge dargestellt werden und zu denen neben den Reden, Tagebüchern sowie Briefen ausgewählte Werke wie Stiller, Kleine Prosaschriften, oder auch das Dienstbüchlein gehören. In Interviews mit Freunden und Wegbegleitern des Citoyen Frisch wird ein Kaleidoskop an wachen, anregenden Gedanken und Erinnerungen präsentiert, das noch einmal interessante Aspekte seines Engagements und Schaffens beleuchtet. Diese prominenten Persönlichkeiten setzen sich aus aus dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt, dem Künstler Gottfried Honegger, der Schriftstellerin Christa Wolf, dem einstigen Außenminister der USA Henry Kissinger, dem Intellektuellen Günter Grass sowie dem Schweizer Peter Bichsel zusammen, dessen berühmte Kurzgeschichte Ein Tisch ist ein Tisch einen noch immer pfiffigen, unvergesslichen Klassiker dieses Genres repräsentiert.

Bei allen gesellschaftspolitischen Gegenständen ging es Max Frisch jedoch letztlich immer um die Frage nach den humanen, humanistischen Gesichtspunkten, um das Verständnis für menschliche Haltungen und Handlungen innerhalb der Sozietät, in der sie leben oder zu leben gezwungen sind – eine Einstellung, die den schweizerischen Dokumentarfilmer Matthias von Gunten dazu inspiriert hat, dieses thematisch konzentrierte Biopic zu inszenieren, in dem Ingeborg-Bachmann-Preisträger Reto Hänny die Rolle des begleitenden Sprechers innehat, um durch diese Hommage an den Citoyen Max Frisch die Wertschätzung für diesen und seine Lebenskonfigurationen zum Ausdruck zu bringen. Die filmische Umsetzung ist vor allem durch die differenzierte Betrachtung des Werkes und die spannenden Interviews sowie dadurch gelungen, dass sie sich nicht mit Banalitäten aus dem Leben des Denkers aufhält, sondern einen fundierten, absolut auch sprachlich erfrischenden Einblick in die inhaltlichen Kontexte seines Schaffens und Wirkens gestattet und damit höchst sehenswert ist.

Max Frisch, Citoyen

Der schweizerische Architekt, Intellektuelle und Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) ist Generationen von Schülern durch die Lektüre seiner Werke wie Homo faber, Stiller oder Andorra im Unterricht bekannt.
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