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Neun Literaturübersetzer*innen sollen in einem Bunker den dritten Band einer beliebten Romanreihe in ihre Muttersprache übertragen. Als die ersten zehn Seiten im Netz landen, sieht der Verleger rot. Starke Grundidee, durchwachsene Ausführung – „Das Rätsel“ lässt Intensität vermissen.

Das Rätsel (2019)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Literatur extrem

Mit seinen rasanten Schnitzeljagden rund um den fiktiven Harvard-Professor Robert Langdon katapultierte sich Dan Brown in die erste Liga der US-amerikanischen Thriller-Autoren. Jeder neue Roman der bislang fünf Bände umfassenden Reihe wurde gespannt erwartet und entwickelte sich nach Erscheinen zu einem internationalen Bestseller. Im Fall von Inferno, dem vierten Kapitel, trafen die Verlagsverantwortlichen vor der Veröffentlichung erstmals eine ungewöhnliche Entscheidung: Die wichtigsten Übersetzungen des englischen Originaltextes, die alle parallel in den Handel kommen sollten, fanden unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Mailand und London statt. Ihrer Arbeit gingen die ausgewählten Sprachspezialist*innen in zwei Gruppen an geheimen, abgeschotteten Orten nach. Handys? Verboten! Kontakt zur Außenwelt? Auf ein Minimum beschränkt! Zu groß war die Angst, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten. 

Eben diese geradezu thrillerhaft anmutenden Umstände dienten, so ist zu lesen, dem französischen Filmemacher Régis Roinsard (Warten auf Bojangles) als Inspirationsquelle für seinen Literaturkrimi Das Rätsel, der in seinem Heimatland bereits 2020 in die Kinos kam. Lambert Wilson spielt darin den erfolgshungrigen Verleger Eric Angstrom, dessen Haus die überaus erfolgreiche Daedalus-Reihe auf den Markt geworfen hat. Während die Fans der beiden bislang herausgebrachten Bücher dem dritten Teil entgegenfiebern, hat sich Angstrom für die wichtigsten internationalen Märkte etwas ganz Besonderes ausgedacht: Neun professionelle Übersetzer*innen finden sich auf einem Schloss ein, das über eine luxuriöse unterirdische Bunkeranlage verfügt, und sind angehalten, dort in völliger Isolation das Manuskript in ihre jeweilige Muttersprache zu übertragen. Ihre Smartphones müssen die Sprachkünstler*innen beim Einchecken abgeben. Der Arbeitsalltag ist klar strukturiert. Und stets haben bewaffnete russische Security-Männer – nicht das einzige comicartige Element – die Gruppe im Blick. Wehe, irgendjemand tanzt aus der Reihe!

Angstroms schöne Pläne werden jedoch durchkreuzt, als plötzlich die ersten zehn Seiten des Romans im Internet auftauchen und eine unbekannte Person damit droht, weitere Teile zu leaken, sollte eine hohe Geldforderung auf taube Ohren stoßen. Der Verleger, der den Täter oder die Täterin logischerweise unter den Anwesenden vermutet, ergreift schließlich immer drastischere Maßnahmen, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Neun Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Temperamenten sind berufsbedingt an einem Ort gefangen und misstrauen sich mehr und mehr – aus diesem Szenario hätte man einen intensiven Nervenkrieg stricken können, wie ihn etwa Vincenzo Natalis Science-Fiction-Thriller Cube entfesselt. Der am Drehbuch beteiligte Roinsard und seine Ko-Autoren Romain Compingt und Daniel Presley scheinen indes nicht ausreichend Vertrauen in ihre Grundidee zu haben. Sehr früh ziehen sie Rückblenden, Vorausblicke und Parallelhandlungen ein, anstatt sich auf die Eingesperrten zu konzentrieren, ihre Motive, ihr Verhalten genauer zu beleuchten. Die wachsende Anspannung im goldenen Käfig zeichnet Das Rätsel nicht sauber genug nach. Und die Figuren, von denen viele gleich in den ersten Minuten hastig charakterisiert werden, entwickeln sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum bis gar nicht. Irritierend ist vor allem die überstilisierte, manchmal ins Lächerliche kippende Darstellung der Russin Katerina Anisinova (Olga Kurylenko), die eine bizarre persönliche Verbindung zu den Daedalus-Romanen pflegt. 

Die Frage nach dem oder der Schuldigen und einem möglichen Masterplan hält das Interesse am Geschehen halbwegs wach. Hier und da werden wir erfolgreich auf falsche Fährten geführt. Die Inszenierung bemüht sich um dynamische Akzente. Das alles ist aber zu wenig, um aus Das Rätsel einen durchgängig packenden, sich konsequent zuspitzenden Thriller zu machen. Die hakenschlagende Geschichte strebt eine Wucht an, wie sie der raffiniert-manipulative Kriminalfilm Die üblichen Verdächtigen erzeugt. Einige Wendungen lassen sich dafür, etwas Aufmerksamkeit vorausgesetzt, allerdings zu leicht erahnen. Löblich sind die Versuche, Gedanken über Autorenschaft, Fantum und kommerzielle Auswüchse des Literaturbetriebs unterzubringen. Allein: Für großen Mehrwert in einem Katz-und-Maus-Spiel, das sich mit seinen Erzählsprüngen manchmal selbst im Weg steht, sorgen sie nicht.

Das Rätsel (2019)

Neun Übersetzer, die allesamt in der engeren Wahl sind, um einen ungeduldig erwarteten Besteller zu übersetzen, werden in einem luxuriös ausgestatteten Bunker einbestellt, wo sie das streng geheime Manuskript in Augenschein nehmen können. Doch dann werden die ersten zehn Seiten geleaked und gehen online — und der Verleger wird alles daran setzen, den oder die Diebin zu enttarnen. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel.

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