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Matrix Resurrections ist eine gleich dreifache Auferstehung: Einerseits natürlich die von Neo und Trinity, zugleich aber auch die der gesamten Matrix-Reihe. Und genau das ist ein gefährliches Unterfangen.

Matrix Resurrections (2021)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wiederauferstehung oder Zombifizierung des Blockbuster-Kinos?

Es ist ganz klar, dass ein vierter Teil der Matrix-Reihe, noch dazu einer, der „Matrix Resurrections“ heißt, seine Heilsbringer Neo (Keanu Reeves) und Trinitiy (Carrie-Anne Moss) wiederauferstehen lassen muss. Die Frage ist nur, ob dieses Wiedererwachen Erleuchtung und Heil bringt oder eher das Gegenteil bedeutet — einen weiteren zombiesken Versuch, das Blockbuster-Kino der 1990er und 2000er Jahre wiederzubeleben, um es noch einmal ordentlich zu verramschen.

Klar ist auch, dass es kaum eine Filmreihe gab, die zu ihrer Zeit als so innovativ wahrgenommen wurde und gleichsam ihre Zeit so durchaus präzise kommentierte wie die Matrix-Reihe der Wachowski-Schwestern. Und die zugleich so tief in die Popkultur einging, heiß geliebt, kopiert und zerphilosophiert und hoch und runter zitiert wurde. Es ist also ein durchaus kompliziertes Unterfangen, diese Reihe fortzuführen. Lana Wachowski, die dieses Mal allein Regie führt, spielt hier nicht nur mit dem filmhistorischen und popkulturellem Erbe dieser Reihe, sondern auch mit der Liebe und gewachsene Nostalgie der Matrix-Anhänger_innen. Der Überbau ist also mächtig und so verbringt der Film das erste Viertel vor allem damit zu versuchen, sich wieder freizuschwimmen und die Deutungshoheit zurückzuerlangen, die die Reihe längst an ihre Fans, aber auch an diverse Märkte wie die Merchandise-Industrie und den Videospielemarkt verloren hat. 

Wachowski versucht dies mit einer Melange aus ironischer Brechung und Metadiskurs. So sehen wir Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) als Computerprogramm in der Matrix reinkarniert und Neo, der wieder Thomas Anderson ist, findet sich als einsamer Videospieledesigner und Erfinder des Videospieles namens „Matrix“ wieder. Er ist inzwischen reintegriert in die Matrix ohne Erinnerungen an früher und arbeitet für ein neu designten Agent Smith (Jonathan Groff), der eine Art Jeff Bezos/Mark Zuckerberg mimt. Täglich schluckt Thomas blaue Pillen und geht brav und regelmäßig zu seinem Psychiater (Neil Patrick Harris), der ihm versichert, dass die Flashbacks, die Thomas erlebt, einfach auf seine Psychose zurückzuführen seien. 

Auch Trinity ist am Leben und gefangen in der selben Simulation. Sie heißt jetzt Tiffany und hat Kinder und einen Mann namens Chad. Mal mehr, mal weniger galant spielt der Film mit Erwartungen und Erinnerungen und verweist selbstironisch auf die Zeit, in der wir leben und auf das eigene Universum und dessen extrafilmische Vermarktungen. Gleichsam versucht sich Matrix Resurrections in einer Aktualisierung seiner eigenen Welt. Eine neue Riege Befreiter, angeführt von Bugs (Jessica Henwick) ist es, die Thomas/Neo überhaupt erst wieder finden und sich dann darum bemühen wird, ihn zu befreien. Diese junge Generation führt nicht nur neue Technologien in das Matrix-Universum ein. Sie ist es auch, die der Welt außerhalb der Matrix eine völlig neue Stoßrichtung geben und die weniger Interesse haben, die Idee der ewig währenden Antagonismen und Kriege fortzuführen, die die ersten drei Matrix-Filme beherrschen. Auch erlaubt sich der Film ab und an eindeutige Kommentare auf die derzeitige gesellschaftliche Lage, in der alles gegen jede/n verwendet, korrumpiert, vermarkt- und verkaufbar gemacht wird. Eindeutig zeigt das Werk mit dem Finger auch auf das Ende jeglichen Wahrheitsdiskurses, wie wir es derzeit erleben und lässt damit für einen Augenblick das politische Moment der ersten Filme wieder aufflammen.

Was gut klingt und ein Befreiungsschlag für das Werk an sich, aber auch in einem politischen Sinne hätte sein können, stellt sich jedoch als eher hohle Floskeln und Gesten heraus. Die Selbstironie wird alsbald eher zynisch und das Spielen mit dem Wissen um sein eigenes Erbe nutzt der Film nicht für ein radikales tabula rasa irgendeiner Art. Vielmehr bleibt es einfach bei diesen Referenzen, gepaart mit einer ordentlichen Menge pseudophilosophischer Expositionen. Wie schon in den anderen Filmen nährt Matrix Resurrections die Interpretationsvielfalt mit massenhaft Phrasen, die Anlass geben, eine riesige Menge an Interpretationen über dieses Werk zu stülpen. So arbeitet sich der Film mit Wonne daran ab, wie alles binär ist in der Welt der Menschen (gut und böse, gefangen und befreit, ahnungslos und wissend, Liebe und Hass, Angst und Verlangen…die Liste ist lang) und dass genau dieses Denken den Menschen zum Verhängnis wird, nur um im weiteren Verlauf genau diese Binaritäten weiter zu füttern und auszubauen. Wozu also das Ganze? Vielleicht war das schon immer der große Clou der Matrix-Reihe: unendliche Interpretationsangebote zu machen, so dass sie jede/r mit seiner/ihrer eigenen Philosophie in Neo und Trinity wiederfindet. Von Verschwörungstheoretikern und Incels, die die Metapher der roten Pille für sich beanspruchen, über religiöse Philosophien vom Christentum bis hin zum Buddhismus, die sich in dieser Geschichte wiederfinden bis hin zur Idee, dass die Matrix-Filme eine Metapher für trans Menschen und ihre Transition sind, ist für absolut jede/n etwas dabei. Und jede/r imaginiert sich als Neo. Außer Neo, der hier noch wortkarger und gebrochener daher kommt, als es so manchem lieb sein wird. 

Sein noch immer währendes Mahnen, dass er kein Auserwählter ist, wird allerdings weiterhin nicht erhört. Einzig die Zerbrechlichkeit seiner Figur, die wiederum durch die Emanzipation der Trinity fast aufgehoben wird, erlaubt Momente von Kontemplation. Doch lange mag der Film hier nicht verweilen. Nach seinem ersten Akt, der zumindest symbolisch versucht, das Werk als Anti-Blockbuster zu positionieren, taucht Matrix Resurrections dann doch sehr fix in altbekannte Gewässer und Geschichten ein und liefert für den Rest seiner Laufzeit erwartbares und nostalgisches Actionkino, gepaart mit dem Wiederaufleben der Liebesbeziehung zwischen Neo und Trinity. 

Doch nichts davon ist wirklich innovativ, überraschend oder kann auch nur annähernd anknüpfen an die Relevanz, die die Matrix-Filme zu ihrer Zeit hatten. Da hilft es auch nicht, dass das Werk augenzwinkernd selbst bemerkt, dass es außer als Nostalgiemaschine eigentlich keine Relevanz hat.

Matrix Resurrections (2021)

US-amerikanischer Science-Fiction-Actionfilm von Regisseurin Lana Wachowski — als Fortsetzung zu Matrix Revolutions aus dem Jahr 2003. In den Hauptrollen werden erneut Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss zu sehen sein.

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