Lola auf der Erbse

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Niemand ist illegal!

Lola auf der Erbse ist so ein Film, den man sofort mögen, ach was, ins Herz schließen möchte. Und dann ist es doch wirklich sehr erfreulich, dass man feststellt: Er macht es einem meistens nicht besonders schwer.
Lola ist in ihrem Dorf eine Außenseiterin. Ihre Mutter natürlich auch, aber da sie Schultern und Rücken des Polizisten regelmäßig durchwalkt — er ist recht verspannt und hat auch einigen Grund dazu — und außerdem immer noch jung ist und schön, spielt das keine so große Rolle. Nur Barkelt, dem der Hafen gehört, an dem das Hausboot der Zehnjährigen und ihrer Mutter liegt, kann Lolas Mutter nicht ausstehen; sein Sohn gehört zu den Kindern, die Lola in der Schule besonders gerne ärgern und sie schon einmal laut brüllend durchs ganze Dorf jagen.

Bei einer solchen Jagd lernt Lola dann ihren neuen Klassenkameraden Rebin besser kennen, dessen Eltern nicht viel Geld haben und der in der Schule nicht viel sagt. Nach und nach versteht Lola, dass Rebins Familie illegal in Deutschland ist — Kurden aus der Türkei, die nicht in ihre Heimat zurückkönnen, aber eigentlich auch nicht in Deutschland bleiben dürfen. Rebins Vater sieht es gar nicht gern, dass sein Sohn sich mit einem deutschen Mädchen anfreundet.

Es ist eine ganze Menge, was Lola (Tabea Hanstein) im Laufe des Films bewältigen muss: Sie will nicht von der Idee lassen, dass ihr Vater wiederkommen könnte (in ihren Träumen singt er ihr aus dem Bilderrahmen noch Lieder vor), und dass ihre Mutter (Christiane Paul) einen neuen Freund hat (Tobias Oertel), das geht ihr natürlich total gegen den Strich, so sehr der Tierarzt mit Vokuhila-Frisur sich auch um Lolas Zuneigung bemüht. Und dann wird Rebins Mutter auf einmal schwer krank…

Thomas Heinemann bringt in seinem Film (nach einem Buch von Annette Mierswa) viel Sympathie für fast alle seine Figuren auf. Die Dorfgemeinschaft, in der sich die Handlung zuträgt, ist natürlich idealtypisch und überzeichnet — man ist sich im Grunde wohlgesonnen, und den eigentlichen sozialen Kitt bilden nicht unbedingt die Lautesten und Sichtbarsten.

Aber es geht ja auch nicht primär um Realismus. Lola auf der Erbse versucht, von dem politisch sehr komplexen Thema „Illegalität“ auf eine Weise zu erzählen, die auch für Sechsjährige verdaulich und weitgehend verständlich ist — und zugleich als Komödie, nicht als Drama funktioniert. In seiner Konzentration auf einzelne Figuren gelingt das dem Film insgesamt sehr gut, sieht man von einigen wenigen Szenen ab, in denen der pädagogische Impetus zu künstlich von der Leinwand tropft.

Dazu gehören bezeichnenderweise vor allem jene Szenen, in denen der Film seine normale Erzählhaltung verlässt und stattdessen — wie man es aus Reality-Shows kennt — Lola direkt in die Kamera die Zuschauer anspricht. Das bricht nicht nur Risse in den Film, es missachtet auch die grundlegende erzählerische Regel des „Show, don’t tell“ — zeig es, erzähl es nicht -, die der Film ansonsten befolgt.

Ein wenig einfach macht es sich Heinemann mit der Gegenüberstellung von behäbiger Dorfgemeinschaft und quirligen Einwanderern — eine Hochzeit in Rebins Familie, aus der Not heraus in einer nüchternen Turnhalle begangen, gerät in Lolas Imagination auf einmal zu einer orientalischen Feier mit wilder Tanzmusik. Und im großen, vereinenden Finale brauchen die kurdischen Musiker nur zum Dorffest dazuzustoßen — und mit einem Schlag spielt die vorher schräg und schlecht dahintrötende Dorfkapelle nicht nur gerade, sondern auch gut.

Die Szenerie schwankt ganz heftig zwischen kindgerechter Idealisierung und einem Exotismus, der Fremdheit der Migranten noch betont. Und dass der Film eine mehrheitsdeutsche Perspektive auf die Geschichte hat, wird auch darin deutlich, dass Hansteins Lola eine sehr lebendige Figur ist, während der junge Arturo Pereia-Bigwood seinem Rebin leider kein rechtes Leben einzuhauchen vermag. Wenn er sich bei Lola beklagt: „Ich krieg immer nur Probleme wegen dir“, dann hört man keine Bedrohung daraus.

Allerdings, und das gehört wiederum zum Konzept von Lola auf der Erbse, gibt es natürlich keine wirkliche Bedrohung. Das hat, wie gesagt, mit der Realität wenig zu tun und mehr mit einer idealisierten Welt, wie wir sie uns wünschen würden, in der es keine „Illegalen“ gibt, sondern ein friedliches, wohlwollendes Miteinander, so wie es der Film zeigt. Ja, in einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat… Heinemann hat eben — der Filmtitel zeigt es ja an — einen modernen Märchenfilm gedreht.

Lola auf der Erbse

„Lola auf der Erbse“ ist so ein Film, den man sofort mögen, ach was, ins Herz schließen möchte. Und dann ist es doch wirklich sehr erfreulich, dass man feststellt: Er macht es einem meistens nicht besonders schwer.
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