Inuk

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Auf den Spuren der Inuit-Vorfahren

Der Jugendliche Inuk (Gaba Petersen) wächst in der grönländischen Hauptstadt Nuuk in einem zerrütteten Elternhaus auf. Die Mutter und der Stiefvater trinken und Inuk wird wiederholt in der eisigen Nachtkälte draußen von der Polizei aufgegriffen. Die Behörden bringen den jungen Inuit in ein Kinderheim in seinem Geburtsort Uummannaq jenseits des Polarkreises. Der Leiterin des Heims (Rebekka Jørgensen) liegt viel daran, dass ihre Schützlinge in Kontakt mit den Traditionen ihres Volkes kommen. Sie bezahlt eine Gruppe Robbenjäger, um sich ihnen auf der nächsten Expedition hinaus auf das Eis mit ein paar Jugendlichen anschließen zu dürfen. Der Jäger Ikuma (Ole Jørgen Hammeken) bringt Inuk bei, einen Hundeschlitten zu führen und sich an Robben heranzupirschen. Und er erzählt Inuk, dass er seinen verstorbenen Vater kannte.
Lange konnten die Inuit überleben, indem sie den Spuren ihrer Vorfahren im Eis folgten, erzählt eine Stimme aus dem Off. „Aber die Spuren unserer Vorfahren verschwinden allmählich“, fährt sie fort. Die junge Generation der grönländischen Inuit sitzt zwischen allen Stühlen: In der städtischen Kultur der weißen Europäer fanden sich schon die Eltern oft nur schwer zurecht, und für die Anknüpfung an Bräuche und Werte, die sie stolz auf ihre Herkunft machen könnten, fehlen die Vorbilder. Um zu verstehen, warum es in der Inuitsprache so viele verschiedene Wörter für Eis gibt, muss Inuk erst einmal ein paar Tage mit dem Hundeschlitten über das gefrorene arktische Meer ziehen.

Inuk, der erste Spielfilm des in Frankreich lebenden Dokumentarfilmers und Grönlandkenners Mike Magidson, überträgt die Kulturvermittlung, wie sie früher die mündlichen Erzählungen im Familienverbund der Inuit leisteten, in ein neues, aus Sicht von Jugendlichen wohl auch zeitgemäßeres Medium. Mit Inuk bewarb sich Grönland 2012 um den fremdsprachigen Oscar. Der jugendliche Held steht stellvertretend für viele seiner Generation, die ihre Eltern an den Alkohol verloren. Inuk kennt seine Mutter schon lange nur betrunken. Es gehört zu den Stärken des Films, dass er jedoch auf die Gestrandeten nicht mit dem Finger zeigt. Der Jäger Ikuma erzählt Inuk, wie seine Mutter ihm nach dem Tod seines Vaters das Leben rettete.

Aber die traditionelle Welt der arktischen Jäger wird nicht als Patentrezept für die Zukunft angeboten. Ikuma hatte auch ein Alkoholproblem und verlor deswegen Frau und Sohn. Und immer öfter reden die Jäger hoch oben im Norden vom Klimawandel. Auch auf der Jagd, an der Inuk teilnimmt, ist das Eis an vielen Stellen zu unsicher, so dass die Gruppe einen Umweg über das Festland nehmen muss, um zu ihrem Ziel, der Robbenbucht, zu gelangen. Die Heimleiterin will, dass die Jungen und die Älteren unterwegs wieder in Kontakt kommen und die um sich greifende Selbstisolierung durchbrechen. Inuk und Ikuma könnten sich gegenseitig aus ihren Lebenskrisen heraushelfen.

Hauptdarsteller Petersen lebt selbst im Jugendheim von Uummannaq. Auch in den Rollen Ikumas und der Heimleiterin spielen Menschen mit, die im wirklichen Leben mit dieser Einrichtung verbunden sind. Die endlosen Weiten des Eises, in die die Schlitten hinausziehen, glänzen mal im strahlenden Sonnenschein, dann wieder trüben sie sich milchig ein im diffusen Licht der Dämmerung oder schlechten Wetters. An der Küste dahinter erheben sich imposante graubraune Felsen und lassen die Gruppe auf dem Eis winzig und verloren wirken. Melancholische Inuit-Lieder erinnern im Wechsel mit modernem Hip Hop, wie ihn Inuk aus dem Kopfhörer hört, daran, dass gerade auch junge Menschen nach ihren Wurzeln fragen.

Inuk

Der Jugendliche Inuk (Gaba Petersen) wächst in der grönländischen Hauptstadt Nuuk in einem zerrütteten Elternhaus auf. Die Mutter und der Stiefvater trinken und Inuk wird wiederholt in der eisigen Nachtkälte draußen von der Polizei aufgegriffen. Die Behörden bringen den jungen Inuit in ein Kinderheim in seinem Geburtsort Uummannaq jenseits des Polarkreises.
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