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Als ihr geliebter Vater verschwindet, beschwört die 13-jährige Lili in einem Ritual den schmerzlich Vermissten wieder herauf – doch das bleibt nicht ohne Folgen.

Is That You? (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zeitlupenhorror

Die 13 Jahre alte Lili (Gabriela Ramos) haust gemeinsam mit ihrem geliebten Vater Eduardo (Osvaldo Doimeadiós) und ihrer Mutter Alina (Lynn Cruz) in einem ärmlichen Anwesen irgendwo in Kuba. Das Leben ist bescheiden und die Stimmung zwischen beiden Eltern ziemlich angespannt: Aufgrund einer nicht genauer erklärten Verfehlung darf Alina das Haus nicht verlassen, ihre Füße sind so festgebunden, dass sie nur ganz kleine Schritte machen kann. Zudem muss sie tagelang die gleichen alten Schuhe tragen, damit ihr Mann sich dann am Geruch ihrer Füße ergötzen kann. 

Lili scheint sich daran nicht groß zu stören. Sie ist ihrem dominanten Vater sehr zugeneigt, der sie immer wieder zu Baseball-Spielen mitnimmt, verrichtet klaglos die Hausarbeit und verrät ihrem Vater, als die Mutter auszubrechen versucht, von dieser Verfehlung. Trotz der vielschichtigen Emotionen, die diesem komplexen Eltern-Kind-Beziehungsdreieck zugrunde liegen, fällt aber kaum je ein lautes Wort. Vielmehr scheinen die drei Bewohner des ärmlichen, beengten Hauses wie unter einen Glasglocke zu leben, sediert, abgestumpft, gefangen in einem perversen Geflecht von Abhängigkeiten, aus dem es kein Entrinnen gibt. 

Als Eduardo eines Tages verschwindet, ist das für die beiden Frauen — und insbesondere für Lili — keine Erleichterung, die plötzlich ein neues, freieres Leben ermöglichen würde, sondern vielmehr ein Zustand, der so unerträglich ist, dass sich Lili schließlich auf ein Voodoo-Ritual einlässt, dass den verlorenen Vater wieder zurückbringt. Zwar gelingt der Plan in gewisser Weise, doch das hat einen hohen Preis – vor allem für Lili.

Is That You? ist keineswegs der erste Horrorfilm aus Kuba, diese Ehre gebührt vielmehr der kubanischen Zombiekomödie Juan of the Dead (2011). Wo letzterer vor allem aufgrund seines exotischen Ambientes Aufmerksamkeit erregte, geht der mittlerweile in England lebende und aus Kuba stammende Regisseur Rudy Riverón Sánchez ungleich subtiler und tiefenpsychologischer vor: Er zeichnet ein Bild seiner Heimat, das nicht vor allem von Klischees bestimmt ist, sondern vielmehr einen realistischen Eindruck davon vermittelt, wie das ganz normale ländliche Leben in Kuba aussieht. Lili und ihre Eltern sind arm, das Haus, in dem sie leben, ist eine Bruchbude, die Lebensumstände schrecklich.

Rudy Riverón Sánchez macht keinen Hehl daraus, dass sein Film sich explizit auf die kubanische Gesellschaft bezieht, die – ähnlich wie die beiden Frauen – so abgestumpft ist von einer langanhaltenden Unterdrückung, dass sie mit einem Zugewinn an Freiheit nicht umgehen kann. Insofern ist sein dunkel grollender Psychohorror eher eine Gesellschaftsanalyse als ein lupenreines Genrestück, dessen Grauen sich weniger über explizite Bilder, sondern vielmehr über eine aufgeladene Atmosphäre voller Klaustrophobie und unterdrückten Gefühlen speist. Zentnerschwer und wie in Zeitlupe schleppen sich die vorwiegend in Innenräumen gedrehten und in schmutzigem Graubraun gehaltenen Szenen dahin, untermalt von einem recht präsenten atonalen Score, der anstelle der somnambulen Akteure die emotionalen Spitzen mit ohrenbetäubendem Lärm markiert. Das ist mitunter recht anstrengend, gibt dem Zuschauer aber zugleich in den ruhigeren Szenen viel Zeit, sich auf die bedrückende Atmosphäre des Films einzulassen.

Konsequent in der Wahl seiner beschränkten Mittel ist Is That You, Papa? kein klassischer Genrefilm, sondern vielmehr eine kubanisch-englische Variante subtilerer Arthouse-Horror-Variationen der vergangenen Jahre wie Hagazussa oder The VVitch – und dafür als Werk eines Debütanten durchaus auf der Höhe der Zeit.

Is That You? (2018)

Als ihr Vater spurlos verschwindet, benutzt die 13 Jahre alte Lili ein magisches Ritual, um ihn wiederzufinden. Durch ein Missgeschick vertut sie sich, so dass sich ihr bisheriges Leben in einen Albtraum verwandelt.

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