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In „Limbo“ schickt Ivan Sen einen Mann auf Ermittlungsarbeit ins australische Hinterland, wo in erster Linie die große Melancholie herrscht.

Limbo (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Sand, Steine, Staub

Eine karge Wüstenlandschaft in Schwarz-Weiß. Nur ein paar Tier- und Naturgeräusche deuten hier auf Leben hin. Der Ermittler Travis Hurley (Simon Baker) erreicht mit seinem teuren, modernen Wagen das Limbo Hotel, das im Inneren eher einer wenig heimeligen und obendrein völlig verlassen wirkenden Felsengrotte gleicht und aus einem David-Lynch-Film stammen könnte. Travis spritzt sich harte Drogen; sein Körper ist mit Tätowierungen überdeckt. Viel später wird eine Figur zu ihm sagen, er sehe nicht wie ein Polizist, sondern wie ein Dealer aus.

Limbo von Ivan Sen, der nicht nur Drehbuch und Regie, sondern zudem Kamera, Montage, Musik, Casting und (Co-)Produktion übernommen hat, erzählt in Neo-Noir-Manier von einem introvertierten Mann, der einen Auftrag zu erfüllen hat. Wenn Travis seine Dienstwaffe unter der Matratze versteckt, ahnen wir, dass diese irgendwann noch mal zum Einsatz kommen wird. In vielen anderen Punkten unterläuft das Werk des indigenen australischen Filmemachers indes gekonnt unsere Genre-Erwartungen.

Die weitläufige Kleinstadt im australischen Outback mit den Opal-Bergen im Hintergrund wird von Sen mit feiner Beobachtungsgabe eingefangen. Vor einem Haus steht eine alte, abgewetzte Couch, auf der gänzlich ungerührt ein Hund sitzt. Die Leute, die Travis aufsucht, leben teilweise in abgelegenen Wohnhöhlen oder Wohnwagen. Sie reagieren angesichts eines weißen Cops zunächst ziemlich defensiv. Subtil weist Limbo darauf hin, welchem (Alltags-)Rassismus die Aboriginals auch heute noch ausgesetzt sind – und welche (oft notwendige) Abwehr sich dadurch entwickelt hat.

Die Crime-Story, die das Skript schildert, reicht weit in die Vergangenheit. Vor 20 Jahren wurde Charlotte Hayes, eine junge Aboriginal-Frau, entführt und getötet. Unter anderem geriet Charlie (Rob Collins), der Halbbruder des Opfers, ins Visier der Ermittlungen. Der spätere Hauptverdächtige wurde nicht belangt; inzwischen ist er tot. Durch Tonbandaufzeichnungen, die Travis nachts in seinem Hotelzimmer hört, erhalten wir einen Eindruck des Falls. Neben Charlie und Joseph (Nicholas Hope), dem vereinsamten Bruder des damaligen Hauptverdächtigen, nimmt Travis mit Emma (Natasha Wanganeen) Kontakt auf, die wiederum die Halbschwester der Ermordeten ist und sich sowohl um ihre eigene Tochter als auch um die beiden entfremdeten Kinder von Charlie kümmert.

Oft wohnt Krimis, die alte Fälle wieder aufrollen, eine abgründige und zuweilen zynische Grundhaltung inne, indem das Schlechte in der Welt betont wird. Auch Limbo zeigt uns die bedrohliche Seite des dargestellten Milieus, arbeitet letztlich aber vor allem die Melancholie heraus. Zwischen einigen Figuren, etwa zwischen Travis und Charlie und zwischen Travis und Emma, entsteht eine überraschende Nähe und Verbundenheit. Wenn Emma Travis zum Abendessen gemeinsam mit den drei Kindern einlädt, kommt gar ein leiser, trockener Humor auf.

Wenn Travis schließlich unter den zerstrittenen Mitgliedern der Hayes-Familie eine Zusammenführung anstößt, droht der Plot in die White-Savior-Falle zu tappen. Und so ganz vermag der Film dies bei aller Zurückhaltung nicht zu verhindern. Die Inszenierung stilisiert den Protagonisten allerdings nicht zum strahlenden Helden; sie lässt uns stets erkennen, dass Travis im Grunde machtlos ist. Simon Baker, der mit der romantisch angehauchten TV-Serie The Mentalist (2008-2015) bekannt wurde und sowohl im Horror- als auch im RomCom-Kino schon häufig zu sehen war, verkörpert die Hauptrolle zumeist mit gesenktem Kopf, ohne bemühte Coolness. „Manchmal findet man nie die Wahrheit“, heißt es an einer Stelle. Und manchmal hat die gefundene Wahrheit leider kaum etwas Befreiendes (mehr) an sich.

Limbo (2023)

Der Detektiv Travis Hurley reist in eine Kleinstadt ins australische Outback, um einen 20 Jahre alten ungelösten Mordfall zu lösen. Das Opfer war ein einheimisches Aborigine-Mädchen. Bei seinen Ermittlungen knüpft Travis Verbindungen zur zerbrochenen Familie des Opfers und deckt eine Reihe harter Wahrheiten auf. Dadurch wird die Komplexität vom Verlust und der Ungerechtigkeit hervorgehoben, die die indigenen Völker Australiens in der Vergangenheit erfahren haben.

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