Liebe mich!

Eine Filmkritik von Alina Impe

Gute Jungs und böse Väter

Es ist wohl die klassischste aller Großstadtgeschichten: Zwei Menschen verbringen eine exzessive Nacht miteinander und am nächsten Morgen kennt man sich nicht mehr. Ein Szenario mit wortwörtlicher 1-Akt-Struktur, auf das ein schnelles Ende folgt. Im günstigsten Fall sind beide Parteien mit dieser Lösung einverstanden und keiner legt Wert auf eine Wiederholung des gemeinsam Erlebten. Im ungünstigsten Fall gehen die Meinungen jedoch auseinander. Der eine spielt in Gedanken schon die baldige Begegnung mit den Schwiegereltern durch, der andere sucht lieber panisch nach seinen Socken, die irgendwo in der Matratzenritze feststecken. Wer auf zerwühlten Laken sitzen gelassen wird, kann den Umstand zumindest als lehrreiche Erfahrung abhaken. Und sich fürs nächste Mal entsprechend wappnen.
Sarah (Lilli Meinhardt) hat mit dieser Situation offenbar nicht gerechnet, als sie morgens neben ihrem langjährigen Kumpel Markus aufwacht. Der will lieber Abstand und bittet sie unmissverständlich, seine Wohnung zu verlassen. Die Wahrheit tut weh und verursacht einen lauten Knall, als Sarahs MacBook durch die Fensterscheibe kracht und auf der Straße in tausend Teile zerschellt. Sarah ist jung, ungestüm und rebellisch. Sie will alles und sie will es sofort. Vor allem aber will sie jemanden finden, der sie aufrichtig liebt. Da Markus nicht dieser bewusste Jemand ist, bleibt ihr zum Abschied nur der ausgestreckte Mittelfinger.

Gerade mal zehn Drehtage und sechs Drehbuchseiten hat es gebraucht, um das improvisierte Berliner Mumblecore-Märchen Liebe mich! unter der Regie von Philipp Eichholtz zu realisieren. Umso beachtlicher ist das Ergebnis, das schon jetzt eine Prognose in Richtung heimlicher Festival-Favorit rechtfertigt. Empathisch, selbstironisch und mit einem frischen Blick schildert der Film die Irrwege und Querschläge seiner adoleszenten Großstädterin, die so viel richtig machen will und trotzdem permanent Schelte für ihre Entscheidungen kassiert. An vorderster Front von ihrem Vater (Peter Trabner), der großzügig Kritik austeilt und geizig die Brieftasche stecken lässt, als Sarah ihn um Hilfe wegen des zerlegten MacBooks bittet. Die Aufforderung des Filmtitels findet in ihm einen weiteren, dringend benötigten Adressaten.

Es hilft nichts, Sarah muss ihre Wohnung für vier Monate untervermieten, um eine stattliche Summe von 2000 Euro zusammenzukratzen. In der Hoffnung, das verbliebene Bündel Metallschrott wieder zum Laufen zu bringen, wird sie bei einem Computerfachmann namens Oli (Christian Ehrich) vorstellig. Der kann ihr zwar leider auch nicht helfen, schafft aber Raum für eine weitere Botschaft des Films, die sich allmählich ebenso in Sarahs Bewusstsein festsetzt: Es gibt sie noch, die netten Jungs und Männer, die nicht am nächsten Morgen die Kurve kratzen und sich von Zuneigung berauscht gern auch mal für ein Mädchen zum Deppen machen. Und die sogar das grauenvollste Familienkaffeetrinken aller Zeiten überstehen, selbst wenn alles schon wieder aus den Fugen gerät.

Produziert nach dem „Sehr-gute-Filme“-Manifest von Axel Ranisch, hier ebenfalls in einer kleineren Nebenrolle zu sehen, beweist Liebe mich!, dass angesichts einer mitreißenden Geschichte und vielschichtiger Charaktere ein großes Produktionsbudget nicht nur verzichtbar, sondern komplett überflüssig sein kann. Selten gab es auf der Leinwand eine romantische und zugleich ganz und gar nicht kitschige Postkartenansicht von einer Stadt, die ihre schnelllebigen Gefühle doch eigentlich in erster Linie an sich selbst zurückbindet.

Liebe mich!

Es ist wohl die klassischste aller Großstadtgeschichten: Zwei Menschen verbringen eine exzessive Nacht miteinander und am nächsten Morgen kennt man sich nicht mehr. Ein Szenario mit wortwörtlicher 1-Akt-Struktur, auf das ein schnelles Ende folgt.
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