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Kein Zweifel wem die Liebe dieses Films gehört: Wer braucht schon vielschichtige Figuren, wenn „Love and Monsters“ mit den wundervollen Designs seiner Kreaturen so viel mehr begeistern kann.

Love and Monsters (2020)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Liebe Deine Monster

Das Rad mag Love and Monsters nicht gerade neu erfinden: In einer postapokalyptischen Welt macht ein völlig überlebensunfähiger Typ sich auf den Weg, um seine Freundin in einer weit entfernten Kolonie Überlebender zu finden. Gesäumt ist der Weg nicht nur von allerlei ekligen, bedrohlichen und bisweilen gar putzigen Monstertieren, sondern auch von herzerwärmenden Begegnungen mit anderen Überlebenden und einer Menge Selbstfindung.

Dass der Film des südafrikanischen Regisseurs Michael Matthews dabei dennoch überzeugt, liegt nahezu gänzlich am überragenden Design und dem fantasievollen Artenreichtum der titelgebenden Protagonisten mit ihren Hauern, Klauen, Stacheln, Zungen und Fühlern.

Joel (Dylan O’Brien) hat die beinahe vollständige Vernichtung der Menschheit vor sieben Jahren als Teenager erlebt: Ein Asteroid drohte die Erde zu treffen, bevor er rechtzeitig mit Chemieraketen abgeschossen werden konnte. Blöd nur, dass die Chemie der Raketen zurückgeregnet ist und innerhalb kürzester Zeit selbst die kleinsten Bewohner des Planeten zu wütenden Todesmaschinen mutiert sind. In seiner Gruppe Überlebender, in einem unterirdischen Bunker, ist Joel seither eher ein Außenseiter. Sein größtes Problem: Im Anblick der Gefahr gefriert er vor Angst und eignet sich so für den Überlebenskampf nur bedingt. Seine Freundin Aimee (Jessica Henwick) hat nach der Apokalypse nur einige Tagesreisen westlich Unterschlupf gefunden. Joel hat sie zwar seit sieben Jahre nicht gesehen und nur per Funk Kontakt zu ihr – aber er findet, nun ist es an der Zeit, den Gefahren zu trotzen und Aimee wiederzusehen.

Gerade ist noch eine Art gigantische Gottesanbeterin in den Bunker der Überlebenden eingedrungen und hätte Joel fast getötet, schon steht dieser mit einer klapprigen Armbrust und seinem Notizbuch bewaffnet in den überwucherten Ruinen Kaliforniens. In jedem verlassenen Haus und hinter jedem Felsen lauern dabei tödlichste Kreaturen auf ihn, die nur noch entfernt an ihre kleinen Vorfahren erinnern: Eine Kröte von der Größe eines Lastwagens; eine Schnecke, die Joel auf Augenhöhe begegnet; fiese Sandwürmer, in deren Nest Joel unversehens abstürzt und unzählige Kreaturen aller Größen, Formen und Farben mehr.

Love and Monsters kann mit der sehr erwartbaren Erzählung und ihren allzu schematischen Figuren wenig überzeugen: Natürlich trifft Joel bald auf den abgebrühten Clyde (Michael Rooker) und dessen Ziehtochter Minnow (Ariana Greenblatt), die ihn ein Stück begleiten und ihm die wichtigsten Grundregeln im Kampf gegen das mutierte Geziefer beibringen. Etwas zu deutlich werden dabei Erinnerungen etwa an Zombieland (Ruben Fleischer, USA 2009) wach, ohne dass Love and Monsters einen eigenen Akzent setzen oder die Konstellation seiner Protagonist*innen über die schematische Anordnung hinaus entwickeln könnte. Ein besonderer Tiefpunkt ist die an Akkuschwäche sterbende Roboterin Mav1s (Melanie Zanetti), durch deren programmierte Einfühlsamkeit Joel jenen emotionalen Reifeprozess im Schnelldurchlauf bekommt, für den der Film an anderen Stellen zu wenig Zeit hat.

Aber – und dieses „Aber“ hat mindestens die Größe einer mutierten Riesenschnecke! – es gibt zum Glück ja noch die Monster! Denn, um ehrlich zu sein, ob Joel und Aimee und die anderen Überlebenden und ihre emotionalen Probleme und so weiter, oder auch nicht, oder doch – völlig egal. Love and Monsters lässt mit dem Augenblick, in dem Joel die verwüstete Erdoberfläche betritt, nicht den geringsten Zweifel daran, wem die wahre Liebe dieses Films gilt: In fast jeder Einstellung der untergegangenen Städte und urwüchsigen Wälder kreucht und fleucht es, überall tauchen größere und kleinere Kreaturen auf, jede Sequenz ist überbordend erfüllt mit entzückendem Einfallsreichtum. Selbst im Angesicht des schrecklichsten Gewürms mit seinen unzähligen Klauen lässt sich das nächste Monster vor Begeisterung und Neugier kaum erwarten. Gerade weil die mutierten Insekten und Amphibien so vertraut sind, macht ihre fantasiereiche Verzerrung so viel Freude. Love and Monsters verliert sich nicht im Versuch, das ganz Andere einer unfasslichen Alien-Rasse präsentieren zu wollen. Im Gegenteil: Die Wesen des Films sind so schrecklich und so wunderschön gerade in ihrem Spiel mit dem Bekannten der kleinsten und gewöhnlichsten Bewohner unseres Planeten.

Fast bedauerlich ist das unumgängliche Ende von Joels Reise, wenn er nach Tagen an der Oberfläche endlich Aimees Kolonie erreicht. Immerhin: Das Finale des Films überzeugt noch einmal mit einem besonders gelungenen Geschöpf, wenn auch die Erzählbögen wirklich in jeder Linie, die der Film zeichnet, flach bleiben. Es ist umso mehr ein Verdienst des Kreaturendesigns, dass Love and Monsters dennoch so erstaunlich viel Begeisterung weckt. Nun bleibt zu hoffen, dass die Weiten der monsterbehausten Welt vielleicht noch das eine oder andere ebenso einfallsreiche und liebevolle Sequel hervorbringen. Vielleicht mit weniger menschlichen und dafür noch mehr monströsen Figuren.

Love and Monsters (2020)

Ein junger Mann lernt mit Hilfe eines Jagd-Experten, wie man eine von Monstern bevölkerte Apokalypse überlebt.

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Meinungen

Quentin Tarintino · 03.05.2021

schlechter film