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Investigativthriller, Gesellschaftsporträt, Psychodrama? Amat Escalantes neuer Film sitzt recht unentschlossen zwischen allen Stühlen und verhebt sich am eigenen Anspruch.

Lost in the Night (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Geschichte von Rache und Erlösung

„Lost in the Night“ ist der neue Film von Amat Escalante, dem mexikanischen Regisseur und früheren Assistenten von Carlos Reygadas. Schon der Beginn lässt keinen Zweifel daran, wer diese Verschwundenen der Nacht sind: Nach einer Protestkundgebung wird ein Fahrzeug mit Aktivist*innen gegen die Machenschaften eines international Bergbau-Konzerns von der Polizei gestoppt. Die Aktivist*innen werden teilweise erschossen, das Schicksal der anderen bleibt zunächst unklar.

Dieses Verschwinden steht im Mittelpunkt des Films. Drei Jahre später begibt sich Emiliano (Juan Daniel Garcia Trevino), der Sohn einer der verschwundenen Frauen, auf die Suche nach ihrem Schicksal. Durch das Geständnis eines sterbenden Polizist stößt er auf eine Spur, die ihn zu dem bizarren Haus einer vermögenden Familie führt. Dort wohnen Rigoberto (Fernando Bonilla), ein Bildender Künstler, der in seinen Performances und Installationen die vielen anderen Verschwundenen der vom Drogenkrieg gezeichneten mexikanischen Gesellschaft thematisiert, seine Frau Carmen (Barbara Mori) und Monica (Ester Esposito), deren Tochter aus einer früheren Beziehung. Monica ist Influencerin mit einer zweifelhafte Spezialität: sie dreht gefakte Selbstmordvideos. Mit Hilfe seiner Freundin Jazmin (Maria Fernanda Osio) gelingt es dem jungen Mann, sich als eine Art Hausmeister in den Haushalt einzuschleichen und dort den Verbleib seiner Mutter zu untersuchen.

Was in der Nacherzählung einigermaßen stringent klingt und auch der Plot einiger Episoden der Netflix-Serie Narcos sein könnte (für die Escalante 2018 und 2021 tatsächlich Regie führte), wirkt im Kinosaal konfus und sprunghaft. Erzählerisch wie ästhetisch werden zu viele Fäden aufgegriffen und dann im weiteren Verlauf achtlos fallengelassen, die den Film in der Gesamtschau zu einem undurchdringlichen Knäuel machen: eine gleich doppelte psychologische Familienaufstellung, ein Krimi und Revenge-Thriller, der an manchen Stellen dann aber wieder Gesellschaftsdrama sein will, oder Satire der oberflächlichen Kunst- und Medienwelt. All das vermengt sich hier zu einem überlangen und überfrachteten Konglomerat, das trotz eines bemühten Finales am Ende viele Fragen offen lässt. 

Escalante gelingen zwar besonders gegen Ende hin immer wieder eindrucksvolle Bilder (Adrian Durazo) und auch der Synthie-lastige Soundtrack von Kylie Dixon und Michael Stein (Stranger Things) kann sich hören lassen und gibt dem Film noch dunklere Facetten, insgesamt aber reicht der Film nicht an die beiden vorherigen Werke des mexikanischen Filmemachers heran.

Gesehen beim Filmfestival in Cannes 2023

Lost in the Night (2023)

In dem Thriller begibt sich ein junger Mann nach dem Verschwinden seiner Mutter auf die Suche nach dem Schuldigen.

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