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Kann die Liebe koscher sein? In Tel Aviv will die junge Israelin Shira ihre deutsche Freundin Maria heiraten, doch schon mit der Familienzusammenführung bricht Chaos zwischen den Kulturen aus. Shirel Peleg liefert mit ihrer charmanten Komödie „Kiss Me Kosher“ die ganz großen Gefühle.

Kiss Me Kosher (2020)

Eine Filmkritik von Elisabeth Hergt

SHALOM SHABBAT

Bereits bei der Begrüßung in Tel Aviv läuft so einiges schief – und es soll noch komplizierter werden für ein lesbisches Paar, das eigentlich nur zusammen in die Zukunft blicken will, dabei aber mit familiärem Widerstand und der eigenen Geschichte konfrontiert wird. Autorin und Regisseurin Shirel Peleg verhandelt in ihrem Spielfilmdebüt „Kiss Me Kosher“ auf offene, unterhaltsame Weise die deutsch-israelischen Beziehungen und macht dabei mit viel Witz auch Platz für kulturelle Annäherungen und Neuanfänge.

Brautalarm wider Willen: Maria Müller (Luise Wolfram), eine angehende Wissenschaftlerin aus Stuttgart, ist nach Israel gereist, um ihre Freundin Shira (Moran Rosenblatt) in ihrer neuen Wohnung zu besuchen. Seit drei Monaten sind die beiden ein Paar und bis jetzt lief im Grunde alles ganz entspannt. Schon bei der Ankunft kommt es allerdings durch ein Missverständnis zwischen den beiden zum Spontanantrag. Da dem Glück bisher nichts im Wege stand, sind sie optimistisch im Hinblick auf das anstehende Familienessen, ohne die Konflikte erahnen zu können, die durch ihre Verlobung ausgelöst werden.

Shiras Familie – das sind Vater Ron Shalev (John Carroll Lynch), Mutter Ora (Irit Kaplan) und die Geschwister Liam (Eyal Shikratzi) und Ella (Aviv Pinkas) – hat Maria schnell ins Herz geschlossen; äußert jedoch immer wieder auch Bedenken zu ihrer Herkunft und einer potenziellen Nazivergangenheit. Vor allem Bruder Liam ist ein Freund offener Worte, verehrt seine „israelisch-deutschen Lesben“ und dreht sogar einen Kurzfilm über sie für die Schule. Erbarmungslos hält er dabei drauf und stellt ohne Rücksicht auf vermeintliche Tabus – sehr direkte Fragen. Über allen und allem thront aber Großmutter Berta (Rivka Michaeli), die sich strikt gegen eine Heirat ausspricht, dabei aber selbst ihre eigene ‚unkonventionelle‘ Beziehung mit dem Palästinenser Ibrahim (Salim Daw) geheim hält.

Oma ist The Real Jewish Princess, könnte nicht cooler auftreten und bewundert ihre unabhängige Enkelin, die eine Bar schmeißt und dafür bekannt ist, schon zahlreiche Frauen gedatet zu haben. Ein Aspekt wiederum, der Berta an der großen Liebe seitens Shira zweifeln lässt und auch Maria zunehmend verunsichert. Eine Deutsche, „Hitlers Brut“, kann sie darüber hinaus sowieso nicht akzeptieren. Es kommt zum ultimativen Bruch zwischen den Generationen. Als dann auch noch Marias Eltern, Hans (Bernhard Schütz) und Petra (Juliane Köhler), vor der Tür stehen, nimmt das Chaos vollends seinen Lauf.

Kiss Me Kosher präsentiert mitreißenden und charmanten Kitsch, der aufgeht. Neben dem schönen Zusammenspiel des internationalen Ensembles trägt zudem viel Musik zur Unterhaltung bei. Eine eigene Band begleitet das Geschehen. Und auch Musikgruppen wie Balkan Beat Box, A-WA und das traditionelle „Hava Nagila“ sorgen zusätzlich für Stimmung. Während in anderen bewegenden Filmen, wie zuletzt Porträt einer jungen Frau in Flammen oder auch Sebastián Lelios Ungehorsam die Charaktere oft den Konventionen ihrer Zeit zum Opfer fallen und auch bei vergleichbaren Storys der Spaß oft eine untergeordnete Rolle spielt, so wird man in diesem Fall als Zuschauer zur Abwechslung mal mit hoffnungsvollen Gefühlen aus einer Handlung über die gleichgeschlechtliche Liebe entlassen.

Die Sexualität der Frauen ist hierbei kein Thema die gesellschaftspolitischen und religiösen Grenzen, die sie in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken, dagegen schon. Es muss also diskutiert werden und dabei kracht es öfter am Tisch bei gutem Essen. Dazu kommen verwirrende Gefühle, Ex-Freundinnen, ein Unfall und der über allem schwebende Schatten des Holocaust, der es vor allem Berta schwer macht, sich zu öffnen und etwas Neues heranwachsen zu sehen. Maria und ihre Familie müssen sich hingegen der Kollektivschuld annehmen und gleichzeitig einen eigenen Zugang zur Trauer entwickeln. Diese Prozesse werden im Film emotional und ernst verhandelt, aber auch, der Komödie entsprechend, durch leichtere Momente mit gut gesetzten Pointen und einer wirkungsvollen Unbefangenheit aufgelockert.

Am Ende wird getanzt, geküsst, geflucht und alles fügt sich anders als vielleicht anfangs vermutet. Oder wird die Veranstaltung letztendlich doch noch gesprengt? Egal. Es muss auch mal gefeiert werden. Die Liebe bleibt chaotisch. 

Kiss Me Kosher (2020)

Die quirlige jüdische Großmutter Berta und ihre nicht weniger leidenschaftliche Enkelin Shira streiten inniglich über die Liebe und darüber, was Frau darf und was nicht. Vor allem als sich ihre geliebte Enkeltochter ausgerechnet für Maria, eine Deutsche, entscheidet. Die beiden jungen Frauen machen richtig ernst – sie wollen heiraten. Das Chaos ist perfekt als die Eltern von Maria aus Deutschland auf die Mischpoke in Jerusalem treffen. So unterschiedlich beide Familien sind, so einig sind sich alle in einem Punkt: Die Hochzeit muss geplant werden! Nur eine versucht mit allen Mitteln diesen Bund des Lebens zu verhindern – Berta. Für sie ist eine Ehe zwischen einer Israelin und einer Deutschen ein Ding der Unmöglichkeit. Obwohl auch sie mit dem Palästinenser Ibrahim ein recht unkonventionelles Liebesglück gefunden hat, das sie im Gegensatz zur lebensfrohen Enkeltochter vor der Familie verheimlicht. Aber wie lange kann das noch so gutgehen?

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