Malavita - The Family (2013)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Familienangelegenheiten

Ein ehemaliger US-Mafiaboss und seine Familie im Zeugenschutz, noch dazu in der tiefsten französischen Provinz, Gangsterfilmikone Robert De Niro in der Hauptrolle, Tommy Lee Jones als knallharter Aufpasser und Martin Scorsese als ausführender Produzent – die bloßen Fakten zur Romanadaption Malavita – The Family klingen durchaus vielversprechend, werden dieser Annahme aber nicht ansatzweise gerecht. Wie Luc Besson, für Regie und Drehbuch verantwortlich, die recht interessante Ausgangssituation der literarischen Vorlage verarbeitet, ist letztlich mehr als enttäuschend. Trotz größtenteils solider Darstellerleistungen zerfällt die bemüht unkonventionelle Gangsterkomödie allzu schnell in ihre Einzelteile und dürfte beim Zuschauer keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der frühere Pate Giovanni Manzoni (Robert De Niro) hat es nicht leicht. Seitdem er einige seiner ehrenwerten Freunde verraten hat, muss er ernsthaft um sein Leben fürchten und wird unter falschem Namen ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Da er und seine unangepasste Familie jedoch immer wieder auffliegen, sind Ortswechsel an der Tagesordnung. Als Fred Blake soll sich der Ex-Mafioso nun mit seiner Frau Maggie (Michelle Pfeiffer) sowie den beiden Kindern Belle (Dianna Agron) und Warren (John D’Leo) in ein kleines Dorf in der Normandie zurückziehen und endlich ein unauffälliges Leben führen. Das alles unter den strengen Augen des FBI-Agenten Stansfield (Tommy Lee Jones), der die Eskapaden der Blakes langsam, aber sicher leid ist. Was folgen muss, ist klar: Da sie ihr cholerisches Wesen einmal mehr nicht in den Griff bekommen, sorgen die Amerikaner auch hier sehr bald für großes Aufsehen. Zu allem Überfluss kommt Fred auch noch auf die Idee, seine Gangstermemoiren niederzuschreiben.

Beschaulich-rückständiges Landleben trifft auf amerikanische Selbstherrlichkeit und rücksichtslose Gangsterattitüden. Ein Culture Clash, der ganz gewiss nicht ohne Klischeebilder auskommen kann, allerdings so überzeichnet daherkommt, dass es wirklich ärgerlich ist. Die Schule, die Belle und Warren besuchen, scheint von Hinterwäldler-Jugendlichen bevölkert, aus den Wasserleitungen kommt braune Brühe, die Franzosen sind Feinschmecker, während die amerikanischen Neuankömmlinge bei der Willkommensfeier ein deftiges Barbecue veranstalten. Anstatt die Unterschiede gegenüberzustellen und sie dann ironisch zu brechen, belässt es Besson beim bloßen Auswalzen von Plattitüden, die in letzter Konsequenz vor allem einen Zweck erfüllen: Beständig liefern sie Anlässe für überzogene Ausfälle der eigenwilligen Mafiafamilie. So jagt Maggie bereits kurz nach ihrer Ankunft einen Teil des örtlichen Supermarkts in die Luft, da sie sich von den Einheimischen veralbert fühlt. Die niedliche Belle wiederum entpuppt sich als kompromisslose Kampfmaschine, wenn sie einige pickelige Schuljungen verprügelt, die ihr ungeniert nachstellen. Erscheinen diese schwarzhumorigen Szenen anfangs noch amüsant, nutzt sich der komische Effekt jedoch mit jeder neuen Variation ab, wobei das mitunter zynisch-brutale Vorgehen der Amerikaner zusätzlich verstörend wirkt. Fast hat es den Anschein, als könne sich Besson nicht entscheiden, in welche Richtung er seinen Film lenken möchte, weshalb er einfach alle Register – von Klamauk bis hin zu derben Gewaltaktionen – zieht, die Geschichte damit aber umso mehr verwässert.

Die größten Schwächen des fahrigen Drehbuchs offenbaren sich bei der Verknüpfung des chaotischen Landlebens mit den unheilvollen Vorgängen im fernen New York. Während die Blakes in der Normandie unaufhörlich für Ärger sorgen, schmieden die von Fred verratenen Gangsterbosse fleißig Rachepläne, die schließlich durch einen albernen Zufall – derart konstruiert, dass er fast wie eine Parodie anmutet – konkret Gestalt annehmen können. Bevor die Figuren allerdings zum bleihaltigen Showdown schreiten dürfen, schiebt der französische Filmemacher eine Hommage an Martin Scorseses Genreklassiker GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (1990) ein, in dem Robert De Niro bekanntermaßen eine tragende Rolle innehat. Was möglicherweise als cleveres Spiel mit metatextuellen Bezügen angedacht ist, erweckt in der Ausführung aber nur einen aufgesetzten und prätentiösen Eindruck.

Als gäbe es nicht schon ausreichend Beispiele für verschenkte Möglichkeiten, bringt es Besson auch noch fertig, einen Tommy Lee Jones, der immerhin in einer Paraderolle zu sehen ist, größtenteils zu verheizen. Anders als im spannungsgeladenen Thriller Auf der Flucht (1993) bekommt der kantige Mime in Malavita – The Family nur selten Gelegenheit, als bärbeißiger FBI-Agent zu brillieren. Zu unverbindlich sind seine Auftritte, zu halbherzig sein Intervenieren. Angesichts all der Unzulänglichkeiten ist es mehr als verwunderlich, dass Regielegende Martin Scorsese, ein intimer Kenner des Gangsterfilms, seinen Namen für einen solch unausgereiften Genrebeitrag hergeschenkt hat.

(Christopher Diekhaus)
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„Malavita“ – die Unterwelt – bestimmte seit Kindesbeinen das Leben von Giovanni Manzoni (Robert De Niro). Doch dann sagte er gegen seine Mafia-Kollegen vor Gericht aus, kam ins Zeugenschutzprogramm des FBI und lebt nun mit seiner Familie unter falschem Namen in Frankreich. Doch im sonnigen Süden wurde es zu gefährlich für sie, deshalb ziehen sie in die Normandie und sollen dort als Familie Blake ein möglichst unauffälliges Leben führen. Aber weder Gios Ehefrau Maggi (Michelle Pfeiffer) noch seinen Kinder Belle (Dianne Agron) und Warren (John D’Leo) fällt das leicht: Maggie sprengt aus Wut schon einmal einen Supermarkt in die Luft, Belle ist nicht nur hübsch, sondern äußert schlagkräftig und Warren strebt ehrgeizig eine Karriere als Nachwuchsgangster an. Und auch Giovanni hat Mühe, seine Wut im Zaum zu halten und von alten „Überzeugungsmethoden“ die Finger zu lassen.

Nach einem Roman von Tonino Benacquista erzählt Luc Besson in Malavita – The Family von dem Leben im Zeugenschutzprogramm des FBI, indem er eine letztlich nicht stimmige Mischung aus Klamaukkomödie und Drama inszeniert. Giovannis Prügeleien, die Anschläge der anderen Familienmitglieder, Träume und Rückblenden stecken voller Klischees und bewusst karikierender Inszenierungen, zu denen eine überkandidelte Michelle Pfeiffer ebenso gehört wie ein Mafiakiller, der zu seinem schwarzen Hut stets einen schwarzen Mantel trägt. Schlägereien werden in zusammenfassenden und schnell geschnittenen Rückblenden gezeigt, die allzu konventionell sind, um witzig zu sein. Daneben stehen Sequenzen, in denen die Folgen dieses Lebens für die Familie angedeutet werden: Frau und Kinder bemühen sich, ihren eigenen Kummer vor dem Vater zu verbergen; Giovanni würde gerne seine Version der Geschichte erzählen, darf es aber nicht; und Maggi wird selbst der Zugang zur Kirche verwehrt. Vor allem aber sind sie mit der Situation überfordert und suchen sich daher verschiedene Auswege – ein Buch, den Glauben, die Liebe und die Flucht –, müssen aber letztlich erkennen, dass sie diesem Leben nicht entkommen können. Leider folgt der Film diesem weitaus interessanteren Ansatz nicht, sondern setzt auf Klamauk anstatt den Folgen dieses Lebens für die Familie nachzuspüren.

Robert de Niro und Michelle Pfeiffer sind routiniert in den Hauptrollen, auch Tommy Lee Jones ist als FBI-Agent abermals knurrig-lustig. Hier bietet der Film keinerlei Überraschungen, aber ausreichend Routine, um gut zu unterhalten. Dianna Agron als Tochter Belle gelingt es, eine widersprüchliche Rolle gut zu spielen: Sie setzt sich notfalls mit Gewalt zur Wehr und tut, was getan werden muss. Zugleich träumt sie aber von der ersten großen Liebe – und wird bitterlich enttäuscht. Wenn sie weinend im unschuldig weißen Kleid durch die nächtlichen Straßen geht, sind das altbackende Bilder, die aber wenigstens eine unterhaltsame Wendung erfahren – schließlich ist sie die Tochter eines Gangsters. Auch darf sie etwas aus den Geschlechterrollen des Mafia-Films ausbrechen, ihre Mutter muss hingegen letztlich doch vom Mann beschützt werden, obwohl sie noch vor kurzem recht explosiv selbst zur Tat schritt.

Letztlich versucht Luc Besson, den Witz aus dem Zusammenprall einer Mafia-Familie mit den französischen Lebensgewohnheiten zu gewinnen und eine Mischung aus französischer Culture-Clash-Komödie mit Mafia-Elementen zu drehen. Aber abgesehen davon, dass es in französischen Supermärkten keine Erdnussbutter gibt und die Franzosen Sahne für jedes Essen brauchen, fällt ihm kaum etwas dazu ein. Und das ist für eine Komödie zu wenig.
 

Malavita - The Family (2013)

Ein ehemaliger US-Mafiaboss und seine Familie im Zeugenschutz, noch dazu in der tiefsten französischen Provinz, Gangsterfilmikone Robert De Niro in der Hauptrolle, Tommy Lee Jones als knallharter Aufpasser und Martin Scorsese als ausführender Produzent – die bloßen Fakten zur Romanadaption „Malavita – The Family“ klingen durchaus vielversprechend, werden dieser Annahme aber nicht ansatzweise gerecht.

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