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Der Eröffnungsfilm von Cannes ist ein opulentes Historiendrama, das von einer kontroversen Casting-Entscheidung nicht komplett überschattet werden sollte.

Jeanne du Barry - Die Favoritin des Königs (2023)

Eine Filmkritik von Michael Gasch

Johnny Depp in Frankreich

In den Kritikerreihen sorgte der Eröffnungsfilm von Cannes 2023 für wenig Applaus. Dabei ist „Jeanne du Barry”, der vom französischen König Ludwig XV. (Johnny Depp) und seiner Mätresse Marie-Jeanne Bécus (Maïwenn) handelt, so etwas wie ein Historienfilm in Reinform. Mit großer Ehrfurcht vor seinem Subjekt und großer künstlerischer Finesse, jedoch ohne eine politische Neubewertung aus heutiger Perspektive, lässt er das Genre hochleben.

Es ist Johnny Depps erste große Rolle nach einer öffentlich ausgetragenen und breit diskutierten Zivilklage Depps gegen seine Ex-Frau Amber Heard. Dass die Regisseurin Maïwenn der Hollywood-Ikone mit diesem Film eine Bühne bietet, wird deshalb kontrovers diskutiert. Aus der Perspektive der Schauspielkunst betrachtet, hätte sich jedoch wohl kaum ein anderer Film besser angeboten. Depp bekommt durch das historische Setting einiges an die Hand gegeben, mit dem er spielen kann.

Wenn man einen französischen König verkörpert, ist viel Arbeit vorprogrammiert, und Depp hat seine Hausaufgaben gemacht. Das schauspielerische Repertoire fällt groß aus: Die königliche Figur bewegt sich authentisch zwischen Launigkeit, Depressionen und Heiterkeit hin und her. Die politische Komponente des Charakters wird fast vollständig ignoriert – eine bewusste Entscheidung, denn dadurch können andere Wesenszüge herausgearbeitet werden. Die Frage, ob Ludwig XV. tatsächlich so launisch war und auch alles andere wohl historisch akkurat ist, stellt sich nur selten. Jeanne du Barry versteht sich sichtlich mehr als kunstvoller Festivalfilm denn als Geschichtsunterricht.

Nun könnte man annehmen, dass es sich um eine One-Man Show handelt, doch das Gegenteil ist der Fall. In den zwei Stunden geht es nicht hauptsächlich um den prominent besetzen König, sondern vielmehr um die titelgebende Figur Jeanne, die sich bei Hofe einschmeichelt und es irgendwann sogar in den königlichen Palast und das damit verbundene luxuriöse Leben hinein schafft. Die Regisseurin Maïwenn spielt diese Rolle selbst und macht auch keinen Hehl daraus, dass sie sich selbst vor allen anderen inszeniert. Am Hofe wird das Gemunkel immer lauter, die Mätresse des Königs wird als Femme fatale betrachtet. Beim Kinopublikum jedoch wächst zugleich die Sympathie zu der gewieften Figur, die lieber smart als hart an ihrem gesellschaftlichen Aufstieg arbeitet.

Maïwenns Inszenierung ist klassisch, hier und da sogar oberflächlich. In der Diskussion des Films wird vermutlich die Kritik an dieser Oberflächlichkeit im Mittelpunkt stehen. Man darf aber fragen: Würde man das Filmen eines anderen Genres oder einer anderen Regisseurin ebenso vorwerfen? Jeanne du Barry zieht gerade in seiner Oberflächlichkeit alle Register des Historienkinos. In Hinblick auf die Ästhetik gelingen Maïwenn gemäldehafte Bilder, die in ihrer Symmetrie und Schönheit die Erhabenheit von Versailles zur damaligen Zeit grandios einfangen. Sicherlich kamen hierfür auch digitale Effekte zum Einsatz, doch Jeanne du Barry zeigt einmal wieder, dass eine goldene Mitte zwischen Naturalismus und Künstlichkeit Wunder bewirken kann. Auch bei der Ausstattung wurden große Geschütze aufgefahren. Kleider der Luxusmarke Chanel, Originalschauplätze und ein Soundtrack, der sich synergetisch einfügt – wie all das in seinen Bann zieht, erinnert durchaus an Stanley Kubricks Barry Lyndon oder Miloš Formans Amadeus, besonders in Hinblick auf die Detailverliebtheit, die in diesem Genre so wichtig ist.

Wenn die Credits einsetzen, hat man Lust auf weiteres Historienkino bekommen – das muss man Maïwenn als Leistung anrechnen. Wer von einem Cannes-Eröffnungsfilm reichlich Innovation ästhetischer und narrativer Natur erwartet, sollte jedoch die Erwartungen etwas senken.

Jeanne du Barry - Die Favoritin des Königs (2023)

Jeanne Vaubernier (Maïwenn), eine ehrgeizige und gesellschaftlich aufstrebende Bürgerliche nutzt geschickt ihre betörenden Reize, um ihren bescheidenen Verhältnissen zu entkommen. Ihr Liebhaber, der wohlhabende Graf du Barry, der beträchtlich von Jeannes lukrativen Liebesabenteuern profitiert, möchte sie dem König vorstellen. Er arrangiert eine Begegnung über den einflussreichen Herzog de Richelieu (Pierre Richard). Das Treffen übersteigt seine Erwartungen bei Weitem: Zwischen Ludwig XV (Johnny Depp) und Jeanne entbrennt nicht nur eine leidenschaftliche Liebe auf den ersten Blick, sondern es entwickelt sich eine tiefe Zuneigung, die bis in den Tod anhalten soll. Mit der bezaubernden Kurtisane an seiner Seite findet der König die Freude am Leben wieder — so sehr, dass er ohne sie nicht mehr sein kann und beschließt, sie zu seiner offiziellen Favoritin zu ernennen. Jeanne zieht gegen alle Regeln des Anstands und der Etikette nach Versailles, wo ihre Ankunft den gesamten Hof in Aufruhr versetzt.

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