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Die Menschen kommen mit Habgier und Egoismus, der Wald setzt sich zur Wehr. Wunderschön animierter Film, mit etwas schlichter Message.

Mavka - Hüterin des Waldes (2023)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Avatar im ukrainischen Wald

Vor langer Zeit gab es in diesen ukrainischen Wäldern eine tödliche Auseinandersetzung, als der Besitzer eines Sägewerks die „magische Lebensquelle“ im Wald entdeckte und nur mit Gewalt vom Hüter des Waldes daran gehindert werden konnte, sie allein für sich zu beanspruchen, die doch so wichtig ist für alle Lebewesen. Seitdem ist es den Menschen verboten, den dunklen Wald zu betreten, und alle Waldbewohner*innen meiden den Kontakt zu ihnen.

Aber nun ist der Hüter des Waldes alt geworden, und die Obersten Waldgeister wählen ausgerechnet die junge Mavka zur neuen Hüterin – die „Seele des Waldes“ ist aber eher zart und nachgiebig und überhaupt nicht daran interessiert, den jungen Mann, den sie im Wald getroffen hat, zu bestrafen. Im Gegenteil, sie hat sich womöglich ein wenig in Lukas verliebt – und ahnt noch nicht, dass im Dorf die Tochter des Sägewerkbesitzers gerade dabei ist, für Unruhe zu sorgen und die Menschen gegen die Kreaturen des Waldes aufzuhetzen …

Der Trickfilm Mavka – Hüterin des Waldes ist ein Unikum in diesen Zeiten. Die Produktion ist nicht nur im eigenen Land der erfolgreichste ukrainische Film aller Zeiten, er lief auch in deutschen Kinos bereits seit Wochen erfolgreich in der ukrainischen Originalfassung, bevor er jetzt auch in einer synchronisierten Fassung in die Kinos kommt. Obwohl die Produktion lange vor dem Einmarsch russischer Truppen begonnen wurde, hat der Krieg die Fertigstellung verzögert und behindert; zahlreiche Mitwirkende mussten fliehen oder kämpfen inzwischen auf Seiten der Ukraine im Krieg.

Die Versuchung ist groß, in den Film die großen Weltläufe hineinzudeuten, ihn auch als Ausdruck eines nationalen Selbstbewusstseins zu lesen. Gleich zu Beginn ist im Voiceover (aber auch nur dann) von den uralten „ukrainischen Wäldern“ die Rede, die Menschen im Dorf tragen Kleidung, die von ukrainischen Trachten inspiriert ist, die ganze Geschichte basiert lose auf dem 1911 entstandenen Theaterstück „Lisova pisnya“ („Лісова пісня“, „Waldlied“) der ukrainischen Autorin  Lessja Ukrajinka.

Aus einer deutschen Perspektive, aus der nationale und volkstümliche Traditionen mit guten Gründen zumindest mit Skepsis betrachtet werden, ist das ein wenig irritierend; aber der Film bewegt sich auf dieser Basis keineswegs in eine Richtung, in der es um nationale Selbstvergewisserung oder Abgrenzung geht (selbst die Antagonistin kommt aus den eigenen Reihen), sondern eher um eine etwas schmalzig-naive Botschaft über das Leben in Harmonie mit der Natur.

Konsequenterweise geht es hier eher um den Konflikt zwischen den naturnahe lebenden „einfachen“ Menschen auf dem Land und der entfremdeten Oberschicht: Die Tochter des Sägewerkbesitzers kommt mit ihrem Adlatus, einem so blasierten wie effeminierten Möchtegern-Modeschöpfer, aus der Ferne zurück, um mit Maschinen und Getöse den Wald niederzumähen.

Dieser etwas schlichte Antagonismus erinnert nicht von ungefähr an Filme wie Avatar – Aufbruch nach Pandora, und dass der (hier schon von Anbeginn an naturfreundliche) Eindringling männlich, die Protagonistin auf Seiten der Natur (dort Neytiri, hier Mavka) aber weiblich ist, kommt nicht von ungefähr – das traditionelle Geschlechterbild von der Frau, die dem „Natürlichen“ näher ist als der Mann, wird hier wiederholt, und dass die Antagonistin sich so weit davon entfernt hat und die Natur bekämpfen will, macht sie nur umso verwerflicher.

Mavka, die „Seele des Waldes“, hat natürlich dennoch die Körperfigur nicht etwa einer stabilen Buche, sondern allenfalls einer Gerte, das Disney-Prinzessinnen-Kindchenschema lässt schön grüßen: dünnster Körper, großer Kopf, kleiner Kirschmund, riesige Augen, reinste Haut.

Revolutionär Neues oder auch nur Revolutionäres hat Mavka – Hüterin des Waldes also nicht zu erzählen, die Geschichte dreht sich um Harmonie mit der Natur und natürlich Mavka und Lukas, also „star-crossed lovers“, deren Versöhnung am Ende (ja, es gibt ein Happy End) symbolisch auch den Konflikt zwischen Natur und Menschen beendet.

Diese Natur, das muss man sagen, sieht sensationell gut aus. Animation wie Hintergründe sind beglückend schön, auch den unzähligen Waldwesen – Nymphen, Tiere, Baumwesen, Pflanzen und vieles mehr – mag man gerne zusehen; und der Film enthält tatsächlich einige ruhige Momente, in denen man sich dieser Schönheit einfach hingeben mag.

Oleh Malamuzh und Oleksandra Ruban nehmen sich zudem die Zeit, auf der Basis des Drehbuchs von Jeffrey Hylton und Yaroslav Voytseshek auch davon zu erzählen, wie leicht sich Angst und Unwissen nutzen lassen, um Menschen zu manipulieren und aufzuhetzen – eine letztlich kurze Szene, aber doch der eindrücklichste Moment des Films.

 

Mavka - Hüterin des Waldes (2023)

Die riesigen ukrainischen Wälder stecken voller Geheimnisse. Im Schutz der Bäume leben wundersame Wesen im Einklang mit der Natur. Mavka ist die junge Seele des Waldes – zart, sanftmütig und gütig. Alle sind erstaunt, als die Obersten Waldgeister ausgerechnet die zierliche Mavka zu ihrer neuen Hüterin wählen, um das Naturreich und die magische Lebensquelle – das Herz des Waldes – vor den Menschen zu beschützen. Noch ahnen die Waldbewohner nicht, wie nah ihre junge Hüterin den Menschen schon ist: Der sympathische Dorfjunge Lukas hat mit seiner wundervollen Musik Mavkas Herz bezaubert. Und auch Lukas hat sich in das hinreißende Waldwesen verliebt. Doch Unheil naht. Die selbstsüchtige Kilina will unbedingt in den Besitz der magischen Lebensquelle gelangen. Kilina schürt Angst und Zorn zwischen den einfachen Dorfbewohnern und den scheuen Waldwesen. Mavka steht vor einer unmöglichen Entscheidung: sie muss zwischen ihrer Liebe zu Lukas und ihrer Pflicht als Wächterin des Waldes wählen.

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