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Bettina Perut und Iván Osnovikoff zeigen in ihrem Dokumentarfilm „Los Reyes – Königliche Streuner“ einen Park in Santiago – und widmen sich dem Hunde-Duo Futbol und Chola, das dort lebt.

Los reyes - Königliche Streuner (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Zwei Hunde im Park

„Ein Hundeleben führen“ bedeutet in unserer Umgangssprache in etwa „ein elendes Dasein fristen“. Wie unfassbar überheblich, ignorant und schlichtweg falsch das ist, wollen wir hier gar nicht näher erläutern. Denn jeder Mensch, der schon einmal Zeit mit einem Hund verbracht hat, weiß: Die Hunde scheinen es eher herauszuhaben, worauf es wirklich ankommt, als wir. (Und ja, das gilt natürlich auch für Katzen, Faultiere, Igel, Bambusbären et cetera.)

Es ist deshalb absolut nachvollziehbar, dass sich das Regie-Duo Bettina Perut und Iván Osnovikoff im Dokumentarfilm Los Reyes – Königliche Streuner auf zwei Straßenhunde konzentriert: Futbol und Chola. Die Heimat der beiden ist der titelgebende Skatepark in der chilenischen Hauptstadt Santiago. Um sie herum wuseln die Jugendlichen, die sich im Park treffen, um miteinander zu quatschen und zu skaten. Zuweilen widmen die jungen Leute den zwei Hunden ihre Aufmerksamkeit; gelegentlich fällt zum Beispiel ein kleiner Snack ab. Doch in erster Linie sind Futbol und Chola einfach nur da – als völlig selbstverständlicher Teil des Parks. Auch Menschen, die sich zum Spazierengehen oder zum Fußballspielen dort aufhalten, nehmen höchstens am Rande Notiz von den Hunden, ebenso wie die berittene Polizei.

Im Werk von Perut und Osnovikoff sind Futbol und Chola hingegen nicht die Hintergrundkulisse, sondern die Stars. Und rasch wird klar, weshalb die beiden Filmschaffenden diese Entscheidung getroffen haben. Denn dies ermöglicht einen sehr besonderen Blick auf diesen Mikrokosmos in Santiago. Wenn es regnet und sich der Park schlagartig leert, bleiben Futbol und Chola zurück. Ein Tennisball, der im Maul durch die Gegend getragen und konzentriert angenagt und zerkaut wird, erinnert dann an das bunte Treiben bei gutem Wetter. Wenn die Sonne scheint, sorgt ein Sprinkler für Abkühlung. Diverse Insekten krabbeln auf dem Fell der Hunde herum – sie gehören ebenfalls zum Rhythmus der Stadt, auch wenn viele sie nicht unbedingt mögen.

Neben gelungenen Bildkompositionen, die das Wesen des Stadtparks samt Street-Art einfangen, arbeitet der Film mit zahlreichen Nah- und Detailaufnahmen. Das Fell der Hunde wird studiert, eine einzelne Pfote wird genau in Augenschein genommen. Wie etwa schon Streuner – Unterwegs mit Hundeaugen (2020) von Elizabeth Lo über streunende Hunde in Istanbul oder die österreichisch-deutsche Koproduktion Space Dogs (2019) von Elsa Kremser und Levin Peter über Straßenhunde in Moskau ist auch Los Reyes ein Werk voller Empathie. Aus Beobachtung wird Anteilnahme. Wenn die Hunde in Aufregung geraten, überträgt sich das alsbald ebenso auf uns wie die Ruhe, wenn sie friedlich dösen. Und obwohl der Fokus gänzlich auf den Tieren liegt, erhaschen wir auch etliche Eindrücke der jungen Menschen, die unbefangen im Park über ihren Alltag plaudern. So ist Los Reyes nicht zuletzt ein ungewöhnliches Stadtporträt. Wir haben am Ende dieses Films zwei Hunde kennengelernt und auch einen Eindruck des Lebens der Heranwachsenden in Santiago erhalten. Und wirklich alle sollten begriffen haben: Ein Hundeleben ist gewiss nicht elend.

Los reyes - Königliche Streuner (2018)

Sie lauschen den Gesprächen der Jugendlichen, die Tag für Tag in ihrem Revier abhängen, Bier trinken, rauchen und kiffen: der Ärger mit den Eltern, die Probleme in der Schule, die Partys des letzten Wochenendes oder die Businesspläne mit essbaren Cannabisprodukten. Noch kurz die berittene Polizei verbellen, mit den Sirenen heulen, dann im Schatten ein Nickerchen machen, nur aufpassen, dass der Tennisball nicht wieder abhanden kommt. Chola und Football sind Straßenhunde, die im ältesten Skatepark der chilenischen Hauptstadt Santiago zu Hause sind. 

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