Kater (2016)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ich fürchte mich (vor mir, vor dir, vor unserer Liebe)

Mit Kater liefert der Österreicher Klaus Händl (dessen Künstlername Händl Klaus lautet) seinen zweiten Kinofilm nach seinem Regie- und Drehbuchdebüt März aus dem Jahre 2008. Letzteres handelt von einem Dreifachsuizid in einem Dorf in Tirol sowie den Auswirkungen dieser Tat auf die Bewohnerschaft. Das Nachfolgewerk beginnt entschieden weniger düster; vielmehr fängt es zunächst einen Zustand ein, der beinahe in elysische Gefilde vordringt – bis auch hier etwas geschieht, was alles in Frage stellt und das große Glück zu rauben droht.
Andreas (Philipp Hochmair) und Stefan (Lukas Turtur) leben mit ihrem Kater Moses in einem Vorort von Wien. Sie bewohnen ein großes, geschmackvoll eingerichtetes Haus mit Garten und freundlicher Nachbarschaft. Stefan ist Hornist im städtischen Orchester und gibt Musikunterricht; Andreas ist Disponent des Orchesters. Wenn das Paar in seiner Freizeit nicht gerade im Bett oder auf der Couch liegt, wandelt es durch die Natur, bereitet Essen zu oder befindet sich in geselliger Runde mit Kolleg_innen und Freund_innen, um sich anschließend wieder mit Lust und Intensität der Zweisamkeit hinzugeben. Doch wie die Essayistin Jacqueline Nacache einmal bemerkte: „Les gens heureux n’ont plus histoire“ – glückliche Menschen haben eigentlich nichts mehr zu erzählen. Deshalb muss etwas Erschütterndes passieren. Und das tut es auch: Ein plötzlicher, unerwarteter Gewaltausbruch von Stefan, dem der gemeinsame Kater zum Opfer fällt, führt dazu, dass das Paradies, das die beiden Männer sich erschaffen haben, zerstört wird – und die Angst (vor sich selbst beziehungsweise dem Partner) Einzug hält.

In mancher Hinsicht erinnert Kater an die Arbeiten von Händl Klaus‘ Landsmann Michael Haneke, für den der Autorenfilmer schon als Schauspieler vor der Kamera stand. Die emotionale Ehrlichkeit aus Liebe ist ebenso spürbar wie das Unbehagen aus Caché. Zudem vermeidet es Händl Klaus auch, das Geschehene psychologisch auszudeuten. Wir erfahren, dass Stefan nach dem Vorfall in psychotherapeutischer Behandlung ist, um etwa über seine Kindheit und sein Selbstbild zu sprechen – aber wir bleiben einzig und allein bei dem Paar und dessen Versuch, einen Heilungsprozess einzuleiten. Im ersten Drittel des Werks gelingt es Händl Klaus gemeinsam mit seinem Kameramann Gerald Kerkletz und seinen großartig-hingebungsvollen Hauptdarstellern, eine ganz erstaunliche Intimität und damit gewissermaßen ein ‚irdisches Paradies‘ zu erzeugen. Die Fallhöhe des Paares ist nach diesem Einstieg enorm – und der erfolgende Fall daher auch für uns als Zuschauer_innen ein radikales Erlebnis.

„Ich verzeih‘ dir“, sagt Andreas an einer Stelle zu Stefan – doch dies ist nicht die Schlusszeile des Films, die in ein ever after führt, welches zwangsläufig (wieder) happily vonstattengehen wird. In vielen Liebesgeschichten kommt es im finalen Akt zu einem großen Liebesbeweis – indem Person A zum Beispiel eine Karrierechance ausschlägt, um bei Person B bleiben zu können, oder indem Person B ihren Ruf, ihren Besitz oder gar ihr Leben riskiert, um Person A zu helfen. Diese Beweise ebnen den Weg ins ewige (Kino-)Glück. Aber einen solchen Beweis kann Stefan nicht erbringen. Und so folgt einige Szenen nach dem „Ich verzeih‘ dir“ ein „Ich fürchte mich“ aus Andreas‘ Mund. Händl Klaus beschert seinen Protagonisten keine Gewissheit – womit er zeigt, dass er die beiden als Menschen sehr ernst nimmt. Denn Ungewissheit und Furcht gehören zum Mensch- und Zusammensein dazu. Andreas und Stefan werden weiterhin Vertriebene bleiben; eine Rückkehr ist nicht möglich. Gleichwohl kann man sich auch außerhalb des Paradieses lieben, ohne Sicherheit, ohne Garantie – ohne es (und sich selbst sowie sein Gegenüber) ansatzweise zu verstehen. Diese Erkenntnis macht letztlich vielleicht mehr Hoffnung als jedes romcom-Ende – da sie etwas von der Wirklichkeit erfasst, statt ihr enthoben zu werden.

Kater (2016)

Mit „Kater“ liefert der Österreicher Klaus Händl (dessen Künstlername Händl Klaus lautet) seinen zweiten Kinofilm nach seinem Regie- und Drehbuchdebüt „März“ aus dem Jahre 2008. Letzteres handelt von einem Dreifachsuizid in einem Dorf in Tirol sowie den Auswirkungen dieser Tat auf die Bewohnerschaft. Das Nachfolgewerk beginnt entschieden weniger düster; vielmehr fängt es zunächst einen Zustand ein, der beinahe in elysische Gefilde vordringt – bis auch hier etwas geschieht, was alles in Frage stellt und das große Glück zu rauben droht.
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