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Phil Connell lässt in „Jump, Darling“ einen queeren Enkel und seine einsame Großmutter aufeinandertreffen – und bietet dem Newcomer Thomas Duplessie und der 2021 verstorbenen Cloris Leachman die perfekte Bühne.

Jump, Darling (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Unzerstörbar

Anfang und Ende, ein furioses Hallo und ein würdevolles Goodbye: Die Tragikomödie „Jump, Darling“ von Phil Connell bringt diese beiden Punkte auf vielfache und wunderbare Weise zusammen. Zunächst einmal in Form eines generationenübergreifenden Plots. So erzählt der Film, wie der junge Russell (Thomas Duplessie) seiner Großmutter Margaret (Cloris Leachman) einen Überraschungsbesuch in der kanadischen Provinz abstattet, nachdem er sich in Toronto von seinem Freund Justin (Andrew Bushell) getrennt hat. Russell tritt unter dem Namen Fishy Falters als Dragqueen auf und hat Schauspiel-Ambitionen; Margaret kommt allein in ihrem großen Haus kaum noch zurecht, möchte sich aber nicht von ihrer Tochter Ene (Linda Kash) helfen lassen und schon gar nicht in ein Altenheim ziehen.

Russell und Margaret sind zwei Menschen in sehr unterschiedlichen Lebensphasen. Dennoch gelingt es dem von Connell verfassten Drehbuch die entscheidende Verbindung zwischen ihnen aufzuzeigen: Beide kämpfen um Selbstbestimmung, um die (Zurück-)Erlangung der Kontrolle über den eigenen Körper und das eigene Schicksal. Russell sucht seinen Platz in der Welt, während Margaret wiederum ihrem Abschied von der Welt entgegenblickt. Das Verhältnis zwischen Enkel und Großmutter ist rührend, ohne rührselig zu sein; es ist schön, ohne Beschönigungen in Anspruch nehmen zu müssen. So versucht Russell etwa, Margaret wieder mit ihrer alten Bridge-Truppe zu vereinen, – leider ohne den gewünschten Erfolg. Wenngleich der Umgangston zwischen den beiden oftmals recht sarkastisch ist, so herrscht zwischen ihnen doch ein Verständnis, das zwischen Margaret und ihrer Tochter beziehungsweise Russell und seiner Mutter zu fehlen scheint.

Und auch auf Casting-Ebene ist Jump, Darling ein großartiger Film über den Anfang und das Ende. Der Film präsentiert uns Thomas Duplessie in einer seiner ersten Hauptrollen. Der 1990 geborene Kanadier ist wahrlich eine Wucht. Er lässt uns spüren, dass Russell zwar durchaus selbstbewusst in Erscheinung treten kann, mit sich selbst aber nicht wirklich im Reinen ist. Wollte er nicht „der nächste Andrew Garfield“ werden, fragt ein Ex-Mitschüler, dem Russell zufällig begegnet? Wird ihm ein Acting-Workshop vielleicht den richtigen Weg weisen? Oder hat er seine Bestimmung womöglich schon längst gefunden, lässt sich aber einfach nur zu sehr von dem beeinflussen, was andere sagen? Nicht nur der schnöselige Justin, von dem Russell sich zu Beginn der Handlung zu lösen versucht, sondern auch sein neuer Flirt Zachary (Kwaku Adu-Poku) gibt Russell das Gefühl, sich für das, was er kann, schämen zu müssen. Einer der schönsten Momente von Jump, Darling ist, wenn Russell nur für sich selbst (und für uns als Kino-Publikum) in einer menschenleeren Bar zum herzzerreißenden Song Indestructible von Robyn tanzt. Die Passage ist eine herrlich entrückte Performance, die uns tatsächlich davon zu überzeugen vermag, dass dieser junge Mann unzerstörbar ist – egal, was kommen wird.

Eine traurige und zugleich bezaubernde Abschiedsvorstellung ist Jump, Darling derweil für die US-Charakterdarstellerin Cloris Leachman (1926-2021). Bekannt wurde sie einst durch Fernsehparts (etwa 1957/58 in Lassie), später spielte sie prägnante Rollen in Peter Bogdanovichs Die letzte Vorstellung (1971) oder in Mel Brooks’ Frankenstein Junior (1974); im stolzen Alter von 82 Jahren nahm sie an der Show Dancing with the Stars teil und stellte damit einen Rekord auf. Der herbe Charme, mit dem sie Margaret ausstattet, ist umwerfend. Leachman und Duplessie stehlen sich in ihren gemeinsamen Szenen nie gegenseitig die Show, sondern unterstützen und befeuern einander, – wie es nur die Besten machen, die durch nichts zu zerstören sind.

 

Jump, Darling (2022)

Der mittellose Russell flüchtet vor seinem empathielosen Freund zu seiner Großmutter Margarete aufs Land. Hier wird ihm schnell klar, dass seine Oma immer weniger selbst für sich sorgen kann. Diese aber weigert sich strikt, ins Altenheim zu gehen.

Russell steht nun vor der Herausforderung sich einerseits um seine Großmutter zu kümmern und andererseits seinen eigenen Platz im Leben zu finden. Denn bislang war sein einziger Lösungsansatz, seine Probleme in Alkohol zu ertränken.

Russels gefeierte Auftritte als Dragqueen Fishy Falters in der örtlichen Gay-Bar und die eindeutigen Avancen des Barkeepers Zach verleihen ihm schließlich neuen Mut. Doch auch Margerete hat mit Dämonen zu kämpfen, die sie und Russell bald vor eine ganz andere Herausforderung stellen…

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