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Die Verfilmung von Sebastian Lybecks Kinderbuchklassiker strafft und sucht den Ausgleich – mit streitbarer Heldin.

Latte Igel und der magische Wasserstein (2019)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Bockige Igeldame sucht Abenteuer

Es ist trocken im Wald, die Bäume rauschen nicht, das trockene Laub an den Zweigen knistert fast, die Farben gehen schon ins Herbstliche, dabei scheint doch die Sonne so heiß. „Geht in den Schatten,“ rufen die Tiereltern ihren Jungen zu, man müsse das Wasser bewahren, das man noch im Körper trage.

Seit Wochen geht es schon so, und die Situation, mit der Latte Igel und der magische Wasserstein einsetzt, wirkt nach den Hitzerekorden in den Sommermonaten der Jahre 2018 und 2019 wirklich nicht weit hergeholt – auch wenn die Geschichte, auf der der Film beruht, inzwischen über 60 Jahre alt ist. Sebastian Lybeck hat das Buch in den späten 1950ern geschrieben, zuerst aus Geldnot, es wurde dann zum Klassiker, zu einer ganzen Kinderbuchreihe, über deren Schöpfer und sein Leben vor einigen Jahren Tilman Spreckelsen in der FAZ ein anrührendes kleines Portrait geschrieben hat.

Der Film nimmt sich einige Freiheiten, was die Handlung des Buches angeht – die Stationen der Reise, die Igel Latte mit Eichhörnchen Tjun unternimmt, sind stark gerafft, die Auseinandersetzungen mit Wölfen und Luchsen deutlich gekürzt zugunsten einer weniger episodischen Struktur – Lybecks Erzählung erschien ursprünglich als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung.

Latte also (sehr gekonnt gesprochen von Luisa Wietzorek) ist ein Igelmädchen, ganz ohne Familie, Freundschaften hat sie auch nicht wirklich, wohl weil es zum Wesen der Igel gehöre, allein sein zu wollen. Mit Tjun (Tim Schwarzmaier) streitet sie sich über ein wenig selbst gesammeltes Wasser, und dummerweise zerstören die Streithähne dabei den Kürbis, in dem die Tiere der Lichtung ihr letztes Wasser gesammelt hatten. Als nun der Rabe Korp (Gerald Schaale) von dem magischen Wasserstein spricht, den der Bärenkönig Bantur (Henning Baum) entwendet habe, tun die Erwachsenen das als dummes Gerede ab.

Aber Latte sieht in dem Stein, der, wenn er in einem Fels verankert wurde, unendlich Wasser spenden soll, die letzte Hoffnung für den Wald und zieht störrisch und etwas beleidigt los, im Bärenwald den Anspruch auf den Wasserstein durchzusetzen. Tjun fühlt sich für ihr Weggehen verantwortlich und läuft ihr nach, um sie zurückzuholen – und schon stecken die beiden im schönsten Abenteuer (und bald dann auch gemeinsam in einem Gefängnis in der Burg des Bärenkönigs).

Regina Welker und Nina Wels machen es sich in ihrem Animationsfilm (Drehbuch: Martin Behnke und Andrea Deppert) nicht so einfach: Latte ist eine durchaus eher schroffe Person, auch im Gespräch so stachelig wie ihr Rücken, aber die Sache mit Gut und Böse ist hier durchweg nicht so ausgemacht, wie es auf den ersten Blick klingen mag. Die Kröte etwa, der die beiden Jungtiere bald begegnen, wirkt so freundlich wie zwiespältig; aber ob sie den beiden Böses will oder nicht, das bleibt doch eine Weile lang offen.

Mit Rücksicht auf das (sehr) junge Zielpublikum gibt es kaum Angstmomente, Latte Igel und der magische Wasserstein hält sich aber im Verhältnis zu anderen Trickfilmen der letzten Jahren auch sehr deutlich mit überlauten, schnellen Actionsequenzen zurück; stattdessen gibt es so bizarre wie bezaubernde Momente wie ein ausführliches, sensationelles bäriges Wasserballett zu sehen.

Überhaupt sind es die kleinen Momente und Details, die den Film aus dem schnöden Durchschnitt herausheben: Der Biber, der sich dauernd Holzsplitter aus den Zahnzwischenräumen klaubt, oder die fortwährenden Streitgespräche zwischen Tjun und Latte (welche nur dazu führen werden, dass sich Kinder erst recht mit den beiden identifizieren). Sie tragen entspannt durch die gut 80 Minuten, so dass es nicht so sehr ins Gewicht fällt, dass die gestraffte Handlung an vielen Punkten nicht mehr so richtig gut zusammenpasst und alles ein wenig bemüht wirkt.

Die Animation ist, sowohl was die Hintergründe und Szenerien als auch die Figuren angeht, insgesamt deutlich über dem Durchschnitt für europäische Produktionen. Leider schwächelt sie vor allem bei der (technisch allerdings auch sehr herausfordernden) Animation von Wasser ein wenig, was bei diesem Film ein wenig ärgerlich ist: Im letzten Drittel spielt Wasser, man ahnt es schon, eine ziemlich große Rolle.

Aus der fast schon versehentlich politischen Relevanz in Zeiten der drohenden Klimakatastrophe schlägt der Film dabei leider nur begrenzt Funken. Es muss reichen, dass das doch sehr konfrontative Ende des Buches hier durch eine Lösung ersetzt wird, die schon früh ankündigt, eine Lösung für alle sein zu wollen. Das Wasser soll so fließen, dass alle etwas davon haben, nicht nur die Raubtiere, die es so gern für sich beanspruchen wollten.

Das ist schön, auf jeden Fall nicht verkehrt, kommt aber auch ohne große Lernprozesse aus. Auf jeden Fall wäre am Schluss wieder genug Raum für ein Wasserballett. Wie überhaupt die letzten Minuten große Versöhnung und Gemeinschaftlichkeit herrscht; da wünscht man sich eigentlich spontan wieder etwas mehr Latte‘sche Widerborstigkeit herbei.

Latte Igel und der magische Wasserstein (2019)

Der Wald und dessen Bewohner leiden unter einer schrecklichen Dürre. Der letzte See ist ausgetrocknet. Die Situation ist hoffnungslos. Einzig das Igelmädchen Latte verliert den Mut nicht und versucht, die Dürrezeit zu beenden. Dafür macht sie sich auf den gefährlichen Weg zum Bärenkönig Bantur. Aus seinen Klauen will sie den magischen Wasserstein retten. Dass sie ausgerechnet von dem Eichhörnchen Tjum begleitet wird, ist nicht die einzige Überraschung auf Lattes Reise. Widerwillig müssen die zwei Streithähne erkennen, dass sie das größte Abenteuer ihres Lebens nur bestehen können, wenn sie zusammenhalten. Animationsfilm nach den beliebten Kinderbüchern um das tapfere Igelmädchen Latte!

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