Los Veganeros

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Knackwurst oder Kackwurst im Darm, das ist hier die Frage

In einem Speiselokal in Hannover mit dem revolutionsträchtigen Namen „Los Veganeros“, das seinen Gästen Speis und Trank ohne von Tieren stammende Stoffe serviert, trifft sich regelmäßig ein Grüppchen umtriebiger Engagierter in Sachen Umwelt- und Tierschutz, das sich der Aufgabe widmet, durch radikale Aktionen das gesellschaftliche Bewusstsein für diese Themen zu sensibilisieren. Dabei fungiert die bereits 94-jährige, quicklebendige und wohlhabende Alma (Ingeborg Heinrich) nicht nur als kommunikativer Knotenpunkt der überzeugten und überzeugungsfreudigen Veganer, sondern finanziert auch freizügig ihre Projekte. Mit von der Partie sind auch Typen wie der einfallsreiche Tim (Jan Hegenberg), der gern als Undercover-Ermittler an der Fleischtheke im Supermarkt die Kunden aufklärt, und der gebildete, ein wenig abgetakelte Bernd (Thomas Bolz), ein einstiger Bühnenschauspieler, der durch seinen schier unerschöpflich erscheinenden Vorrat an förderlichem Wissen beeindruckt. Über eine Kontaktanzeige rekrutiert Alma die Erzieherin Vicky (Rosalie Wolff) für ihren konspirativen Kreis, die selbst bei einem Familienessen, als ihre Mutter (Hendrikje Fitz) ihr Bio-Fleisch „ausnahmsweise zum Probieren“ anbietet, noch ihre vegane Lebensweise verteidigen muss und nun die Gemeinschaft mit ihren Gesinnungsgenossen genießt.
In diesen Zeiten, in denen der immens hohe Fleischkonsum in Deutschland zwar laut Fleischatlas 2014 tendenziell leicht zurückgeht, aber Produktionsmethoden wie die Massentierhaltung nach wie vor die gesellschaftlich allgemein akzeptierte Realität des Lebens von so bezeichneten Nutztieren dominiert, hat der Filmemacher und Musikproduzent Lars Oppermann mit Los Veganeros eine Komödie inszeniert, die sich vor diesem ernsten, wachsend bedeutsamen soziopolitischen sowie ethischen Hintergrund ereignet. Eingebettet in die überwiegend amüsante, leichtgängige Spielfilmdramaturgie werden hier einerseits anschaulich bis überzeichnet die Haltungen, Positionen und Erfahrungen der veganen Lebensweise hierzulande transportiert und andererseits auch prägnante Informationen hinsichtlich dieser speziellen Ernährungsform sowie über die oftmals erbärmliche Existenz der betroffenen Tiere eingestreut – bis hin zu so plastischen wie realistischen und entsetzenden Darstellungen dieses Elends, die dem Film eine FSK-Freigabe erst ab 16 Jahren beschert haben.

Es ist ausgerechnet die aktionsfrische Vicky, die ihrem veganen Stammtisch als Neuling der Gruppe eines Tages eine kühne Idee unterbreitet, die zwar im Verlauf der Aktionsvorbereitungen auf durchwachsene Resonanzen trifft, sich aber im Eifer und in der Euphorie ihrer als äußerst effektvoll imaginierten Wirkungsmacht bald zu einem konkreten Schlachtplan mit ungeahnten Folgen auswächst: Heinz Granitzka (Jörg Mumme), uneinsichtiger Inhaber einer ortsansässigen Schweinemastanlage, für den seine Tiere nicht mehr als umsatzträchtige Ware bedeuten, die es unter allen Umständen so effizient wie möglich auszubeuten gilt, soll aus Protest dagegen nackig in einer Schweinebucht vor dem Rathaus auf dem Lindener Marktplatz zur Schau gestellt werden. Da sich Granitzka jedoch wohl keinesfalls freiwillig als Anschauungsobjekt zum Hinweis auf die Tierrechte zur Verfügung stellen würde, soll er kurzerhand dazu entführt werden, was auch für Vicky einige Turbulenzen lostritt, zumal sie sich gerade auch noch ausgerechnet in Matt (Nils Brunkhorst) verschossen hat, der zur Spezies der so genannten Omnis gehört, die schier alles Essbare, also auch Tiere verspeisen, und zwar mit Genuss…

Wie bereits bei seinem ersten Film Gangster, Geld und Rock’n’Roll von 2012 hat Regisseur und Drehbuchautor Lars Oppermann erneut das ihm vertraute Hannoveraner Territorium als Ort des Geschehens ausgewählt, wo auch einige seiner Darsteller wie Ulas Kilic und Sven Daniel Bühler leben, während er beinahe sämtliche Schauspieler – zuvorderst Rosalie Wolff, Inez Bjørg David und Nils Brunkhorst – aus der veganen „Gemeinde“ rekrutiert hat, die zu Gunsten dieses Low Budget Projekts auf ihre Gage verzichtet haben. Dieses Engagement wurzelt auch in der Haltung des Überzeugungstäters Lars Oppermann, selbst praktizierender Veganer, dem es nicht nur ein Anliegen ist, entsprechende ethische Botschaften im Gewand seiner Komödie zur Reflexion zu präsentieren, sondern auch eine Reminiszenz an den Veganismus und seine Anhänger, die in dieser Hinsicht willens und fähig sind, ihre Wertpräferenzen auch konsequent zum Maßstab ihres Verhaltens zu erheben. Die begleitende Filmmusik, die im Kontrast zur komischen und karikierenden Dramaturgie überwiegend sanft bis schwermütig daherkommt, wurde ebenfalls vom Regisseur komponiert, während die Hannoveraner Sängerin Kathrin Schendel den melancholischen Melodien mitunter ihre Stimme leiht.

Auch wenn die alltäglichen Gepflogenheiten der gewaltigen und gewalttätigen Industrie der Massentierhaltung mit steigender Tendenz in den Medien diskutiert werden und längst der breiten Öffentlichkeit bekannt sind, stellt Los Veganeros mit seiner treffsicheren Repräsentation, Parodie und Polemisierung der gängigen Klischees dieses Themas im humorig gestalteten Spannungsfeld der kulturellen Konfrontation von „Veggies“ mit „Omnis“ einen aktuellen fiktiven, innovativen und nicht zuletzt auch unterhaltsamen Beitrag zu diesem brisanten Komplex dar. Vegetarismus und Veganismus erfahren in diesen Zeiten der radikalen soziopolitischen wie ökotrophologischen Trampelpfade, Trends und Tugenden einen rapide wachsenden Zulauf. Wenn nach der Sichtung des Films, der beginnend mit seiner bereits ausverkauften Kinopremiere am 20. März im Apollo Kino in Hannover auch in weiteren deutschen Städten in Anwesenheit von Lars Oppermann sowie Darstellern gezeigt wird, ein paar mehr geläuterte Seelen den Zuschauerraum gemeinsam mit dem veganen Volk verlassen und künftig (bei Zeiten) auf das Fünf-Minuten-Vergnügen der Fleischfresserei verzichten, hat die Botschaft von Los Veganeros zumindest die gedankliche Bequemlichkeit seines Publikums perturbiert, was immerhin einen beachtlichen Beginn markiert.

Los Veganeros

In einem Speiselokal in Hannover mit dem revolutionsträchtigen Namen „Los Veganeros“, das seinen Gästen Speis und Trank ohne von Tieren stammende Stoffe serviert, trifft sich regelmäßig ein Grüppchen umtriebiger Engagierter in Sachen Umwelt- und Tierschutz, das sich der Aufgabe widmet, durch radikale Aktionen das gesellschaftliche Bewusstsein für diese Themen zu sensibilisieren.
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Meinungen

Thorsten · 07.08.2015

Wir haben ihn schon 2 mal im (vollen) Kino geschaut und freuen uns schon auf die DVD. Los Veganeros wird auf jeden Fall ein Kult Film! Großen Dank an die Macher.

Sascha Gröhling · 25.06.2015

Wir haben den Flm in Hamm gesehen. Leider keine zwanzig Leute im Kino. Ein echt gelungener und kritischer Film.Wir haben viel gelacht. Außerdem macht der Film echt nachdenklich und regt zum Umdenken an. Absolut gelungen. Feue mich schon auf den zweiten Teil.

Matthias Schneider · 04.04.2015

Los Veganeros habe ich vor einigen Tagen im Kino gesehen und ich war mehr als überrascht. Ein brisantes Thema gut verpackt. Durchdachte Story und ein verdammt gutes Tempo und Timing, sodass keine Sekunde Langeweile aufkam. Einige Rollen waren mit Laiendarstellern besetzt, was sicherlich dem geringen Budget geschuldet ist. Die Hauptrollen haben gut funktioniert und die Story sehr gut getragen. Die Filmmusik hat mir auch sehr gefallen. Mein persönliches Fazit: Einer der besten deutschen Kinofilme seit langer Zeit, wenn man die Relation Budget und Ergebnis betrachtet.