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Donato Rotunno zeigt uns in „Io sto bene – Was am Ende bleibt“, was aus der Begegnung zweier Menschen entstehen kann.

Io sto bene - Was am Ende bleibt (2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Aus Fremdheit wird Freundschaft

Das Kino liebt es, zwei Menschen zusammenzubringen – um sie zu verkuppeln (etwa in „Es geschah in einer Nacht“), um eine unverhoffte Freundschaft fürs weitere Leben erblühen zu lassen (wie in „Ein seltsames Paar“), um sie bei einem gemeinsamen Job zu begleiten (zum Beispiel in „Lethal Weapon“) oder um sie, oft generationenübergreifend, einfach voneinander lernen zu lassen, wie dies in so unterschiedlichen Filmen wie „Mein großer Freund Shane“ (1953), „Cinema Paradiso“ (1988), „Lost in Translation“ (2003), „Starlet“ (2012) oder „Victoria & Abdul“ (2017) passiert.

Auch der 1966 in Luxemburg geborene Drehbuchautor und Regisseur Donato Rotunno schildert in seinem vierten Langfilm Io sto bene – Was am Ende bleibt, wie zwei Personen, die zunächst kaum etwas zu verbinden scheint, sich allmählich annähern und dabei vor allem zu sich selbst finden. Dabei handelt es sich um den älteren Antonio (Renato Carpentieri), der vor sieben Monaten seine Frau verloren hat, und um die junge Grafikdesignerin Leo (Sara Serraiocco), die sich als DJ beziehungsweise VJ (Visual Jockey) durchzuschlagen versucht. Eher zufällig kommt es zu einer ersten Begegnung zwischen den beiden, als Antonio nachts auf einem Parkplatz einen leichten Autounfall hat. Leo reagiert anfangs recht skeptisch und zurückhaltend auf den freundlichen Mann, zeigt sich bald aber offen dafür, auf dessen hilfsbereite Art einzugehen.

Wie schon in seinem dokumentarischen Werk Terra Mia Terra Nostra (2012) befasst sich Rotunno hier anhand der Hintergrundgeschichte seines Protagonisten Antonio mit den Migrationen der 1960er Jahre. In Rückblenden sehen wir, wie Antonio (in der jungen Variante, Mitte 20, verkörpert von Alessio Lapice) seine Heimat Italien hinter sich lässt, um in Luxemburg ein neues Leben zu beginnen. Er arbeitet als Maurer und lernt Mady (Marie Jung) kennen, die aus gutem Hause stammt. Die Beziehung der beiden wird von Rotunno keineswegs nur harmonisch gezeichnet. Auf einen witzigen Meet cute auf der Toilette in Madys Elternhaus und ein paar schöne Momente, etwa wenn Mady Antonio das Autofahren beibringt, folgen auch diverse ernüchternde Situationen. Dass Antonio sich mit der luxemburgischen Sprache schwertut, sorgt zusätzlich für Anspannungen.

Und auch die Italienerin Leo erhofft sich im heutigen Luxemburg eine bessere Zukunft. Am Rande erfahren wir von ihrem komplizieren Verhältnis zu ihrer Mutter. Antonio und sie tragen jeweils ihr eigenes (emotionales) Gepäck mit sich herum. Während Antonio die Ereignisse der Vergangenheit noch immer massiv beschäftigen, hat sich Leo in den Wirren ihrer Gegenwart verheddert. Der Schauspielveteran Renato Carpentieri (Offene Türen, Die Hand Gottes) verleiht seiner Rolle die nötige Melancholie; Sara Serraiocco (Der Unbarmherzige) vermittelt überzeugend das innere Chaos eines Menschen, der noch nirgendwo so richtig angekommen ist und langsam die Hoffnung zu verlieren droht, dass dies jemals eintreffen wird. Die Interaktion der beiden Figuren ist gelegentlich von (durchaus amüsanter) Irritation geprägt – zum Beispiel, wenn Antonio zu verstehen versucht, was die Berufsbezeichnung VJ zu bedeuten hat. In erster Linie wird die zwischenmenschliche Beziehung, die sich zwischen Antonio und Leo entwickelt, indes von Empathie getragen.

Ebenso gelungen sind die Passagen, die in den späten 1960er Jahren angesiedelt sind. Hier setzen Rotunno und sein Ausstattungsteam nicht auf eine große, aufwendige Retro- und Vintage-Show, sondern auf kleine, feine Details. Die Musik transportiert gekonnt das damalige Lebensgefühl (so wie sie dies in den Gegenwartsszenen auch insbesondere für Leo zu tun vermag). Der sympathisch spielende Alessio Lapice (The First King – Romulus & Remus) als 24-jähriger Antonio und seine Leinwandpartnerin Marie Jung (Egon Schiele – Tod und Mädchen) verfügen über eine stimmige Chemie. Io sto bene ist ein Film, der das menschliche Miteinander genau beobachtet und seinen Figuren viel Mitgefühl entgegenbringt.

 

Io sto bene - Was am Ende bleibt (2020)

Antonio hat sein ganzes Leben außerhalb seines Heimatlandes Italien verbracht. Seine Wege kreuzen sich mit Leo, einer jungen italienischen Künstlerin, die versucht, im Ausland Fuß zu fassen.

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