Ich und Kaminski

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wir und Kaminski

Zwölf Jahre liegen zwischen Wolfgang Beckers letztem Spielfilm Good Bye Lenin und Ich und Kaminski. Zwölf Jahre, in denen er bei zwei Kurzfilmen und einem Dokumentarfilm Regie führte, es aber ruhig um ihn war. Nun kehrt er mit der Verfilmung von Daniel Kehlmanns Roman Ich und Kaminski auf die große Leinwand zurück – wieder mit Daniel Brühl in der Hauptrolle.
Bei den ersten Bildern von Ich und Kaminski werden Erinnerungen an Citizen Kane wach: Die Lebensgeschichte des fiktiven Malers Manuel Kaminski (Jesper Christensen, Eine Familie) wird mit einer Abfolge historischer Dokumente und einem Nachrichtensprecherkommentar aus dem Off geschildert. Über seine Kindheit ist wenig bekannt, dann folgt sein Aufstieg während der 1960er Jahre an der Seite von Picasso, Warhol und den Beatles und schließlich sein Rückzug aus der Öffentlichkeit als Folge seiner zunehmenden Erblindung. Es ist ein großspuriger Anfang, der aber sehr gut zu dem Erzählton des Films passt. Denn in der Folge macht sich der selbstverliebte Kunstkritiker Sebastian Zöllner (Daniel Brühl, Rush – Alles für den Sieg) auf den Weg zu dem zurückgezogen in den Bergen lebenden Kaminski, um dessen Autobiographie zu schreiben – und in dessen Schatten endlich den Durchbruch zu schaffen, den Neid seiner Kollegen zu erhalten, der ihm nach eigener Einschätzung zusteht. Für dieses Ziel ist Zöllner jedes Mittel recht: Er schleicht sich in das Haus, besticht die Haushälterin, durchsucht Schreibtische und Kellerräume. Hauptsache, er findet einen Knaller. Jedoch hat Zöllner die Rechnung ohne Kaminski gemacht, der mindestens so raffiniert ist wie er.

Bei filmischen Adaptionen literarischer Texte gibt es kaum eine größere Schwierigkeit als einen Ich-Erzähler. Er setzt den Ton der Vorlage, beschränkt die Perspektive und ermöglicht zahlreiche Inneneinsichten, die sich im Film kaum transponieren lassen. Es gab Versuche mit einer sehr subjektiven Kamera und Spiegeln (Lady in the Lake; Enter the void), aber meist wird versucht, lediglich eine Nähe zu der Figur herzustellen. In dem Roman von Daniel Kehlmann kommt nun noch eine weitere Hürde hinzu: Sein Ich-Erzähler Sebastian Zöllner ist ein höchst unsympathischer, egozentrischer und arroganter Mensch, doch durch ihn entsteht die gesamte Komik des Buchs. Nun wäre es eine Möglichkeit, die Erzählsituation im Film gänzlich aufzulösen, sich von der Perspektive des Buches zu entfernen und die Geschichte zu erzählen. Wolfgang Becker hat aber einen anderen Weg gewählt: Er lässt die Gedanken und Einschätzungen Zöllners nach außen dringen, indem Zöllner beispielsweise die Menschen gehässig imitiert, denen er gerade begegnet oder die Bilder seine aus dem Off kommende Einschätzung der Situation unterlaufen. Dadurch wird Zöllners eitler, verblendeter Charakter deutlich, zugleich entsteht aber auch Unterhaltsamkeit.

Darüber hinaus hat Wolfgang Becker mit Daniel Brühl einen gleichermaßen guten wie sympathischen Hauptdarsteller gewählt, der eigentlich immer die liebenswerten Figuren spielt. Nun ist er rücksichtslos, eitel, dummdreist und maßlos von sich selbst überzeugt, so dass man ihm zwar grundsätzlich gerne zusieht, sich aber gleichermaßen über jeden Dämpfer freut, der ihn ereilt. Von diesem Daniel Brühl möchte man mehr sehen.

Ohnehin ist die Besetzung ein großer Pluspunkt des Films: der knurrige Kaminski wird von Jesper Christensen mit viel rauem Charme gespielt, in der kleinen Rolle als Zöllners Ex-Freundin Elke kann die wunderbare Jördis Triebel Akzente setzen, es gibt kurze Auftritte von Geraldine Chaplin, Josef Hader und Karl Markovics – und für einen kurzen Moment lässt Denis Lavant an Holy Motors denken.

Deshalb ist Ich und Kaminski über weite Strecken ein unterhaltsamer, lustvoller Film über die Kunst und den Kunstbetrieb, über Eitelkeiten, Erinnerungen und Marketingmechanismen. Jedoch verliert der Film dann wie schon Becks letzter Sommer ausgerechnet mit Beginn des Roadtrips an Tempo. Hier hätte sich das Drehbuch von Wolfgang Becker und Thomas Wendrich etwas stärker von der Vorlage lösen sollen. Von dieser wichtigen Reise bleiben im Film zwar die Gastauftritte in Erinnerung, manches hätte sich jedoch schneller zeigen lassen. Denn die große Stärke des Films liegt in den kleinen Momenten, in denen man glaubt, hinter Zöllners und Kaminskis Maske schauen zu können.

Insgesamt aber ist Ich und Kaminski die bisher beste Kehlmann-Verfilmung – obwohl Die Vermessung der Welt und Ruhm weitaus filmischere Bücher sind. Aber Wolfgang Becker ist es gelungen, aus diesem schwierigen Roman einen Film voller lustvoller Anspielungen und amüsanter Details zu machen. Und vielleicht dauert es bis zum nächsten Film ja nicht wieder zwölf Jahre.

Ich und Kaminski

Zwölf Jahre liegen zwischen Wolfgang Beckers letztem Spielfilm „Good Bye Lenin“ und „Ich und Kaminski“. Zwölf Jahre, in denen er bei zwei Kurzfilmen und einem Dokumentarfilm Regie führte, es aber ruhig um ihn war. Nun kehrt er mit der Verfilmung von Daniel Kehlmanns Roman „Ich und Kaminski“ auf die große Leinwand zurück – wieder mit Daniel Brühl in der Hauptrolle.
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Meinungen

Michèle · 16.10.2015

Der Ich-Erzähler ist Sebastian Zöllner, ein erfolgloser Kunstkritiker. Ein Versager, ein Trinker von dem seine Freundin nichts mehr wissen will. Sebastian Zöllner sieht eine Möglichkeit Karriere und Privatleben zu retten: Wenn es ihm sofort gelingen würde, die Biographie eines kurz vor seinem Tod stehenden Künstlers zu schreiben. Ein Künstler wird nach seinem Tod berühmt, denkt Zöllner, dann wird der Ruhm auch ihn als Biograph treffen. Mit dieser Begegnung zwischen einem selbst ernannten Biographen und einem altersdementen, blinden und vegetierenden Künstler wird der Film spannend. Sebastian geht mit Paparazzimethoden, Schmeicheleien, Chantagen, Manipulationen an seinem Plan. Aber diese unwürdigen Methoden finden bei Kaminski gefallen. Sie verjüngen ihn, erwecken Wünsche in ihm. Z.B. seine frühere Geliebte zu sehen oder ans Meer zu fahren. Eine krankhafte, sympathische, rührende Symbiose zwischen Ich und Kaminski, einem jungen und einem alten Mann entsteht. Gut gespielt von Daniel Brühl und Jesper Christensen. Fazit? Der Ruhm läßt sich nicht erzwingen. Die Erfolgszeit von Kaminski ist endgültig vorbei, auch seine erste Liebe ist erloschen. Die Arbeit von Sebastian ist sinnlos, die Tochter des Künstlers hat die Rechte an der Biographie ihres Vaters anderweitig gegeben. Sebastian gibt sich geschlagen. Er wirft sein Manuskript weg, ausgerechnet am Ort, wo er den letzten Wunsch Kaminskis erfüllt. Eine Männerfreundschaft hat für kurze Zeit stattgefunden: Ich und Kaminski. Manchmal verwirrend erzählt und Zusammenhänge unklar.

Sandra · 17.09.2015

Da sind ihnen die Namen der Figuren etwas durcheinander geraten!