In den Tag hinein

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Freitag, 10. April 2015, ZDFkultur, 22:50 Uhr

„Das kleine Fernsehspiel“ ist sowohl die mittlerweile seit 52 Jahren bestehende und damit bereits traditionsreiche Nachwuchsredaktion des Zweiten Deutschen Fernsehens als auch der Titel der damit verbundenen Sendereihe, die in der Regel montags nach Mitternacht das vom ZDF geförderte Debüt eines frischen Filmemachers präsentiert. Im Rahmen dieser Aufführungen des gegenwärtigen innovativen Films abseits des Mainstreams mit reichlich Raum für Experimente und künstlerische Freiheiten lässt sich so manche avantgardistische Perle jeglichen Genres entdecken, und es sind längst klingende Namen von Regisseuren wie Agnès Varda, Rainer Werner Fassbinder, Christian Petzold und Jim Jarmusch, die mit dieser Unterstützung den Weg einer erfolgreichen wie bedeutsamen Laufbahn beschritten haben.
Zuvorderst bei ZDFkultur werden häufig die Filme dieser Reihe wiederholt gezeigt, und in der Woche nach Ostern ist dort am Freitag erneut das Spielfilmdebüt In den Tag hinein von Maria Speth aus dem Jahre 2001 zu sehen, das seinerzeit bei zahlreichen internationalen Filmfestivals aufgeführt, unter anderem in Baden-Baden und Rotterdam auch ausgezeichnet wurde und mit unaufdringlicher, unausweichlicher Intensität das Porträt einer jungen Frau entwirft, die im urbanen Raum Berlins als letztlich tragische Figur herumvagabundiert.

Mit einer beeindruckenden bis verstörenden Bildsprache, kargen Dialogen und einem treffsicheren Gespür für existenzielle Abgründe treibt die auf extreme Frauencharaktere spezialisierte Regisseurin ihre 22-jährige Protagonistin Lynn (ungeheuer konzentriert und authentisch von Sabine Timoteo verkörpert) durch ihre junge Existenz, die von wenigen begrenzten Beziehungen und einer betonten Banalität geprägt ist. Die Unrast und Unzufriedenheit der emotional unabhängig erscheinenden Frau, aber auch ihre geradlinige Eigensinnigkeit finden gelungen Ausdruck in kleinen Gesten und sorgfältig installierten Details ihrer Persönlichkeitszeichnung im Kontrast zur Figur ihres zielstrebigen Freundes David (Florian Müller-Mohrungen), der seine Energien auf das Training als Schwimmprofi fokussiert.

Der aus Japan stammende, stille Student Koji (Hiroki Mano) hingegen, den Lynn bei ihrem Kantinen-Job kennen und schätzen lernt, steht exemplarisch für die Sehnsucht nach Nähe, Freiheit und Rausch, was Lynn sonst nur in Ansätzen mit ihrer recht unverbindlichen Freundin Marie (Sabina Riedel) erlebt, wenn sie sich gemeinsam in einem Club als Animier-Tänzerinnen verdingen. Mehr individualistische Haltung als zuverlässiger Halt bestimmt das Dasein dieser nahezu nihilistischen fiktiven Figur, die in diesem absolut sehenswerten und seltsam berührenden Film repräsentativ für die Verlorenen der jungen Generation zu Beginn des 3. Jahrtausends steht.

In den Tag hinein

„Das kleine Fernsehspiel“ ist sowohl die mittlerweile seit 52 Jahren bestehende und damit bereits traditionsreiche Nachwuchsredaktion des Zweiten Deutschen Fernsehens als auch der Titel der damit verbundenen Sendereihe, die in der Regel montags nach Mitternacht das vom ZDF geförderte Debüt eines frischen Filmemachers präsentiert.
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