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Jules Vernes Abenteuerklassiker als tierischer Animationsspaß: „In 80 Tagen um die Welt“ benutzt bloß das Grundgerüst des gleichnamigen Romans und schickt uns auf eine Reise, die schon kurz nach dem Start zu einem Reinfall mutiert.

In 80 Tagen um die Welt (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Armer Jules Verne!

Dass Jules Vernes 1873 veröffentlichter Abenteuerklassiker „In 80 Tagen um die Welt“ auch rund 150 Jahre später nicht an Reiz verloren hat, beweist die Ende 2021 erstmals ausgestrahlte Fernsehserie gleichen Namens, in der der britische Charakterkopf David Tennant den Protagonisten Phileas Fogg verkörpert. Bereits diverse Male wurde der Roman des in Nantes geborenen Schriftstellers für das Kino oder die Mattscheibe adaptiert, wobei auch Zeichentrickformate das Licht der Welt erblickten. Einem neuen Animationsfilm aus belgisch-französischer Koproduktion diente das bekannte Buch ebenfalls als Vorlage, wenngleich die Macher*innen um Regisseur Samuel Tourneux lediglich das Grundgerüst der Geschichte übernehmen.

In 80 Tagen um die Welt handelt von dem neugierigen, aber unsicheren Seidenäffchen Passepartout, das mit seiner überfürsorglichen und seltsam aggressiven Mutter auf einer kargen Insel wohnt. Überall klebt Vogeldreck. Nie passiert etwas Aufregendes. Und ständig wird Passepartout von anderen Bewohnern schikaniert. Seine Mama ist dennoch stolz, den Dschungel gegen diesen trostlosen Ort eingetauscht zu haben. Immerhin würde ihr Sohn hier gar nicht erst auf den Gedanken kommen, von großen Abenteuern zu träumen. Die Rechnung hat die deutlich als Helikoptermutter markierte Affendame jedoch ohne ihr Kind gemacht, das angesichts der allumfassenden Tristesse selbstverständlich den geheimen Wunsch hegt, die Welt zu entdecken.

Das brachiale Zufälle nicht scheuende Drehbuch will es schließlich, dass eines Tages der verschlagene Poser-Frosch Phileas Frogg (man beachte die kleine Abänderung des Namens und das damit verbundene Wortspiel!) an die Küste des Eilands surft – freilich zu angemessen coolen Popklängen – und mit seinem unglaublichen Erfahrungsschatz als Globetrotter prahlt. Mit den Einheimischen vereinbart der Selbstdarsteller schließlich eine Wette: Als erstes Geschöpf will er die Welt in 80 Tagen umrunden. Passepartout, der sich trotz seiner Leidenschaft für den legendären Abenteuerreisenden Juan Frosch de León bislang für eine gewagte Unternehmung nicht richtig vorbereitet sah, ist auf einmal Feuer und Flamme, begreift aber schon bald, dass Phileas den Trip in Wahrheit überhaupt nicht antreten möchte. Ein paar wackelig konstruierte Verwicklungen später finden sich das Seidenäffchen und der Frosch allerdings auf einer gemeinsamen Tour wieder – hartnäckig verfolgt von der Polizistin Fix, einer Wüstenrennmaus, die das ungleiche Duo wundersamerweise immer wieder einholen kann, obwohl sie ständig gewaltig ins Hintertreffen gerät.

Dass die Bilder in ihrer Detailarmut meilenweit von den Standards vieler US-Animationswerke entfernt sind, könnte man dem Film verzeihen, wenn er die fehlende optische Qualität mit einer charmanten Handlung und interessanten Figuren ausgleichen würde. In 80 Tagen um die Welt schert sich jedoch wenig darum, eine für das Publikum nachvollziehbare Welt zu zeichnen und die Protagonisten darin genauer zu positionieren. Passepartout und Phileas werden als klassisch-gegensätzliches Buddy-Gespann eingeführt. Ihre Beziehung entwickelt sich auf der Reise aber nur in denkbar oberflächlichster Form. Die einzelnen Stationen der Umrundung fühlen sich wie isolierte Nummern an. Auch, weil es mitunter zu gewaltigen Zeitsprüngen und Raffungen kommt. Der Wettlauf gegen die Zeit, der anfangs noch erwähnt wird, scheint für die Protagonisten keine Bedeutung zu haben. Und selbst die etwas länger besuchten Orte lassen individuellen Charakter vermissen.

Einige mit Slapstick arbeitende Action- und Fluchtsequenzen dürften vor allem kleinen Zuschauer*innen gefallen. Und gelegentlich gibt es eine an Erwachsene gerichtete Pointe, über die man schmunzeln kann. Das allein reicht allerdings bei weitem nicht, um die erzählerische Beliebigkeit – zwischendrin wird zum Beispiel auch ein Vater-Sohn-Konflikt hastig abgehandelt – halbwegs erträglich zu machen. Bezeichnend für diese enttäuschend schwache Jules-Verne-Neuinterpretation ist nicht zuletzt ein selbstreflexiver Gag, der auf das in Animationsfilmen weit verbreitete Klischee der finalen Tanzeinlage abzielt. Preisfrage: Womit mag In 80 Tagen um die Welt wohl enden…?

In 80 Tagen um die Welt (2021)

„In 80 Tagen um die Welt“ ist inspiriert vom weltweit bekannten Jules-Verne-Abenteuerklassiker. Passepartout ist ein junges, überbehütetes Äffchen, das sein Leben lang vom großen Abenteuer träumt. Als er den frechen Entdecker-Frosch Phileas Frogg kennenlernt, nehmen die beiden eine irrwitzige Wette an: Für 10 Millionen Muscheln müssen sie es schaffen, in 80 Tagen um die Welt zu reisen.

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Meinungen

Roman Schrittwieser · 11.04.2022

Das ist wirklich ein der dümmsten Verfilmungen dieses Romans von Jules Vernes!