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Masaaki Yuasa mischt in seinem neusten Animationsfilm mehrere Genres und Farben zu einem unkonventionellem, aber interessantem Bild.
der Generation Instagram.

Inu-Oh (2021)

Eine Filmkritik von Martin Seng

Die japanische Kinolandschaft mag für viele westliche Augen durchaus seltsam wirken. Daran wird auch „Inu-Oh“ nichts ändern. Zwar ist die Welt der asiatischen und insbesondere japanische Animationsfilme dem Westen bekannt, doch oft ist es nur der Mainstream, der Beachtung findet. Auch der neue Film von Masaaki Yuasa wird wohl hierzulande eher untergehen – obwohl es ein einzigartiges Seherlebnis und durchaus lohnenswert ist.   

Vom ersten Bild an macht der Film Inu-Oh deutlich, dass er optisch eine Besonderheit ist. Die Farben erinnern an blasse Pastelltöne und sind doch erstaunlich lebhaft. Manchmal sind es ruhig Szenen in einem Wald, die beinahe stillzustehen scheinen, dann sind es wieder wilde Farbstriche, die auf dem Bild orientierungslos hin und her huschen. Nicht weniger seltsam ist auch die Geschichte, die Inu-Oh erzählt.

Vor mehreren Jahrhunderten, im japanischen Mittelalter, findet ein Vater mit seinem Sohn Tomona das legendäre Grasschneider-Schwert im Meer. Eine sagenumwobene Waffe, die einst in einer Seeschlacht verloren gegangen ist. Doch bei dem Versuch, die Klinge zu ziehen, zerschneidet ein Energiestoß den Vater und lässt Tomona erblinden. Nachdem die Mutter des Jungen ebenfalls der Trauer erliegt, begibt sich der Junge auf eine Reise als Priester mit einer Biwa, einer Art Laute. Auf seinem Weg trifft er den titelgebenden und eigenartigen Inu-Oh, der sein Gesicht mit einer Maske verbirgt. Die beiden teilen fortan nicht nur die Reise, sondern offenbaren sich auch ihre Geschichten. Dabei verändert sich auch Inu-Ohs Körper zusehends auf seltsame Weise.    

Eines der zentralen Elemente in Inu-Oh ist die Musik. Das Saiteninstrument Biwa wird oftmals in den Mittelpunkt gestellt, darunter auch in einer beeindruckenden Szene, wie hunderte von Mönchen diese Laute spielen. Das ist nicht nur auf einer optischen, sondern auch auf der klanglichen Ebene beeindruckend. Für weite Strecken kommt der Animationsfilm auch ohne Dialoge aus und erzählt seine Handlung stattdessen über Bilder und deren Musik. Das reicht nicht ganz aus, um von einem reinen Musical zu sprechen. Trotzdem bleibt der knapp 90-minütige Film in erster Linie eine musikalische Erfahrung.

Zugleich ist Inu-Oh ein historischer Film, der teils große geschichtliche Ereignisse in komprimierter Form erzählt. Fast wie ein Theaterstück, das dem Publikum die japanische Geschichte näherbringt. Allgemein werden viele kulturelle japanische Eigenheiten vermittelt, gepaart mit populären Bildern wie etwa den herunterfallenden Kirschblüten. Und spätestens bei den Konzertszenen merkt man, wie sympathisch der Film auf einen wirken kann. Auf seiner Reise hat Tomona mehrere Auftritte, die an moderne Konzerte erinnern. Er animiert die Leute, ein Feuerspucker macht dazu seine Kunststücke und Tomona spielt seine Biwa wie eine Gitarre. Das hat einen speziellen Charme und gepaart mit der Rockmusik bekommt man mit Inu-Oh seine ganz eigene, private Show.

Regisseur Masaaki Yuasa ist bekannt dafür, dass er sich mit seinen Filmen gerne von Konventionen freimacht und experimentelle Wege geht. Das zeigt auch wieder sein aktueller Film, der sich teils in kreativen Ideenregelrecht verliert. Interessant ist, dass Yuasa auch als Animator bei großen Anime-Serien wie Shinchan, Devilman: Crybaby und Samurai Champloo beteiligt war. Gerade bei letzterer merkt man, dass er sich von dieser optisch hat inspirieren lassen. Und trotz der Inspiration setzt Yuasa mit Inu-Oh eigene Akzente.

Seine neueste Produktion ist eine unterhaltsame Mischung aus Historienfilm, Musical, Selbstfindung, Dramatik und Komik. Das mag nicht allen Sehgewohnheiten gefallen, zumal der Film tonal nicht immer ganz eindeutig ist. Doch alleine für die Mischung aus visuellem und musikalischem lohnt sich ein näherer Blick auf den Film. Ein kurzweiliges, aber dafür umso kreativeres Konzert für das Publikum.

Inu-Oh (2021)

INU-OH wird mit einzigartigen Körpermerkmalen geboren und die entsetzten Erwachsenen bedecken jeden Zentimeter seines Körpers mit Kleidung – inklusive einer Maske für sein Gesicht. Eines Tages trifft INU-OH auf einen Jungen namens Tomona, einen blinden Biwa-Spieler. Als Tomona ein feinfühliges Lied des Schicksals spielt, enteckt INU-OH seine fantastische Gabe zu tanzen.

INU-OH und Tomona werden daraufhin zu Geschäftspartnern und unzertrennlichen Freunden, die ihre kreativen Talente nutzen, um am Rande der Gesellschaft zu überleben, während sich ihre Bekanntheit Lied für Lied steigert und sie zu Ruhm führt. Durch die Lieder fesselt INU-OH seine Zuschauer auf der Bühne und beginnt sich nach und nach in jemanden von unerreichter Schönheit zu verwandeln. Doch warum ist Tomona blind? Warum wurde INU-OH mit seinen einzigartigen Körpermerkmalen geboren? Dies ist eine Geschichte über die Freundschaft von INU-OH und Tomona, die tanzen und singen um zur Wahrheit zu gelangen und den Fluch des jeweils anderen zu brechen.

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