Little Alien

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Vom unwegsamen Schicksal jugendlicher Flüchtlinge

Mit nicht viel mehr als dem, was sie auf dem Leib tragen, für eine ungewisse Zeit in einer unauslotbaren Fremde schutzlos unterwegs zu sein – das ist das Schicksal von Millionen jugendlichen Flüchtlingen, die aus einer Notlage heraus Land und Leute in der Hoffnung auf ein würdiges Über-Leben Anderswo verlassen haben. Was sie dort erwartet, wo sie schließlich ankommen, ist in der Regel die unwegsame, bürokratische Asyl-Maschinerie der westlichen Welten, in deren Macht es steht oder fällt, welchen rechtlichen und auch persönlichen Aufenthaltsstatus diese jungen Menschen künftig innehaben werden. Der Dokumentarfilm Little Alien von Nina Kusturica fokussiert Geschichten von so genannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die es nach Österreich verschlagen hat.
Asha Abdirahman und Nura Bishar sind zwei junge Frauen aus Somalia, die nach einer gefährlichen Flucht aus ihrer dauerhaft von grausamen Krisen zerrütteten Heimat ins österreichische Traiskirchen gelangten und nun den bürokratischen Kampf um die „weiße Karte“ antreten, die sie während des laufenden Asylverfahrens vorübergehend zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Die aus Afghanistan stammenden Jugendlichen Alem Ghamari und Jawid Najafi hingegen haben dieses Anfangsstadium der Flüchtlingsodyssee im Ankunftsland bereits durchlaufen und leben schon anderthalb Jahre in Wien, in der Hoffnung, auch dauerhaft bleiben zu können. Diesen vier jungen Menschen, deren fragmentarische Geschichte in Little Alien erzählt wird, ist der Eintritt in die als sicherer Zufluchtsraum geltende europäische Gesellschaft gelungen – vorerst. Etliche Andere hingegen scheitern an den streng bewachten Grenzen und finden keinen Einlass, und auch von diesen tragischen Schicksalen im rechtlichen Niemandsland berichtet diese außergewöhnlich engagierte Dokumentation einer jungen Filmemacherin, die das Martyrium der Entwurzelung und Flucht aus eigener Erfahrung kennt.

Einst aus den Kriegswirren Bosnien-Herzegowinas nach Österreich geflüchtet weiß Regisseurin Nina Kusturica nur allzu gut um die drastischen Unwegsamkeiten, mit denen die Protagonisten ihrer Dokumentation Little Alien zu kämpfen haben. Das Besondere an diesem mutigen Projekt zu dieser brisanten Thematik besteht darin, dass sich Nina Kusturica nicht auf das filmische Territorium beschränkt, sondern mit ihrer Dokumentation im Gepäck durch Österreich reist, um innerhalb zahlreicher Veranstaltungen vorrangig mit Jugendlichen über diese gesellschaftlich noch immer marginalisierte Materie zu diskutieren. Little Alien wurde bereits auf einigen internationalen Filmfestivals gezeigt und vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur mit dem Outstanding Artist Award für interkulturellen Dialog ausgezeichnet.

Little Alien stellt ein zeitgeschichtlich bedeutsames Dokument über das Heranwachsen von Jugendlichen unter den widrigen Bedingungen der postkolonialistischen Ära dar, die für Millionen von Menschen durch Flucht und Exil gekennzeichnet ist. Gleichzeitig aber gelingt es Nina Kusturica damit, ein Stück ungewöhnlicher Jugendkultur zu präsentieren, das von den Klängen und engagierten Texten der entsprechenden Musik begleitet wird, während auf Kommentare gänzlich verzichtet wird. Die Titelsongs „In Trains“ und „The Market“ des österreichischen Musikers B. Fleischmann flankieren atmosphärisch ansprechend diese berührende Dokumentation, die einerseits die temporäre Lebensfreude ihrer jugendlichen Protagonsiten transportiert und andererseits auch in die traumatisierenden Abgründe ihrer vagen Lebenssituation blickt, bis das Auge zittert.

Little Alien

Mit nicht viel mehr als dem, was sie auf dem Leib tragen, für eine ungewisse Zeit in einer unauslotbaren Fremde schutzlos unterwegs zu sein – das ist das Schicksal von Millionen jugendlichen Flüchtlingen, die aus einer Notlage heraus Land und Leute in der Hoffnung auf ein würdiges Über-Leben Anderswo verlassen haben.
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