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Nicolas Cage spielt sich selbst und stolpert als – natürlich – abgehalfterter Schauspieler in eine CIA-Mission hinein, die ihm die wohl anspruchsvollste Rolle seines Lebens beschert. „Massive Talent“ klingt unglaublich unterhaltsam, könnte aber noch einen Tick verrückter sein.

Massive Talent (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Cage als Cage in geheimer Mission

Es gab sie: Die Zeiten, in denen Nicolas Cage Dauergast in Blockbuster-Produktionen war und nebenbei regelmäßig kleinere, anspruchsvollere Filme wie „Leaving Las Vegas“, „Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung“ und „Adaption – Der Orchideendieb“ mit seiner Anwesenheit bereicherte. Der aus der berühmten Coppola-Familie stammende, mit seinem extravaganten Lebensstil für Aufsehen sorgende US-Schauspieler galt einmal als Hollywood-Star, bewegt sich seit geraumer Zeit allerdings meistens in den Niederungen stumpfsinniger B-Movies und ist inzwischen vor allem für sein Over-Acting bekannt. Doch selbst heute, da Cage nur noch selten Hauptrollen in Filmen ergattert (oder annimmt?), die eine große Leinwand erreichen, blitzt sein Können gelegentlich auf. „Joe – Die Rache ist sein“ und „Pig“, um zwei der seltener gewordenen Beispiele zu nennen, sind alles andere als hastig heruntergekurbelte Trash-Arbeiten, boten dem Mimen vielmehr die Möglichkeit, seine Profession differenzierter auszuüben.

Keine Frage, Cage ist eine schillernde Persönlichkeit mit einem eigenwilligen Karriereweg, der in den vergangenen Jahren so manche Gurke gesehen hat. Vor diesem Hintergrund ließ die Ankündigung eines Films namens Massive Talent (im Original poetischer und ironischer betitelt als The Unbearable Weight of Massive Talent, also „Die unerträgliche Last großen Talents“) aufhorchen, in dem der einstige Superstar eine fiktionalisierte Version seiner selbst verkörpert. Würde Regisseur Tom Gormican (Für immer Single?) Cage einfach nur abfeiern oder ihm und seinem Image auch mit satirischem Interesse begegnen? Diese Frage drängte sich sofort auf. Und was soll man sagen: Die Actionkomödie hat sich beides auf die Fahne geschrieben. Ausgiebig verneigt sie sich vor dem früheren Hollywood-Big-Shot, zieht zugleich aber immer wieder bestimmte Marotten und sein öffentliches Bild durch den Kakao.

Wie im wahren Leben hat der Cage im Film seine besten Zeiten hinter sich. Leidenschaftlich kämpft er um Rollen, die ihn fordern würden. Klappen will es mit neuen, spannenden Engagements jedoch nicht. Obwohl ihn Schulden plagen, beschließt der frustrierte Mime daher eines Tages, seine Laufbahn zu beenden und sich endlich mehr um seine Tochter Addy (Lily Mo Sheen) zu kümmern, die ebenso wie seine Ex-Frau Olivia (Sharon Horgan) von seiner Kinoleidenschaft, besonders seiner Liebe zum deutschen Stummfilmklassiker Das Cabinet des Dr. Caligari, genervt ist. 

Ausgerechnet an diesem Punkt wedelt sein Agent (Neil Patrick Harris) mit einem seltsamen, allerdings lukrativen Angebot, das zumindest seine finanziellen Sorgen etwas lindern könnte. Der reiche Geschäftsmann Javi Gutierrez (Pedro Pascal), ein großer Fan des Schauspielers, will Cage eine Million Dollar zahlen, wenn er nach Mallorca kommt und als Stargast auf seiner Geburtstagsfeier auftritt. Nach anfänglichem Zögern willigt der abgebrannte Darsteller ein und erlebt nach der Ankunft auf der Balearen-Insel sein blaues Wunder. Plötzlich soll er Javi, einen angeblich skrupellosen Waffenhändler, für die CIA ausspionieren und auf dem Grundstück nach einer entführten Politikertochter Ausschau halten.

Machen wir uns nichts vor: Der Geheimdienstplot ist alles andere als ausgeklügelt und lediglich Mittel zum Zweck, den Film-Cage in möglichst viele absurde Situationen hineinstolpern zu lassen. Auch den gelegentlich eingestreuten Actionszenen kann man weiß Gott keine bahnbrechende Qualität bescheinigen. Das Attribut „routiniert“ trifft es schon eher. Sprich: Die Passagen erfüllen ihre Funktion, sorgen aber nicht dafür, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. 

Freude an Massive Talent kann man trotzdem haben. Vor allem dann, wenn man bestens mit dem Schaffen und dem Ruf von Cage als Paradiesvogel vertraut ist. Vom Start an werfen Regisseur Gormican und sein Drehbuchpartner Kevin Etten (Workaholics) nämlich mit Verweisen auf seine Leinwandkarriere und auf seine unkonventionelle Persönlichkeit um sich. Der Hauptdarsteller – das darf man im doch etwas eitlen Filmbusiness nicht voraussetzen – nähert sich dem Ganzen mit erfrischender Selbstironie, macht sich unter anderem über seinen eigenen, einmal als neu-schamanisch bezeichneten Schauspielstil lustig und persifliert die Vorstellung des zupackenden, fitten Actionstars. Cage kann über sich lachen, hält in seiner Rolle aber auch Hollywood den Spiegel vor, wenn der Mallorca-Besucher und sein Gastgeber während der Arbeit an einem gemeinsamen Skript über das Geschichtenerzählen und die Gesetze der US-Kinoindustrie sinnieren. Momente wie diese amüsieren, weil Nicolas Cage und Pedro Pascal mit Eifer bei der Sache sind und als odd couple harmonieren. 

Massive Talent verleitet mit seinen Scherzen, komischen Verwicklungen und Anspielungen fortlaufend zum Schmunzeln. Schon früh wird man indes aber das Gefühl nicht los, dass hier noch mehr drin gewesen wäre. Die Idee, den abgehalfterten Schauspieler zwischendurch Zwiegespräche mit seinem halluzinierten jüngeren Ich führen zu lassen (im Abspann augenzwinkernd als Nicolas Kim Coppola, Cages Geburtsname, gelistet), wirkt nicht ganz ausgreift. Und manche Eskapade, etwa der unvermeidliche Drogentrip, bleibt wirklich überbordende Exzentrik schuldig. Mehrfach agiert Gormican mit angezogener Handbremse, anstatt seine knackige, Wahnsinn versprechende Prämisse beherzt auszureizen. 

Dem schrägen Geist, den der Film beschwören möchte, stehen überdies einige arg konventionelle Drehbuchentscheidungen gegenüber. Am auffälligsten ist dabei der Konflikt zwischen dem Protagonisten und seiner entfremdeten Tochter, der am Ende eher langweilig aufgelöst wird. Eine Meta-Komödie über den nachweislich unangepassten Cage, seine bewegte Karriere und sein außergewöhnliches Privatleben hätte eigentlich noch eine Spur abgedrehter ausfallen dürfen. Dass sich die kreativen Köpfe manchmal selbst bändigen, könnte einen ganz einfachen, im Film lustigerweise sogar angesprochenen Grund haben: So hoffen sie wahrscheinlich, ein größeres Publikum zu erreichen.

Massive Talent (2022)

In dem Film spielt Nicolas Cage eine fiktionalisierte Version von sich selbst, einen Schauspieler in Geldnot, der für eine Millionengage an der Geburtstagsparty eines reichen Fans teilnimmt.

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