Ihre beste Stunde - Drehbuch einer Heldin (2016)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf dem Schlachtfeld der Filmindustrie

Mit der britischen Produktion Ihre beste Stunde — Drehbuch einer Heldin legt die dänische Filmemacherin Lone Scherfig einen Mix aus historischem Drama, Branchensatire und screwball comedy vor. Im Kern erzählt Gaby Chiappes Drehbuch – basierend auf Lissa Evans‘ Roman Their Finest Hour and a Half – jedoch eine Emanzipationsgeschichte: Es geht um eine Frau, die sich im Kriegsjahr 1940 in London ihre Unabhängigkeit erarbeitet und mit ihrem Schaffen dazu beiträgt, dass weiblichen Figuren auf der Leinwand nicht nur eine passive Rolle zukommt.

Catrin Cole (Gemma Arterton) ist als Texterin tätig. Als ihr in der Filmabteilung des Informationsministeriums ein Job angeboten wird, nimmt sie diesen ohne zu zögern an. Zwar ist die Bezahlung schlecht und im Vergleich zu den Gehältern ihrer männlichen Kollegen äußerst ungerecht, doch sie braucht das Geld, weil ihr Lebensgefährte – der Künstler Ellis (Jack Huston) – Schwierigkeiten mit dem Verkauf seiner düsteren Gemälde hat. Zunächst fällt Catrin in erster Linie die Aufgabe zu, eine „weibliche Perspektive“ in die kurzen Propaganda-Beiträge einzubringen, die in den Lichtspielhäusern gezeigt werden. Da das Ministerium aber händeringend nach einem Stoff fürs Kino sucht, der sowohl authentisch als auch optimistisch ist und damit die ganze Nation zu inspirieren vermag, erhält sie die Möglichkeit, an der Entwicklung eines Skripts mitzuwirken, nachdem sie die Geschichte der Zwillingsschwestern Lily und Rose (Francesca und Lily Knight) aufgetan hat: Die beiden Frauen waren mit dem Boot ihres Vaters in See gestochen, um bei der Evakuierung der Soldaten in Dünkirchen zu helfen. Wiewohl sich rasch herausstellt, dass Lily und Rose es wegen eines Motorschadens nicht bis nach Frankreich geschafft haben, schreibt Catrin bald mit den Autoren Tom Buckley (Sam Claflin) und Raymond Parfitt (Paul Ritter) an einem Drehbuch über eine dramatische Rettungsaktion. Der Altstar Ambrose Hilliard (Bill Nighy) soll den Part des mitreisenden Onkels von Lily und Rose übernehmen; der US-Luftwaffen-Hauptmann Carl Lundbeck (Jake Lacy) soll in der Rolle eines mutigen Journalisten dafür sorgen, dass auch das US-amerikanische Publikum begeistert ist. Bei den Dreharbeiten in Devon kommt es indes zu einigen Komplikationen.

Ihre beste Stunde — Drehbuch einer Heldin gehört zu jenen Werken, die einem an etlichen Stellen das Gefühl geben, dass sie ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Die (berufliche) Position von Frauen in Kriegszeiten und das Unbehagen vieler Männer angesichts dieser Position wird in diversen Aussagen und Konstellationen angerissen; hier hätten Chiappe und Scherfig allerdings noch weiter in die Tiefe gehen können. Auch als Satire hält sich der Film eher zurück und ist in dieser Hinsicht letztlich noch harmloser als die Hollywood-in-den-1950er-Jahren-Variante Hail, Caesar! von Ethan und Joel Coen. Dennoch ist Ihre beste Stunde — Drehbuch einer Heldin keineswegs misslungen. Die Mischung aus Tragik und Komik ist gut ausbalanciert; bei aller Beschwingtheit lässt die Inszenierung uns als Zuschauer_innen nie vergessen, dass die Figuren den Gefahren, Ängsten und Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt sind. Hochgradig unterhaltsam sind indessen die Passagen, die sich dem Brainstorming des Schreib-Teams sowie dem gemeinsamen Zusammenzimmern des Plots widmen. Wenn sich Catrin darum bemüht, dass die fiktionalisierten Versionen von Lily und Rose den Status als aktive Heldinnen in der eigenen Geschichte nicht an die männlichen Figuren verlieren, wünscht man sich, dass jemand wie sie auch bei zahlreichen Meetings großer Hollywood-Studios anwesend wäre. Mit geschliffenen Dialogen, klugem Witz und sorgfältigem Produktionsdesign weiß das Werk zu überzeugen, wenngleich man es durchaus auch schade finden kann, dass die mit Dogma-Produktionen (Italienisch für Anfänger, Wilbur Wants to Kill Himself) bekannt gewordene Scherfig – wie schon in ihren vorigen Arbeiten (etwa Zwei an einem Tag) – auf Gediegenheit statt Experimentierwillen setzt.

Als screwball-Duo liefern sich Gemma Arterton und Sam Claflin schöne Verbalduelle, die gar an einige Howard-Hawks-Klassiker denken lassen. Die sich anbahnenden Gefühle zwischen Catrin und ihrem Kollegen Tom führen jedoch zu einer Dreiecksbeziehung, in welcher Jack Huston als Catrins Freund Ellis ein recht undankbarer Part zufällt. Zum veritablen Szenendieb wird hingegen Bill Nighy als divenhafter Kinoveteran Ambrose Hilliard, dessen Paraderolle als Inspektor in einer Filmreihe schon ein paar Jahre zurückliegt. Die mal lustigen, mal rührenden Momente, die Nighy mit Arterton sowie mit Eddie Marsan (als Hilliards Agent Sammy) und Helen McCrory (als Sammys Schwester und Nachfolgerin) teilt, demonstrieren, dass Scherfig auch in puncto Schauspielführung ihr Handwerk versteht.

Ihre beste Stunde - Drehbuch einer Heldin (2016)

Mit der britischen Produktion Ihre beste Stunde — Drehbuch einer Heldin legt die dänische Filmemacherin Lone Scherfig einen Mix aus historischem Drama, Branchensatire und screwball comedy vor. Im Kern erzählt Gaby Chiappes Drehbuch – basierend auf Lissa Evans‘ Roman Their Finest Hour and a Half – jedoch eine Emanzipationsgeschichte:

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