Ich, Immendorff

Eine Filmkritik von Red.

Hommage an einen großen Maler

Fast genau ein Jahr nach dem Tod des Malers Jörg Immendorff, der am 28. Mai 2007 an den Folgen seiner ALS-Erkrankung (das Kürzel steht für amyotrophe Lateralsklerose) starb, kommt nun Nicola Graefs Porträt Ich, Immendorff in die Kinos. Der Titel könnte kaum treffender sein, denn Immendorff war niemals nur ein großartiger Chronist der deutschen Gegenwart, sondern auch ein Egomane, ein Malerfürst beinahe klassischen Maßstabs, eine monströse Persönlichkeit, in der sich die verschiedensten Strömungen deutschen Kunst- und Geisteslebens widerspiegeln.
Nicola Graef hat den Künstler während seiner letzten beiden Lebensjahre mit der Kamera begleitet, zu diesem Zeitpunkt stand die niederschmetternde Diagnose der unheilbaren Erkrankung bereits seit acht Jahren fest. Und doch sehen wir Immendorff in diesem Film als unabhängigen Geist, der bis zum Ende seine Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Kunstakademie nicht aufgeben wird. Und selbst als beide Arme weitgehend gelähmt sind, geht die Bilderproduktion weiter. Umgeben und unterstützt von einem Heer von Assistenten ist der Maler in seinem Atelier zu sehen, dann und wann knappe, beinahe harsche Anweisungen erteilend, Korrekturen fordernd und einmal sogar noch selbst malend, den Arm durch eine Schiene gestützt. Es sind ambivalente Szenen, die gleichermaßen Mitleid, Bedauern, aber auch Befremden hervorrufen: Ist der Tonfall, mit dem der sichtlich gezeichnete Künstler seine Order erteilt, nicht recht barsch und bisweilen sogar richtig unsympathisch? Man muss mit Immendorffs Leben und Wirken schon sehr gut vertraut sein, um zu begreifen, dass sich hier ein Mensch verzweifelt gegen das Schwinden seiner Möglichkeiten, gegen das blanke Unvermögen zum künstlerischen Ausdruck stemmt, vom Tode gezeichnet und doch voller unbändiger Energie.

Die andere Seite Immendorffs, die private, wird vor allem von seiner Frau Oda Jaune vermittelt, die sehr offen über das Leben mit dem exzentrischen Künstler und über die schreckliche Krankheit spricht. Ebenfalls bewegend und erhellend ist das Gespräch mit Immendorffs Mutter Irene, in dem sie ein traumatisches Erlebnis schildert, das Jörg Immendorff geprägt haben dürfte: Wie sie den Vater, einen notorischen Fremdgänger, vor die Tür setzte und sich von ihm scheiden ließ und wie dieser später seinem Leben ein Ende setzte – das alles ist nicht ohne Folgen auf den Künstler geblieben, hat ihn in seiner Rastlosigkeit geprägt und geformt. Ergänzt wird der Film durch Interviews und Aussagen mit Freunden und Weggefährten wie Markus Lüpertz und Franz Erhard Walther, mit seinen Galeristen Michael Werner, Bruno Brunnett und Nicole Hackert, mit dem Museumsdirektor Kasper König und mit seinem Arzt Dr. Thomas Meyer.

Zwar streift Ich, Immendorff auch immer wieder die Karriere des ehemaligen Meisterschülers von Joseph Beuys, doch der Film ist keine Künstlerdoku im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr eine Hommage an einen großen Mann, der bis zuletzt eine beeindruckende Kraft ausgestrahlt hat. Nicola Graef ist damit etwas gelungen, was man bei anderen Künstlerporträts oft schmerzlich vermisst – ihr Film ist nicht gelehrt und belehrend, sondern sehr persönlich.

Ich, Immendorff

Fast genau ein Jahr nach dem Tod des Malers Jörg Immendorff, der am 28. Mai 2007 an den Folgen seiner ALS-Erkrankung (das Kürzel steht für amyotrophe Lateralsklerose) starb, kommt nun Nicola Graefs Porträt Ich, Immendorff in die Kinos.
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