In the Name of the Son

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kill Achille?

In the Name of the Son von Vincent Lannoo erzählt eine Geschichte, die in ihrer Umsetzung rasch in Exploitation-Gefilde abdriften könnte. Es geht um Rache – und zwar in der blutig-rabiaten Variante: Eine Frau kämpft mit Waffengewalt gegen Lügen und Missbrauch. Ihre Gegner sind Vertreter der katholischen Kirche. Es bedarf wohl keiner allzu reichen Fantasie, um sich auszumalen, welch wüstes Werk hier etwa unter der Regie von Quentin Tarantino entstanden wäre. Der Belgier Lannoo hingegen wählt einen anderen Weg – der auf positive Weise irritiert.
Die tiefgläubige Elisabeth (Astrid Whettnall) lebt in einer Welt, die absolut perfekt anmutet: Sie ist glücklich verheiratet, hat zwei Söhne und gibt Ratschläge in einer christlichen Radiosendung. Doch alles gerät aus den Fugen, als ihr Gatte bei einem bizarren Unfall mit einer Schusswaffe zu Tode kommt. Kurze Zeit später begeht ihr 13-jähriger Sohn Jean-Charles (Zacharie Chasseriaud) Suizid, nachdem er seiner Mutter (in deren Live-Sendung) von seiner Beziehung zum Pfarrer Achille (Achille Ridolfi) berichtet hat, welcher vorübergehend im Hause der Familie aufgenommen wurde. Die trauernde Elisabeth wendet sich an den örtlichen Bischof, um den abgereisten Achille zur Verantwortung zu ziehen, stößt aber auf Ablehnung. Da der Mann ihren toten Sohn beleidigt, entschließt sich Elisabeth kurzerhand zu einer heftigen Gewalttat: Sie erschlägt den Bischof – und nimmt dessen Liste mit potenziellen pädophilen Kirchendienern an sich…

Das Ganze ist natürlich ausgesprochen grotesk – und wird von Filmminute zu Filmminute noch grotesker. Erstaunlich ist jedoch, dass Lannoo das zugespitzte Geschehen überaus unprätentiös in Szene setzt. Er verzichtet weitgehend auf all die Stilmittel, die man bei einem Tarantino’esken Vergeltungstrip wie diesem erwarten (um nicht zu sagen: befürchten) würde. Überdies wird Astrid Whettnall als Elisabeth nicht (wie zum Beispiel Uma „The Bride“ Thurman in Kill Bill) zum Racheengel stilisiert. Die vom Glauben abfallende Frau, die in ihrer Funktion als Moderatorin anfangs durchaus scheinheilig und unreflektiert erscheint, ist eine spannungsreiche Figur – und auch die Antagonisten sind keine Karikaturen, sondern werden zum Teil als Charaktere sichtbar.

Das Drehbuch, das Lannoo gemeinsam mit Albert Charles und Philippe Falardeau verfasst hat, lässt ein feines Gespür für Momente der Absurdität erkennen – wenn etwa ein Gebet in eine recht befremdliche Ekstase ausartet oder wenn mit überraschendem Aplomb eine hochgradig verquere Rede über Rassismus gehalten wird. Dass diese Situationen vergleichsweise zurückhaltend eingefangen werden, kann man als unstimmig empfinden – man kann den unüblichen Kontrast aber auch begrüßen, zumal es Lannoo gelingt, diesen selbst in den irrwitzigsten Situationen von Elisabeths Rachefeldzug aufrechtzuerhalten. Als Schlussbild seines Werks findet der belgische Regisseur eine kraftvolle Einstellung, die einen als Zuschauer mit einem seltsamen Mix aus Gefühlen zurücklässt. In the Name of the Son ist ohne Frage eine interessante, ungewöhnliche Seherfahrung!

In the Name of the Son

„In the Name of the Son“ von Vincent Lannoo erzählt eine Geschichte, die in ihrer Umsetzung rasch in Exploitation-Gefilde abdriften könnte. Es geht um Rache – und zwar in der blutig-rabiaten Variante: Eine Frau kämpft mit Waffengewalt gegen Lügen und Missbrauch. Ihre Gegner sind Vertreter der katholischen Kirche.
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