Lone Ranger

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Gigantisches „Familientreffen"

Lone Ranger ist nicht nur die Neuinterpretation einer beliebten Hörspielreihe (1933-1954) und einer populären Fernsehserie (1949-1957). Nicht nur ein verwegener Versuch, das brachliegende Western-Genre zu neuem Leben zu erwecken. Das gigantische Disney-Projekt ist auch ein großangelegtes „Familientreffen“. Schließlich kommen hier einmal mehr die kreativen Köpfe zusammen, die schon dem unfassbar erfolgreichen Fluch der Karibik-Franchise ihren Stempel aufgedrückt haben: Produzent Jerry Bruckheimer, Regisseur Gore Verbinski, die Drehbuchautoren Ted Elliott und Terry Rossio, Komponist Hans Zimmer und nicht zuletzt Johnny Depp, der dem verwegen-tapsigen Piratenkapitän Jack Sparrow zu popkulturellem Ruhm verholfen hat.
Beste Voraussetzungen für einen neuen Hollywood-Schlager, will man meinen. Doch wie so oft ist auch die größte Leinwandfamilie nicht vor Rückschlägen gefeit. So sorgten hartnäckige Wetterkapriolen mehrfach für erschwerte Drehbedingungen, und das ohnehin umfangreiche Produktionsvolumen wuchs, auch aufgrund ausgefallener Regie-Wünsche, immer weiter an, was bei den Disney-Verantwortlichen zu einigen Verstimmungen führte. Ähnlich turbulent dürfte es zugegangen sein, als vor kurzem die ersten Zahlen zum US-Start in die Studiobüros flatterten: Der bildgewaltige Western blieb bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück und wird, zumindest mit Blick auf den amerikanischen Markt, bereits als gewaltiger Flop gehandelt.

Keine guten Nachrichten für einen Film, der eigentlich als triumphale Rückkehr einer Ikone der amerikanischen Kulturindustrie gedacht war: jenes Lone Rangers, der zusammen mit seinem indianischen Freund Tonto für rückhaltlose Gerechtigkeit eintritt. Nach dem Abschluss seines Jurastudiums will John Reid (Armie Hammer) seinen Bruder Dan (James Badge Dale), einen Texas Ranger, beim Kampf gegen das Verbrechen unterstützen. Schnell muss der aufrichtige Anwalt jedoch erkennen, dass seine noblen Vorstellungen im texanischen Westen noch keine Gültigkeit besitzen. Obwohl der zivilisatorische Fortschritt in Gestalt der Eisenbahn immer größere Verbreitung findet, gibt es nach wie vor Männer wie Butch Cavendish (William Fichtner), die rücksichtslos gegen Recht und Ordnung aufbegehren. Als sich John gemeinsam mit seinem Bruder und anderen Gesetzeshütern auf die Suche nach dem gefährlichen Banditen macht, wird die Gruppe in einen Hinterhalt gelockt. Einzig John überlebt den Überfall, fällt jedoch in einen komatösen Zustand zwischen Leben und Tod. Erst der geheimnisvolle Indianer Tonto (Johnny Depp), dem der Anwalt kürzlich das Leben gerettet hat, pflegt den Verwundeten gesund. Da der Komantsche den weißen Mann für einen unverwundbaren Seelenwanderer hält, überzeugt er ihn, von nun an auf eigene Faust als maskierter Reiter für Gerechtigkeit zu sorgen. Gemeinsam bricht das ungleiche Paar auf, um Butch Cavendish zu stellen.

Im Vergleich zu früheren Auftritten des Lone Rangers setzen Bruckheimer und Verbinski in ihrer modernisierten Version auf eine veränderte Perspektive. Während Tonto in Radioshow und Fernsehserie zumeist nicht über die Rolle eines Handlangers hinauskommt, bestimmt er nun den Blick auf die Geschichte – eine Geste, die sicherlich auch mit der veränderten Haltung gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern zusammenhängt. In einer Rahmenhandlung entdeckt ein kleiner Junge den Indianer bei einer Wild-West-Ausstellung im Jahr 1933. Die vermeintliche Puppe erwacht allerdings plötzlich zum Leben – ein gealterter Tonto beginnt von der „Geburt“ des Lone Rangers und ihres ersten gemeinsamen Abenteuers zu erzählen.

Schon diese museale Ausgangssituation, zu der der Film mehrfach zurückkehrt, hebt den mythischen Status der Geschichte hervor. Zum Greifen ist das mysteriöse Wesen des Rangers vor allem dann, als Tonto den Halbtoten, der von seltsamen Visionen befallen wird, zurück ins Leben ruft. Eine fast überweltliche Aura erhält John zudem durch seinen geisterhaften Schimmel Silver, der aus dem Nichts auftaucht und über Dächer zu reiten vermag. Nicht umsonst ist es das Pferd, das in dem unbescholtenen Anwalt einen Seelenwanderer erkennt und Tonto von dieser Einsicht überzeugen kann. Der Indianer selbst scheint ebenso ein Wandler zwischen den Welten zu sein. So versorgt er die Krähe, die er als Kopfschmuck trägt, immer wieder mit Futter, obwohl sie bereits tot ist. Ähnlich wie in Fluch der Karibik gelingt es Johnny Depp eindrucksvoll, seiner rätselhaften Figur komisch-ausgefallene Züge zu verleihen. Abgesehen vom exzentrischen Erscheinungsbild setzt Depp auch mit seiner abgehackten, befehlsartigen Sprechweise eigenwillige Akzente.

Je mehr die beiden Protagonisten sich zu Beginn in Wortgefechten aufreiben, umso deutlicher zeigt sich, dass Lone Ranger vor allem eins ist: ein klassisches Buddy-Abenteuer. John Reid und Tonto geben ein herrlich komisches Paar ab, wobei Depp den Kollegen Hammer durch sein ungewöhnliches Spiel und seine trocken vorgetragenen One-Liner mitunter in den Hintergrund zu drängen droht. Abseits der Buddy-Dynamik enthält der Film natürlich auch eine Reihe weiterer westerntypischer Merkmale: die Eisenbahn als Zeichen des Fortschritts, ein habgieriger Kapitalist (mit Tom Wilkinson glaubwürdig besetzt), der Wille nach Vergeltung für die Ermordung des eigenen Bruders, ein verruchtes Bordell und mythisch aufgeladene Landschaften wie das Monument Valley. Mit großer Liebe zum Detail wird der Westen des Jahres 1869 zum Leben erweckt und in opulenten, aber staubbedeckten Bildern eingefangen.

Und doch drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass Lone Ranger zu viele unterschiedliche Elemente zusammenwürfelt. Der Film möchte düster und tragisch sein, gleichzeitig komisch und verspielt. Die Balance zwischen witzigen Einlagen, bedeutungsschwerer Ernsthaftigkeit und grausamen Momenten will nur stellenweise überzeugend gelingen. Und auch die aufgebläht erscheinende Geschichte kann, trotz so manch rasanter Action-Sequenz, nicht durchgehend fesseln. Während des ausladenden Showdowns, der auf zwei parallel fahrenden Zügen ausgetragen wird, fiebert man dann auch sehnsüchtig dem Ende entgegen. Ungeachtet eines hervorragenden Johnny Depps können 150 Minuten eben doch sehr lang werden.

Lone Ranger

„Lone Ranger“ ist nicht nur die Neuinterpretation einer beliebten Hörspielreihe (1933-1954) und einer populären Fernsehserie (1949-1957). Nicht nur ein verwegener Versuch, das brachliegende Western-Genre zu neuem Leben zu erwecken. Das gigantische Disney-Projekt ist auch ein großangelegtes „Familientreffen“.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

McD · 20.08.2013

Sehr geiler Film :)