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Jason Eisener (“Hobo With A Shotgun”) lässt in seinem Retro-Grusel “Kids vs. Aliens” eine Gruppe Heranwachsender und außerirdische Invasoren aufeinander los. Aber wo bleibt der Exzess? 

Kids vs. Aliens (2022)

Eine Filmkritik von Janick Nolting

Fade Begegnung der dritten Art

In der Filmographie von Jason Eisener findet man einen wunderbaren Schockeffekt. Sein Kurzfilm „One Last Dive“ aus der Anthologie „The 3:07 AM Project“ führte per Tauchgang auf den Grund eines Sees und zog in nur einer Minute alle Register des Schreckens. Wenn es in Eiseners neuem Langfilm „Kids vs. Aliens“ nun erneut unter Wasser geht, rechnet man bereits mit dem Schlimmsten, doch dieses Mal legt der Kanadier den Schongang ein. „Kids vs. Aliens“ ist weniger furchteinflößendes Horrorkino als vielmehr ein Coming-of-Age-Abenteuer mit Mystery-Einschlag. Es sucht zunächst nach der Verzauberung seines kleinen Universums.

Im Wasser gibt es da plötzlich Eigenartiges zu erkunden, das die Heldinnen und Helden auf die Probe stellt. Etwas hat sich dort eingenistet in unserer Welt und wirbelt den Alltag gehörig durcheinander. Außerirdische sind vom Himmel gekommen. Zuerst mussten drei Fischer dran glauben. Während die Behörden rätseln, erlebt eine Gruppe Kinder und Jugendlicher schon bald eine besonders turbulente Nacht. 

Da sind auf der einen Seite ein paar Jungs, die ihre Freizeit damit verbringen, kleine Action- und Horrorfilme zu drehen. Und auf der anderen Seite üben sich die älteren Teenager in ihrem Eigensinn: Eine Halloween-Party soll in Abwesenheit der Eltern gefeiert werden. Erste sexuelle Erfahrungen werden thematisiert. Doch die Generationen sind einander fremd, ihre Lebenswirklichkeiten fallen auseinander. Geschwister und Freunde geraten aneinander, und dann stehen auch noch die Aliens vor dem Haus. 

Jason Eisener zitiert innerhalb dieser Prämisse offensichtlich nicht nur seinen eingangs erwähnten Taucherfilm, sondern knüpft auch an seine Episode Slumber Party Alien Abduction aus dem Found-Footage-Horror S-V/H/S an. Ganze Szenen und Bilder werden hier noch einmal wiederholt, unterfüttert und auf abendfüllende Länge gestreckt. Wenn man diese Episode bereits kennt, vermisst man jedoch vor allem deren formale Radikalität. 

Slumber Party Alien Abduction überzeugte nicht etwa mit einem ausgefeilten Plot oder sonderlich originellen Einfällen, sondern der ästhetischen Drastik, mit der die verpixelten und verwackelten Bilder die grauenerregende Fremdheitserfahrung einer außerirdischen Heimsuchung einfingen. Das glich mehr einem kryptischen Fragment, konnte teils kaum in seinen Bildinhalten identifiziert werden, wenn sich Figuren plötzlich in seltsamen Organismen wiederfinden oder ein Hund den Blick auf die filmische Welt eröffnet. 

Kids vs. Aliens verwandelt dieses Szenario derweil in allzu konventionelles, abgegriffenes Retro-Kino auf den Spuren von Stranger Things und Co.: Kinder fliehen da auf Fahrrädern durch den vernebelten Wald, nehmen es mit Monstern auf, im Hintergrund ertönen nostalgische Synthesizer-Klänge. Aliens stapfen im klassischen Kostüm umher. Fahle Haut, großer Schädel, pechschwarze Augen. Dazu fließen bunter Schleim und Glibber. Kids vs. Aliens ist ein kindisches Werk von Erwachsenen für Erwachsene, die sich wieder nach dem naiven Abenteuer sehnen. 

Dass Jason Eisener damit ein recht durchwachsener Genrefilm gelungen ist, liegt daran, dass er den Exzess kaum auslotet, den seine Kinderspielerei eigentlich verspricht. Sie will zwar das Düstere und Enthemmte durchblicken lassen, spart aber weitgehend mit allzu fiesen Wendungen. Gerade nach Eiseners Splatterfilm Hobo with a Shotgun mutet Kids vs. Aliens regelrecht zahm und betulich an. Er hat Mühe, sein dünn gestricktes Kurzfilmszenario überhaupt auf reichlich 70 Minuten Laufzeit zu strecken. Echte Tabubrüche oder frische Ideen sucht man dabei vergebens. 

Erst die Schlusspointe legt das eigentliche Potential dieses Alien-Grusels offen. Nämlich dann, wenn Eisener die verschiedenen Sphären der Gewalt übereinanderlegt. Der Einbruch der Außerirdischen verwandelt die Schwelle zum Erwachsenwerden in einen Kampfschauplatz, der sich irgendwann selbst konserviert. Verantwortung und Verbote werden in diesem Film übertragen, Strafen werden angedroht. Heranwachsen heißt auch Anpassung und Eingliederung. Insofern sucht Eisener womöglich nach den letzten Erfahrungen einer gewissen Anarchie und Kreativität. 

Gewalt setzt sich dabei zunächst im Familien- und Freundeskreis durch, auch ohne Aliens. Später schalten sich weitere Kräfte als unsichtbare Ordnungshüter ein. Dass auch sie letztlich einer systemischen Übermacht unterliegen, fasst Kids vs. Aliens in ein schauriges Bedrohungsbild, ohne sein Rätsel aufzulösen. In ihm ist noch der irritierende, subversive Geist spürbar, mit dem schon Hobo with a Shotgun unter all der Trash- und Exploitation-Oberfläche eine knallharte Gesellschaftsdiagnose anstellte. Nur muss dieses Mal leider fast ein ganzer Film vergehen, bis Jason Eisener seinem austauschbaren Unterhaltungsprogramm konsequent die Unschuld raubt.

Kids vs. Aliens (2022)

Gary, Miles und Jacks passioniertes Hobby ist es, Videos zu drehen. Ihre ganze Freizeit opfern sie der kreativen Ausstattung und dem minutiösen Nachbau der Sets ihrer absoluten Lieblingsblockbuster. Natürlich macht sie das zu den Nerds an der Schule und die älteren Bullys hacken gern auf ihnen rum. Egal. Heute soll endlich das Finale gefilmt werden, der ganz große Showdown ihres Action-Home-Movies, mit Garys Schwester Samantha in der Hauptrolle. Und Action ist ihnen gewiss: Nicht nur eine völlig aus dem Ruder gelaufene Party macht Stress, zeitgleich greifen auch noch Aliens nach der Weltherrschaft. Aber die Kids wissen sich zu wehren, wozu sonst haben sie all diese Kampffilmrequisiten? In diesem Sinn: Let the camera roll! (Quelle: Fantasy Filmfest)

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