Kirschblüten und rote Bohnen (2015)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Des Lebens Süße, des Lebens Schmerz

Es ist eine einfache Geschichte, die Naomi Kawase in ihrem neuen Film erzählt – die dreier Außenseiter, die sich zufällig begegnen. Der Ort der Begegnung ist die kleine Bäckerei, in der Sentaro (Masatoshi Nagase) seine mit süßer roter Bohnenpaste („An“ genannt – so auch der japanische Originaltitel des Films) gefüllten „Dorayakis“ anbietet: eine Art dicker Pfannkuchen, der auseinander geschnitten und dann mit der Paste bestrichen wird.

Die Süßigkeit erfreut sich vor allem bei den Schülern aus der Nähe einiger Beliebtheit, obwohl Sentaro eigentlich überhaupt nicht mag, was er da tut. „Ich stehe nicht so auf Süßes“, bekennt er mehrmals und es verwundert schon ein wenig, dass er sich ausgerechnet diesen Beruf ausgesucht hat. Dann steht eines Tages – es ist zur Zeit der Kirschblüte – Tokue (Kirin Kiki) vor seiner Tür, eine ältere Dame, die sich auf seinen Zettel meldet, dass er eine Aushilfe sucht.

Zuerst ist Sentaro wenig begeistert von dem Angebot, doch das ändert sich sofort, als er die Bohnenpaste versucht, die Tokue, die von da an regelmäßig vorbeischaut, zum Versuchen gibt. Denn diese ist so köstlich, dass der Bäcker sofort alle Bedenken und Vorbehalte über den Haufen wirft und die kleine alte Frau mit den verkrüppelten Händen einlädt, die von nun an jeden Morgen in einem langwierigen Prozess die Paste herstellt.

Auch Wakana, eine 14-jährige Schülerin (Kyara Uchida), die sich häufig in der Bäckerei aufhält, freundet sich mit Tokue an. Dann stellt sich eines Tages der Grund für die Missbildungen an Tokues Händen heraus: Sie ist seit vielen Jahren an Lepra erkrankt (übrigens von allen Infektionskrankheiten eine der am wenigsten ansteckende) und verbrachte fast ihr gesamtes Leben in strenger Quarantäne, die erst 1997 in einem offiziellen Akt wieder aufgehoben wurde. Und auch Sentaro, so wird sich im Laufe des Films zeigen, trägt Verwundungen und Narben mit sich herum, die freilich nicht so sichtbar sind wie die Tokues.

Spielte Wasser als Metapher in Naomi Kawases letztem Film Still the Water noch eine große Rolle, sind es nun in Kirschblüten und rote Bohnen vor allem Bäume. Als Tokue zum ersten Mal im Bild erscheint, stehen die Bäume gerade in voller Blüte, was dieser Frau mit dem schweren Schicksal von Anfang an eine besondere Aura gibt, denn schließlich nimmt die Kirschblüte in der japanischen Kultur eine ganz besondere Rolle ein: Sie steht für Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit und genau das sind auch die Themen in Kawases Film.

Der Fokus der Narration liegt vor allem auf Tokue und deren Verhältnis zu Sentaro, während die dritte Hauptperson Wakana über den gesamten Verlauf des Films ein wenig blass und unkonturiert erscheint. Viel Aufmerksamkeit widmet Naomi Kawase der Zubereitung der Bohnenpaste – eine Sequenz, die überaus sinnlich und verlockend gestaltet ist und beinahe wie ein zenbuddhistisches Ritual erscheint. Die Art und Weise der Zubereitung verdeutlicht, dass es Tokue nicht allein um die Herstellung einer Speise geht, sondern dass sich dahinter eine ganze Philosophie verbirgt, die sich durchaus auf die Menschen und deren Umgang miteinander übertragen lässt: Es geht um Respekt und darum, auf die Bedürfnisse achten – sei es nun auf die Erfordernisse der Adzukibohnen, aus denen An hergestellt wird oder auf die von Menschen wie Sentaro, Wakana und Tokue, die aus ganz unterschiedlichen Gründen Außenseiter innerhalb der japanischen Gesellschaft sind.

Man muss lieben, was man tut und es benötigt Sorgfalt, wenn eine Rezeptur gelingen soll — es sind im Grunde einfache Weisheiten, die aus Tokues Mund kommen – und doch verfehlen sie nicht ihre Wirkung auf Sentaro und Wakana. Ohne Zweifel wird sie Spuren hinterlassen in deren Leben – und eine Rezeptur für die süße Bohnenpaste, an die sich jeder erinnern wird, der sie einmal gekostet hat.
 

Kirschblüten und rote Bohnen (2015)

Es ist eine einfache Geschichte, die Naomi Kawase in ihrem neuen Film erzählt – die dreier Außenseiter, die sich zufällig begegnen. Der Ort der Begegnung ist die kleine Bäckerei, in der Sentaro (Masatoshi Nagase) seine mit süßer roter Bohnenpaste („An“ genannt – so auch der japanische Originaltitel des Films) gefüllten „Dorayakis“ anbietet: eine Art dicker Pfannkuchen, der auseinander geschnitten und dann mit der Paste bestrichen wird.

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Meinungen

Jörg · 03.04.2016

Ein sehr poetischer, tiefer und berührender Film der in einer ganz unaufdringlichen und feinen Art erzählt. Für mich ist die Botschaft des Filmes: alles ist beseelt, auch die kleinen Azukibohnen.

B. und H. Pee · 09.03.2016

wir fanden den Film wunderbar........absolut sehenswert!

Noelin · 12.01.2016

feiner Film, lässt einen länger leben.