Karakter

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 25. November 2013, MDR, 22:50 Uhr

Angeführt von einem Academy Award für den Besten fremdsprachigen Film gewann Karakter des niederländischen Regisseurs Mike van Diem aus dem Jahre 1997, der auf einigen internationalen Fimfestivals aufgeführt wurde, noch weitere zwölf Preise für die außergewöhnlichen Leistungen von Cast und Crew. Und auch wenn dieses tragische Drama um eine ätzende Vater-Sohn-Beziehung sicherlich kaum den gängigen Massengeschmack trifft, stellt es doch eine zutiefst berührende, großartig inszenierte Literaturverfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Ferdinand Bordewijk dar, die in ihrem ganz eigenen Stil von familiären Verstrickungen und ihren fatalen Folgen erzählt.
Kaum hat er seine Zulassung als Anwalt erreicht, stürmt Jacob Willem Katadreuffe (Fedja van Huêt) in das Büro seines Vaters, des so erfolgreichen wie unbarmherzigen Bankiers und Gerichtsvollziehers Dreverhaven (Jan Decleir), um diesem mit der Verkündigung dieser im Grunde frohen Botschaft seinen unbändigen Hass entgegenzuschleudern. Ein Messer rammt Jacob dabei als Begrüßung in seinen Schreibtisch, hinter dem der einsame Geschäftsmann wie ein Urgestein der Emotionslosigkeit hockt, und eröffnet ihm, dass er nun zum letzten Mal herkomme und der Vater für ihn fortan gestorben sei. Als Jacob sich bereits anschickt, das Büro wieder zu verlassen, erhebt sich Dreverhaven und gratuliert ihm, doch der Sohn weist ihn wütend ab und rennt hinaus auf die Straße, um nach einer kleinen Weile jedoch umzukehren und sich nun auf seinen Vater zu stürzen …

Im Rahmen des Verhörs von Jacob Willem Katadreuffe, der des Totschlags oder Mordes an seinem Vater verdächtigt wird, entspinnt sich in Rückblicken die triste Geschichte seiner Kindheit und seiner Mutter Joba (Betty Schuurman), die einst Dreverhavens Haushälterin war und nach einer einzigen intimen Begegnung mit dem Bankier mit Jacob schwanger wurde, aber eine Heirat ausschlug und gemeinsam mit ihrem Sohn ein schweres Leben in Armut und Verachtung führte. Von Dreverhaven bei späteren spärlichen Kontakten stets mit liebloser Härte behandelt erkämpft sich Jacob selbst Bildung und Beruf, permanent getrieben von seiner abgrundtiefen Abneigung gegen den brachialen Vater, dessen inhumane Praktiken als Gerichtsvollzieher im Rotterdam des frühen 20. Jahrhunderts berüchtigt sind. Selbst seine Zuneigung zu seiner späteren Kollegin Lorna (Tamar van den Dop) bleibt fruchtlos, und es mutet an, als steuere sein gesamtes Leben auf die verhängnisvolle finale Konfrontation mit Dreverhaven hin.

So hoffnungsfroh sich auch nach anfänglichen Niederschlägen die Laufbahn des ambitionierten jungen Mannes Jacob entwickelt, beherrscht doch eine düstere, unheilschwangere Atmosphäre die dichte Dramaturgie, innerhalb welcher der Vater immer wieder als Hindernis auftaucht, so dass die Zuspitzung dieses schwelenden Konfliktes unvermeidlich vorantreibt. Auch wenn Karakter an zahlreichen unterschiedlichen Orten in den Niederlanden und in Belgien gedreht wurde, wirkt doch das in Rotterdam angesiedelte Szenario mächtig als geschlossener Kosmos mit seinen Gassen und Wasserwegen auf die Handlung zurück und bereitet den starken Bildern der Unrast einen signifikanten Hintergrund, der durch die tragende Musik von Het Paleis van Boem betont wird. Am Ende dieser schwerlastigen Geschichte steht ein Testament, das durch seine persönliche Unterschrift den Zuschauer ebenso ratlos zurücklässt wie den Helden, der allerdings nun alle Möglichkeiten hat, in eine befreite Zukunft zu starten.

Karakter

Angeführt von einem Academy Award für den Besten fremdsprachigen Film gewann „Karakter“ des niederländischen Regisseurs Mike van Diem aus dem Jahre 1997, der auf einigen internationalen Fimfestivals aufgeführt wurde, noch weitere zwölf Preise für die außergewöhnlichen Leistungen von Cast und Crew.
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