Log Line

Ein Mann, ein Schacht, Schwarmintelligenz als Rettungshoffnung: #manhole baut auf solidem Grund einen Thriller auf, der nicht nur spannend, sondern überraschend ist.

#Manhole (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Im Loch

Es ist nicht unbedingt das Schlechteste bei einem Film, wenn man ihn mit wenigen Worten beschreiben kann. Lastwagen fahren mit Sprengstoff durch den Dschungel ergibt „Lohn der Angst“. Ein Mann gefangen im Dixiklo ergibt „Ach du Scheiße!“. Kazuyoshi Kumakiri „#manhole“ hat eine ähnliche Prämisse: Mann fällt in Loch und fragt über Social Media um Hilfe. Doch was dieser Thriller daraus macht, ist nochmal was ganz anderes.

Mit Kollegen gefeiert, getrunken, am nächsten Tag wird Shunsuke heiraten. Auf dem Nachhauseweg beginnt er zu torkeln, es wird schwarz, er erwacht in einem Schacht. Bei allen Kontakten geht nur die Mailbox ran; Polizei will er nicht wirklich hinzuziehen, als er’s doch tut, ahnen wir, warum er es vermeiden wollte: Dort herrscht Kompetenzwirrwarr, wo genau liegt das Loch, Baustelle oder nicht, welcher Bezirk ist zuständig, und Identitätsbestätigung brauchen wir auch noch. Zu dem Zeitpunkt ist der Film sogar noch halb satirisch, der leise Witz gehört dazu, eine Basis zu bauen, auf der dann mehr und mehr aufgetürmt werden kann.

Das sind erstmal ganz direkte Bedrohungen: Eine klaffende Wunde im Oberschenkel, eine leckende Gasleitung, der Regen, der massenhaft Schaum reinspült. Aber dann steigt der Film ein in die Social Media-Sphäre, wo sich Shunsuke als ManholeGirl einen Account zulegt – einem Mädel wird schneller geholfen. Die Nachrichten prasseln rein: Wie kann man den Standort bestimmen? Und wie kommt Shunsuke aka ManholeGirl dorthin? Wer hat sie verschleppt?

Der Schwarm ist durchaus hilfreich, ergeht sich zwischendurch auch gerne in Frauenklischeesprüche, aber wo es regnet, wann der Mond zu sehen war, das grenzt alles doch ein. Und auch sind schnell Verdächtige ausgemacht, wer die arme junge Frau auf ganz abscheuliche Weise in den Schacht geschmissen haben könnte: Verflossene ihres Bruders (den Shunsuke fix erfindet), oder missgünstige Kollegen?

Telefonischen Kontakt hat Shunsuke derweil nur mit Mai, die als einzige auf seine Mailboxnachrichten antwortet. Ex-Freundin von vor fünf Jahren und immerhin Krankenschwester, um die Erstversorgung der Wunde fernmündlich anzuleiten. Ihre Suche nach dem Schachtloch bleibt freilich erfolglos …

Regisseur Kumakiri weiß ganz genau, wie er #manhole dramaturgisch aufbauen muss. Wann wer welche Informationen erhält, wann ein neues Hindernis auftauchen muss, wann ein neuer Lösungsweg neue Hoffnung verspricht. Und dann schlägt er zu und gibt dem Film nochmals eine ganz neue Wendung, und zwar gerade, wenn man sich etwas müßig überlegt, was den nun noch kommen sollte. Dass diese Wendung, so unverfroren sie in den Film reingehauen wird, funktioniert, das sagt viel über die Kunst des Filmemachers, das Einfache hochspannend zu gestalten und dann kunstvoll in einen veritablen Psychothriller zu transzendieren.

#Manhole (2023)

Kawamura ist ein vielversprechender junger Mann. Er hat einen tollen Job; die Firma gehört dem Vater seiner Verlobten. Alles ist gut in der besten aller Welten. Doch nach ein paar Drinks in der Nacht vor seiner Hochzeit fällt er in einen tiefen Gully. Verzweifelt versucht er, sich daraus zu befreien. Mit dem Smartphone ruft er die Polizei, kontaktiert Freunde und wendet sich an die anonymen Massen in den sozialen Netzwerken. Die Uhr tickt gnadenlos, und der Morgen rückt näher. Wird der Bräutigam es zum Altar schaffen und glücklich sein bis zu seinem Lebensende?

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Susanne Mensing-Varila · 24.02.2023

Ich fand den Film gestern auf der Berlinale total läppisch und peinlich idiotisch. Ewig funktionierendes Handy, Schaum plus Gasexplosion und klaffend blutende Wunde ohne weiteres überstanden, keiner untersucht, wo es gerade regnet oder gewittert, der Held hüpft ohne zu humpeln von einem Ort zum anderen und hat nach allem noch die Kraft, sich an einem Seil aus dem Schacht zu ziehen: So ein irrsinniger Schwachsinn von Anfang bis Ende, und dann noch langweilig, mit ein paar Horrorszenen aufgepeppt. Ich verstehe echt nicht, wie es dieser Film auf die Berlinale geschafft hat.