Little Thirteen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Frühreifen

Normalerweise ist man mit 13 Jahren noch unschuldig. Oder romantisch. Oder beides. Sarah (Muriel Wimmer) ist nichts davon. Sondern das, was man euphemistisch frühreif nennt. Heute heißt das allerdings anders, seitdem die Gazetten und bunten Wochenmagazine in ihrer sensationslüsternen Suche nach möglichst verkaufsträchtigen Slogans den Begriff von der „Generation Porno“ geprägt haben. Das Mädchen ist Teil einer Clique, auf die der Begriff wohl ganz gut passt. Schon der erste Satz, den Sarah spricht, ist ein Faustschlag ins Gesicht des Zuschauers, der deutlich macht, wie viel dieses Mädchen schon erlebt haben muss: „Vögeln, ficken, bumsen, das mach ich so lange, bis einer sagt: Ich will nicht weg von dir.“
Ihre drei Jahre ältere Freundin Charly (Antonia Putiloff), die aus prekären Verhältnissen stammt und die als Antwort auf die Frage, was sie später einmal machen wolle, nur die Perspektive „harzen“ nennen kann („Geld abgreifen und chillen, ist doch cool“), ist ebenso drauf wie sie. Und die beiden Jungs, die sie im Chat kennengelernt haben und mit denen sie während der Sommerferien abhängen, verdienen sich ihr Geld für Drogen und Parties durch den Verkauf selbst hergestellter Wackelpornos, indem sie sich mit ihren wechselnden Eroberungen bei Sex auf der Kamera festhalten.

Das wirklich Entsetzliche an dieser Konstellation ist dabei, so vermittelt es Christian Klandts Spielfilm Little Thirteen wie wenig Hoffnung die Situation für die beiden Mädchen übrig lässt: Als Charly schwanger wird, ist das für sie vor allem ein willkommener Anlass, jeden Vermittlungsversuch des Jobcenters kühl lächelnd abzuschmettern. Stattdessen will sie sich unter ihren vielen Männerbekanntschaften denjenigen heraussuchen, der am ehesten für sie und das Kind sorgen kann. Und natürlich feiert sie weiter, ohne jede Rücksicht auf dem Embryo in ihrem Leib. Auch die vage Hoffnung, die Sarah hegt, dass es mit Lukas (Joseph Bundschuh) anders werden könnte, dass er einer der Typen sein könnte, der bleibt, ist zum Scheitern verurteilt. Das liegt auch an ihrer Mutter (Isabell Gerschke), die gerade mal 29 Jahre alt ist und die Lukas ohne Hemmungen angräbt, weil auch sie mal gerne einen Typen hätte, der anders ist, zärtlich und voller Gefühl. Dass ausgerechnet Lukas dieser Typ sein soll, nimmt man einem Kerl, der heimlich Mädchen beim Sex filmt und damit Geld verdient, nicht ab. Auch wenn es einige Situationen gibt, die das andeuten.

Little Thirteen ist eine Sozialstudie, die es in sich hat – und das nicht nur durch die Freizügigkeit dessen, was dort geschildert wird. Zugleich ist der Film ein ganz besonderer Abschlussfilm einer deutschen Filmhochschule, weil nicht nur Christian Klandt (dessen Vorgänger Weltstadt schon für einiges Aufsehen sorgte) damit sein Diplom ablegt, sondern gleich noch sieben weitere Absolventen. Trotz mancher Holprigkeiten bei der Dramaturgie und bei der Charakterzeichnung ist Little Thirteen eine beachtliche Talentprobe, die andeutet, welches enorme Potenzial in allen Beteiligten schlummert. Und das schließt den hinreißenden Cast ausdrücklich mit ein.

An manchen Stellen erinnert der Film beinahe schon ein wenig an Larry Clarks Skandalwerk Kids, dann wieder an den noch expliziteren Clip von Maja Milos, der auf dem Festival von Rotterdam und danach auf dem Filmfest München zu sehen war. Jenseits aller Sozialromantik und billigen Erklärungsversuche wirft Little Thirteen einen berührenden, temporeichen und provokativen Blick auf Jugendliche (hier von einer „Generation Porno“ zu sprechen, ist barer Unsinn, weil das Phänomen, wie man an Sarahs Mutter sieht, auch die Erwachsenen betrifft), die mit der permanenten Sexualisierung der Umwelt nicht mehr klarkommen, die vor dem täglichen Ansturm der Anzüglichkeiten und der Allgegenwart des Pornographischen kapituliert haben. Die Zuneigung mit Sex verwechselt und vom einen wie vom anderen nicht genug bekommen können. Weil es ihnen so erscheint, als sei es das Einzige (oder Einfachste), was sie erreichen können.

Ob man dieses Problem, das in Wirklichkeit ein gesamtgesellschaftliches ist, das sich nicht nur in den prekären Verhältnissen von Berlin-Hohenschönhausen zeigt, nochmal irgendwann in den Griff bekommen kann, das lässt der Film zumindest offen. Allzu viel Hoffnung bleibt am Ende ehrlich gesagt kaum mehr übrig.

Little Thirteen

Normalerweise ist man mit 13 Jahren noch unschuldig. Oder romantisch. Oder beides. Sarah (Muriel Wimmer) ist nichts davon. Sondern das, was man euphemistisch frühreif nennt. Heute heißt das allerdings anders, seitdem die Gazetten und bunten Wochenmagazine in ihrer sensationslüsternen Suche nach möglichst verkaufsträchtigen Slogans den Begriff von der „Generation Porno“ geprägt haben.
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Meinungen

Lena · 10.04.2013

Hey, mich würde dieser Film wirklich interessieren, aber ich finde ihn nirgendwo..:( kann mir jemand sagen wo ich den anschauen kann?
Lg Lena

Seb · 13.06.2012

Feiner Trailer, vor allem die Mucke im letzten Teil - passt einfach super gut. Hab mal ein bisschen recherchiert, die Band dahinter heißen Leash (leash-music.com/) und die haben zum Song ein Video auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=wG1K7jZ1WNQ - sehr schick!