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Aus ungeklärten Gründen werden Menschen in Tiere verwandelt. Unter den „Kreaturen“, die sich im Wald verstecken, ist auch Émiles Mutter. Die Suche nach ihr ist für ihn auch ein Prozess der Selbstfindung. (Quelle: Fantasy Filmfest)

Animalia (2023, II)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Das menschliche Tier

Der Wald ist Sperrgebiet. Er ist das Reich der „Tiere“. Die einen sagen es mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme, die weit meisten meinen es allerdings verächtlich. Diese „Tiere“ sind nämlich eine unbekannte, neue Spezies. In Schüben werden die Menschen von einer Art Krankheit befallen, die sie in tierähnliche Wesen verwandelt. So wachsen dem einen Vogelflügel und ein Schnabel, während sein Körper noch der eines Mannes ist.

Der Mutter von Emile (Paul Kircher) hat Fell im Gesicht und eine katzenartige Schnauze. Sie spricht nicht mehr mit ihm und seinen Vater François (Romain Duris). Für die Kleinfamilie ist das eine große Herausforderung. Emile distanziert sich von der Mutter, behauptet an der neuen Schule, dass sie tot sei. François übt sich in einem aktionistischen Optimismus. Dazu soll auch der Umzug der Familie in den Süden des Landes helfen, wo die Mutter in ein spezialisiertes staatliches Zentrum untergebracht wird.

Ganz früh im Film kommt es zu einem Unfall mit einem Transporter, in dem sich Emiles Mutter wie auch mehrere andere Mutanten befinden. Einige Passagiere können geborgen werden, andere, auch Emiles Mutter, nutzen die Gelegenheit, und verstecken sich im Wald. Während der restlichen Spielzeit geht es um die Suche der Mutter. Ein Satz von François fasst den ganzen Film zusammen: „Ich bin nicht sicher, was mir mehr Angst macht, sie nicht zu finden oder sie zu finden.“ Seine Figur steht für Loyalität und Aufopferungsbereitschaft. Für seine Lieben ist er zu allem bereit – auch wenn dies bedeutet, seine Überzeugungen zu hinterfragen.

Die Geschichte wird sowohl aus der Perspektive des Vaters als auch aus der des Sohnes erzählt. Le règne animal ist einer dieser Filme über den Prozess des Erwachsenwerden, die sich fantastischer Symbole bedienen, um die physische und psychische Transformation eines Heranwachsenden zu beschreiben. Anders als Vorgänger wie jüngst der Horrorthriller aus Finnland Hatching von Hanna Bergholm fehlt es dem Familiendrama des Franzosen Thomas Cailley einerseits an einer durchgehenden Spannung, andererseits an der wirklichen Originalität des Stoffes.

Ersteres zeigt sich vor allem darin, dass der ganze mittlere Teil deutliche Längen hat. In Erinnerung bleibt die Szene, in der Emile und François mit dem Wagen durch den Wald fahren und aus dem Lautsprecher die Lieblingsschnulze von Emiles Mutter dröhnen lassen. Das ist eine sehr poetische-melancholisch wirkende Aufnahme, die in Rhythmus und Ausleuchtung dermaßen souverän gedreht wurde, dass sie zu berühren vermag. Was die Handlung des Films betrifft, glaubt man, schon einiges Ähnliches gesehen zu haben.

Auch auf formaler Ebene, in der erzeugten Atmosphäre und der Bildsprache, die von der Verwendung satter Farben und einer Palette verschiedener Grüntöne geprägt ist, finden sich leicht Assoziationen mit bereits existierenden Werken. Auffällig ist die Parallele besonders zu Border (Gräns) von Ali Abbasi. Im Vergleich dazu ist Le règne animal allerdings weit weniger mutig, viel didaktischer und versöhnlicher. Und das ist das größte Problem des Films, dass er schlichtweg zu harmlos ist.

Gedacht ist er als Aufruf zur Toleranz und Eloge auf friedliche Koexistenz zwischen Andersartigen. Doch ist diese Botschaft derart platt, dass sie aufdringlich wirkt. Es ist schade, dass man sich nicht getraut hat, tiefer in diese fantastische Welt einzutauchen ohne nach einer moralischen oder politischen Legitimierung zu suchen

Animalia (2023, II)

Der Abenteuerfilm mit Science-Fiction-Elementen spielt in der Zukunft und erzählt von Mutantenwesen, denen die Flucht in die Freiheit gelingt.

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