Imperium (2016)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Facettenreicher Hass

Die Kurzzusammenfassung von Imperium mutet wie ein alberner Pitch aus dem Kosmos von Robert Altmans Hollywood-Satire The Player an: Ein Ex-Kinderstar mit großen blauen Augen spielt einen Undercover-Cop unter Neonazis. Das klingt schwer nach angepeiltem Besetzungscoup und Exploitation. Doch das Langfilmdebüt des Drehbuchautors und Regisseurs Daniel Ragussis ist kein stupider Reißer, sondern ein souverän gemachter Mix aus Drama und Krimi, der auf den Erfahrungen des FBI-Agenten Michael German basiert. Zudem lässt Hauptdarsteller Daniel Radcliffe keinen Zweifel daran, dass er nicht aufgrund seines Harry-Potter-Ruhms, sondern allein wegen seines Talents und seiner Furchtlosigkeit gecastet wurde.

Radcliffe verkörpert den introvertierten FBI-Mann Nate Foster, der mangelnde Erfahrung in seinem Job durch Einfühlungsvermögen wettzumachen versteht und so die Aufmerksamkeit der Agentin Angela Zamparo (Toni Collette) erregt. Diese will Nate in die ultrarechte Szene von Virginia einschleusen, da sie einen drohenden Terroranschlag befürchtet. Über eine Skinhead-Gang, angeführt von dem aggressiven Vince (Pawel Szajda), kann Nate unter falscher Identität Kontakte zu dem Internetradio-Hassprediger Dallas Wolf (Tracy Letts) und dem rassistischen Ideologen Gerry Conway (Sam Trammell) knüpfen. Nun muss er herausfinden, ob tatsächlich jemand einen konkreten Terrorakt plant.

Imperium ist dicht erzählt; auf dramaturgische Schnörkel – etwa einen Liebes-Subplot oder eine Ausgestaltung des biografischen Hintergrundes des Protagonisten – wird verzichtet. Die Wucht und Tiefe einer Milieustudie wie American History X vermag das Werk von Ragussis nicht zu erreichen, es verfügt aber über einen klugen und differenzierten Blick auf unterschiedliche Formen des Rechtsradikalismus. Neben dem gänzlich unreflektierten, von Frustration befeuerten Hass und der ständigen Gewaltbereitschaft der Skinheads sowie der bizarr-religiösen, militanten Gesinnung der Gruppe Aryan Alliance entwirft (und demontiert) der Film mit dem vermeintlich leidenschaftlichen Profi-Wutbürger Dallas Wolf eine interessante Figur, die eine aus Phrasen bestehende Netzradio-Show moderiert und ihr Buch Genocide: The Murder of White America mit großen Gesten in Lesungen präsentiert. Der preisgekrönte Stückeschreiber und Schauspieler Tracy Letts verleiht dieser Rolle eine erschreckende Gerissenheit, die an zahlreiche reale Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft denken lässt. Gleichwohl kommt der bei Weitem irritierendste und daher spannungsreichste Part dem charismatisch auftretenden Sam Trammell (True Blood) zu: Als kultivierter Familienmensch, der beinahe wie ein perfekter Ersatzvater für Nate erscheint, ist Gerry Conway mit seinen xenophoben, literarisch erworbenen Ansichten die größte Bedrohung, weil er die beste Tarnung und die perfidesten Mittel zur Manipulation hat. Wenn Conway ein Barbecue für seine Anhängerschaft veranstaltet und dabei Cupcakes mit Hakenkreuzen aus Schokoladenglasur gereicht werden, mag das ziemlich plakativ sein; doch wenn Nate und Conway gemeinsam im Wohnzimmer die Musik von Brahms genießen und einen intensiven Gedankenaustausch erleben, bei dem Nate fast so etwas wie Sympathie für sein Gegenüber entwickelt, zeigt sich sehr treffend die tückischste Ausprägung von Fanatismus.

Daniel Radcliffe fungiert in der Handlung nicht nur als Beobachter, sondern gibt einen jungen Idealisten, dessen Empathie den Film erst zu dem intelligenten, mitreißenden Genrestück macht, das Imperium letztlich geworden ist. Radcliffes Interaktionen mit Sam Trammell und Toni Collette sind ebenso gelungen wie die Momente, die Nate als nachdenklichen Eigenbrötler einfangen. Nach Kill Your Darlings und Swiss Army Man ist Ragussis‘ Kriminaldrama ein weiterer Beweis für die mimische Begabung des erwachsen gewordenen Briten.
 

Imperium (2016)

Die Kurzzusammenfassung von „Imperium“ mutet wie ein alberner Pitch aus dem Kosmos von Robert Altmans Hollywood-Satire „The Player“ an: Ein Ex-Kinderstar mit großen blauen Augen spielt einen Undercover-Cop unter Neonazis. Das klingt schwer nach angepeiltem Besetzungscoup und Exploitation. Doch das Langfilmdebüt des Drehbuchautors und Regisseurs Daniel Ragussis ist kein stupider Reißer, sondern ein souverän gemachter Mix aus Drama und Krimi, der auf den Erfahrungen des FBI-Agenten Michael German basiert.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen