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Ein Junggesellinnenabschied auf Ibiza steht an, doch dann kommt alles anders. In seinem zweiten Spielfilm schickt Alireza Golafshan Luise Heyer und Co. auf eine Party-Insel und macht daraus eine andere Komödie, als die Prämisse erwarten lässt.

JGA: Jasmin. Gina. Anna. (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Abschied aus dem alten Leben

In Großstädten sind sie ein vertrauter Anblick: Jungesell(inn)enabschiede, kurz JGA, und all die Peinlichkeiten, die damit verbunden sind. Davon in einem Film zu erzählen, hätte schnell ebenfalls peinlich werden können. Doch Regisseur und Drehbuchautor Alireza Golafshan hat ein Händchen dafür, Peinliches charmant aussehen zu lassen.

Zu Beginn ein Moment der Fremdscham: Da sitzt die Protagonistin Jasmin (Luise Heyer) in voller JGA-Montur wie ein Häufchen Elend an einer Bushaltestelle und baggert sich um Kopf und Kragen. Bunte Perücke auf dem Kopf und Aufblas-Penis unterm Arm kriegt sie es nicht gebacken, ein normales Gespräch zu führen. Genervt nimmt der hübsche Philip (Hassan Akkouch) vor ihren ungelenken Annäherungsversuchen Reißaus und mit ihm beinahe auch das Publikum. Doch schon hier scheint eine Qualität von Golafshans Filmen durch: Unter all der Verzweiflung steckt etwas zutiefst Menschliches. 

Wenig später sitzen Jasmin, Gina (Taneshia Abt) und Anna (Teresa Rizos) in einer dieser Kneipen, in die keine/r will, aber jede/r schon mal war. Wenn alles schon dicht ist, hat diese Spelunke noch offen. Die letzte Anlaufstelle durchzechter Nächte, in der sich alle sammeln, die noch übrig geblieben sind. Hier schwingt sich Gina zur Tresenphilosophin auf, wie sie überhaupt stets jene Lebensweisheiten parat hat, auf die man beziehungsweise frau nur im Suff kommen kann. Auch Jasmin, Gina und Anna seien übrig geblieben: immer noch Singles, während alle um sie herum längst verheiratet seien und Kinder hätten. Das Problem dabei: Singles seien wie Obst — am Anfang süß und frisch, doch irgendwann reif und faulig.

Zu diesem Zeitpunkt hat Golafshans cleveres und ausgesprochen rundes Drehbuch der Geschichte schon einen ordentlichen Twist verpasst. Die zukünftige Braut (Julia Hartmann) ist raus, was J, G und A nicht davon abhält, den akribisch geplanten JGA trotzdem durchzuziehen. Die Flüge sind gebucht, also geht es ab nach Ibiza, wo die nächste Überraschung wartet. Wie es der Zufall und das Drehbuch wollen, feiert dort auch Jasmins Ex Tim (Dimitrij Schaad) seinen Abschied aus dem Junggesellendasein und hat seine Kumpels Simon (Trystan Pütter), Stefan (Axel Stein) und Django (Arnel Taci) im Gepäck. Es ist angerichtet.

Was Alireza Golafshan nach seinem Langfilmdebüt Die Goldfische (2019) dem Publikum hier auftischt, ist ein bittersüßer Spaß. Denn unter den gelungensten, meist ziemlich albernen Szenen versteckt sich auch immer Tragik. Was ist der spanische Stripper Alberto (Josep Maria Riera), der wahrlich nicht zum Strippen geboren wurde, etwa anderes als eine tragische Gestalt? Dass er seine Nummer am helllichten Tag auf einem Spielplatz einfach durchzieht, völlig unbeeindruckt von den umstehenden Passanten, ist nicht nur eine der komischsten Szenen seit Langem, es ist auch eine, die der Figur ihre Würde lässt.

Golafshans zweiter abendfüllender Spielfilm ist voll von solchen kleinen perfekten Momenten. Ein ums andere Mal gelingt es ihm, dass das Publikum über die Figuren – die Frauen wie die Männer – gleichzeitig den Kopf schüttelt, laut lacht und mit ihnen fühlt. Daneben stehen allerdings nicht wenige Momente, die überhaupt nicht funktionieren, in denen die angedachten Pointen einfach verpuffen und die Dialoge sich zäh wie Kaugummi in die Länge ziehen.

Darsteller Trystan Pütter hat Alireza Golafshan als den deutschen Woody Allen bezeichnet. Das ist ziemlich hochgegriffen. Denn dafür sind bereits Golafshans Figuren viel zu grob skizziert. Anna ist schwer von Begriff, Stefan ein penibler Geizkragen, Gina ist (vor-)laut und weiß alles besser, und der von Pütter gespielte Simon ein von Esoterik angehauchter Sinnsucher. Aber hey, wer hat nicht mindestens eine Anna und einen Stefan, eine Gina und einen Simon im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis? 

Vielleicht trifft es ein anderer Vergleich besser. Alireza Golafshans Filme erinnern an die Komödien Judd Apatows (in seiner späteren, reifen Phase). Überhaupt die Reife: Wer eine wilde Partykomödie für Teenager erwartet, sitzt im falschen Film. Auch wer eine RomCom will, bei der sie ihn am Ende kriegt, wird enttäuscht werden. Stattdessen findet Jasmin (zu) sich selbst. In der Altersklasse Ü-30 dürfte das hervorragend ankommen.

JGA: Jasmin. Gina. Anna. (2022)

Jasmin, Gina und Anna wollen Spaß beim Junggesellinnenabschied auf Ibiza. Doch erst sagen die meisten Freundinnen wegen ihrer verschnupften Kinder ab und zur Krönung fällt auch die Braut aus, weil sie schwanger ist. Übrig bleiben die drei Singles, die den Junggesellenabschied dann eben ohne Braut fortsetzen wollen. Es könnte ein lustiges Wochenende werden, würden sie auf Ibiza nicht ausgerechnet in die Arme von Jasmins nie vergessenem Ex-Freund und seiner Entourage laufen, die ebenfalls einen JGA feiern. Um sich nicht die Blöße zu geben, gibt Jasmin sich als künftige Braut aus. So nehmen die Wirrungen ihren Lauf und Jasmins Reise zu sich selbst beginnt.

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Meinungen

Katharina · 02.04.2022

Weiß jemand das Lied vom Anspann?

borben · 23.03.2022

Leider furchtbare Klischees und auch nicht lustig. oje.