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Zendaya und John David Washington spielen ein streitendes Paar in dem Zwei-Personen-Film „Malcolm & Marie“ von Sam Levinson.

Malcolm & Marie (2021)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Toxische Beziehung

Die Prämisse von Malcolm & Marie“ ist einfach: Der Filmregisseur Malcom (John David Washington) und seine Freundin Marie (Zendaya) kommen nach der Premiere seines Debütfilms in das von der Produktionsfirma gemietete Haus. Er ist aufgekratzt, regelrecht euphorisch, legt Musik auf und will feiern. Sie ist sichtlich genervt, müde und geht erst einmal zur Toilette.

Eingefangen in schönem Schwarz-Weiß (Kamera: Marcell Rév) fasziniert in den ersten Szenen des Films vor allem die Architektur des Hauses: die langen Fensterreihen, die langgestreckten Räume, in denen der Abstand zwischen Marie und Malcolm in den Einstellungen zu sehen ist. Während er im Wohnzimmer von einer Unterhaltung erzählt, steht sie auf der Terrasse und raucht. Sie sind in derselben Einstellung, aber klar voneinander getrennt.

Bald wird klar, warum Marie verärgert ist: Malcolm hat vergessen, sich in seiner Rede vor dem Film bei ihr zu bedanken. Er bedauert es, entschuldigt sich – jedoch geht es Marie nicht nur um ihre Unterstützung als Partnerin. Malcolm hat in seinem Film wesentliche Elemente ihres Lebens erzählt – ihre Zusammenbrüche, ihre Sucht, ihre Versuche, clean zu werden.

Im weiteren Verlauf des Abends werden Malcolm und Marie ihren Streit immer wieder aufgreifen, unterbrochen von scheinbaren Momenten der Versöhnung und der Nähe. Dieser Streit über das fehlende Danke führt immer tiefer in die Probleme dieser toxischen Beziehung und verhandelt wichtige Fragen zur Kunst und ihrer Rezeption. Malcolm entschuldigt sich zwar wiederholt, aber er versteht nicht, worum es Marie geht. Stattdessen setzt er zu langen Ausführungen über den Umgang von Kunst und Künstler*innen mit der Wirklichkeit an, er verweist auf den Authentizitätsanspruch, über den er sich ärgert. In einer besonders grausamen Sequenz dann setzt er Marie auseinander, welche Elemente er von seinen Ex-Freundinnen übernommen hat, während sie in der Badewanne sitzt. Dieses Aufzählen hat lediglich den Zweck, Marie zu demütigen – Malcolm ist überzeugt, so sagt er Marie, dass er sie brechen könne, wenn er wolle.

John David Washington spielt den tyrannischen Narzissten Malcolm insbesondere in den Momenten gut, in denen Malcolm Charme aufblitzen lässt. Hier versteht man seine Anziehungskraft. In den energiereichen Szenen überzieht er indes sehr. Dagegen gelingt Zendaya die Balance weitaus besser. Auch Marie weiß, wie sie Malcolm verletzten kann, vor allem aber weiß Zendaya die wenigen Momente der Stille zu nutzen.

Malcolm & Marie ist ein Film, der stark vom Drehbuch abhängt, das Regisseur Sam Levinson – Sohn von Barry – selbst geschrieben hat. Doch viele Worte, viele Sätzen scheinen im ihrer selbst willen zu existieren, um noch einen cleveren Satz loszuwerden. In den zentralen Elementen des Films indes ist es unausgewogen. Das beginnt bei der Beziehung von Malcolm und Marie. Den Dialogen ist zu entnehmen, dass sie schon eine Weile zusammen sind, sie haben sich kennengelernt, als Marie süchtig war. Ihr Altersunterschied entspricht dem zwischen dem 36-jährigen John David Washington und der 24-jährigen Zendaya. Er wird im Drehbuch auch angesprochen, jedoch wird nichts weiter daraus gemacht. Vielmehr geht es davon aus, dass beide eine ähnliche praktische Lebenserfahrung hätten, die sie eben nicht haben.

Im Drehbuch werden zudem Probleme angesprochen, die auch diesen Film betreffen. Marie kritisiert, dass in einer Einstellung von Malcolms Film die Schauspielerin unnötig sexualisiert wird. Daraufhin kontert Malcolm, ob man das von ihr nun auch sagen könnte – oder ob sie mit dem weißen Unterhemd und der weißen Unterhose nicht einfach das trägt, was sie immer trägt. Jedoch ändert dieser Einwand nichts daran, dass Zendaya in diesem Film spärlich bekleidet in Szenen gesetzt und unnötig sexualisiert wird. Nur weil das Problem angesprochen wird, verschwindet es nicht.

Malcolm will den Einwand dann entkräften, indem er zugibt, dass er einen male gaze – einen männlichen Blick hat und setzt zu einem weiteren Monolog über Identität an. Sie spielt in diesem Film eine große Rolle. Malcolm beklagt, dass die weiße Frau von der L.A. Times ihn als neuen Spike Lee oder Barry Levinson sieht, aber nicht mit weißen Regisseuren vergleicht. Dass Filme von Schwarzen Filmermacher*innen immer als politisch gesehen werden, während er doch einfach nur einen Unterhaltungsfilm gedreht habe. Er regt sich darüber auf, dass zu seinem Film geschrieben wird, er unterlaufe das White-Savior-Motiv, während einem weißen Filmemacher bei demselben Film vorgeworfen worden wäre, er unterstützte es.

Das sind wichtige Themen, die Malcolm hier aufwirft – gerade weil die Filmkritik wie die Filmindustrie weiß und männlich ist. Jedoch scheint sich der Film auch gegen Kritik absichern zu wollen: Indem die Überbetonung der Identität in der Rezeption von Filmen hier so stark kritisiert wird, kontert der Film gewissermaßen die Kritik, die ich aber dennoch anbringe: Es ist ein weißer Filmemacher, der seine Schwarze Hauptfigur sagen lässt, dass Kunst nicht durch eine politische Perspektive gesehen werden sollte. Und das ist problematisch.

Malcolm & Marie ist im vergangenen Jahr unter Corona-Bedingungen entstanden, das Drehbuch wurde in wenigen Wochen geschrieben und vielleicht hätte es einfach noch ein wenig mehr Arbeit gebraucht. Es gibt in diesem Film lustige Spitzen gegen Kritiker*innen und schöne Bilder – alles in allem aber wirkt der Film wie eine intellektuelle Kreativitätsübung in Schwarz-Weiß.

Malcolm & Marie (2021)

Filmemacher Malcolm (John David Washington) und seine Freundin Marie (Zendaya) kommen von der Premiere seines Films nach Hause und warten auf die Reaktionen der Kritiker. Der Abend nimmt eine plötzliche Wendung, als Offenbarungen über die Beziehung der beiden ans Tageslicht kommen, die ihre Liebe auf eine harte Probe stellen.

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Meinungen

daniel · 15.02.2021

Der Film könnte nicht besser sein, wie die Zunft der Kritiker*innen gerade mit dem Fokus auf die seit ein paar Jahren aufgeblähten Identitätsfragen auseinander genommen wird. Es ist eben gerade das Resultat, das zählt... die Aussagen eines Films müssen nicht mit dieser interessanten aber immer wieder auch fixen Idee, wer auf Grund seiner Hautfarbe/Geschlecht/sexueller Orientierung etc. welche Perspektive einnehmen darf und zu erzählen berechtigt ist.
In diesem Sinne: ein bisschen mehr Zeit und Denkaufwand hätte dieser Kritik gut getan. Im übrigen wäre es wohltuend, wenn Kritiker*innen sich mal die Freiheit nehmen würden, die Elaborate ihrer Kolleg*innen erst nach kundgetaner Meinung anzusehen, statt sicherheitshalber mit der Meute zu heulen....