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Robert Rodriguez führt das Publikum gehörig an der Nase herum. Sein verschachtelter Psychothriller „Hypnotic“ taucht ein in ein dichtes Netz aus Verschwörungen und Illusionen. 

Hypnotic (2023)

Eine Filmkritik von Janick Nolting

Filmischer Dominoeffekt

Kino und Hypnose vertragen sich bestens! Bilder und Klänge können tranceähnliche Zustände herbeiführen und das Zeit- und Raumempfinden neu formieren. Man koppelt seine Wahrnehmung an eine fremde, öffnet die Sinne für Unbewusstes, Verdrängtes, neue und alte Gedanken. Robert Rodriguez („Planet Terror“) möchte sich diese Kraft zu eigen machen und mutet seinem Publikum einiges zu. Die Hypnose birgt bei ihm nichts Therapeutisches. Sie testet, wie weit sie in ihren Behauptungen und Hirnverdrehern gehen kann, ehe sie ihr Publikum vergrault. Die Ekstase geht mit enormer Brutalität einher.

Sieht man Hypnotic, wird man an unsichtbaren Fäden durch ein Labyrinth gezerrt, dessen Ausweg nur seine Konstrukteure kennen. Während man damit beschäftigt ist, Detektiv zu spielen und den Blick an das Irrationale zu gewöhnen, wirft das temporeiche Verwirrspiel alle Verlässlichkeiten über Bord. Mit einem Augenaufschlag in die Kamera beginnt der Psychothriller: ein Blick in eine getrübte Sicht. „Kommen Sie zurück zu uns!“, ermahnt man Rourke (Ben Affleck). Der Cop schwelgt in Gedanken. Seit der Entführung seiner Tochter ist er der Gegenwart entrückt. Als er bei einem Überfall nun auf eine neue Spur zu der Vermissten stößt, begibt er sich mit der geheimnisvollen Diana Cruz (Alice Braga) auf die Suche. Gemeinsam kommen sie den finsteren Machenschaften eines Meister-Hypnotiseurs (William Fichtner) auf die Schliche. 

Sich nicht mehr kontrollieren zu können, in einem Gewebe aus Tricks und Irrtümern festzustecken – aus dieser Angst zieht Hypnotic seine Spannung. Hinter jeder Biegung kann die nächste Überraschung und Falle lauern. Menschen wühlen in anderen Köpfen herum und manipulieren ihr Denken und Handeln. Rourke findet sich in einer regelrechten Schlangengrube wieder, verblüffend visualisiert mit dem Bild umherfahrender, sich windender Güterzüge. Die Realität verliert ihre angenommenen Regeln und ändert sie nach Lust und Laune. Plötzlich wölbt sich die ganze Landschaft über den Himmel, wie einst der gefaltete Straßenzug in Christopher Nolans Inception

Rodriguez‘ Film entwirrt seine Rätsel indes vor allem über dialogisches Erzählen. Ständig werden Informationen gestreut, Fragen gestellt, (Un)Wahrheiten ausgesprochen, ohne dass sich daraus eine Plausibilität oder ein transparentes Regelwerk ableiten ließe. Man kann alldem kaum folgen – so konfus ist die Hatz von A nach B, und in das Unterbewusstsein gestrickt. Das unterscheidet Rodriguez von dem offenherzig zitierten Christopher Nolan. Während dieser seine Filme bis ins kleinste Detail ausfeilt, berechnet und ein geöltes Räderwerk in Gang setzt, pufft und zischt es bei dem anderen pausenlos im Getriebe. Rodriguez vermischt in seinem waghalsigen Plot-Konstrukt Motive und Klischees, die man natürlich aus zig anderen, ästhetisch bedeutend aufregenderen Filmen kennt. Womöglich bergen sie aber gerade in ihrem erzählerischen Chaos und ihren Brüchen etwas Wahrhaftiges. 

In seiner Fixierung auf das Verbale verweist Hypnotic konsequent auf die Performativität von Sprache. Jeder Satz besitzt mit der nötigen Voraussetzung die Macht, Tatsachen zu schaffen, Realität zu formen, zu handeln und zu täuschen. Nicht anders arbeitet der Hypnotiseur, ist seine Suggestion weit genug vorgedrungen. Das Publikum hat zunächst gar keine andere Wahl, als sich dem Gesagten anzuvertrauen, um wenigstens etwas Sinn in Hypnotic zu stiften. Rodriguez‘ Inszenierung zeigt jedoch kindliche Freude daran, diesen Prozess und die weltenformende Kraft der Sprache in ihre Einzelteile zu zerschießen, ohne dass es dafür eine größere Agenda bräuchte. Schließlich kann jeder Schnitt und Digitaltrick das zuvor Geäußerte wieder verändern und verkehren. Was ist man also bereit zu glauben, wenn das technische Medium seine eigene Sprache spricht?   

Hypnotic entpuppt sich so als selbstreflexive Demonstration der Gewalt des Kinos über sein Publikum. Er knüpft das Thema Verschwörungsmythen – alles wird heimlich von obskuren Kräften gelenkt – an das verschwurbelte Wechselspiel zwischen skurrilen Dialogen und unzuverlässiger Montage. Unaufhaltsam führt es tiefer in den Kaninchenbau eines abgedroschenen wie schrägen Paranoia-Stoffs. Rodriguez‘ Blick auf künstlerische Traditionen und Vorreiter kennt keine Verehrung ohne ein Moment der Selbstzerstörung. Auf nichts will er sich festlegen. Hinter jede Tatsache baut er die nächste. Ein wenig wie in der Dominokette, welche im Film eine markante Rolle spielt! Dialoge, Bilder, Geräusche werden mit zittrigen Händen aufgestellt, um in einer Kettenreaktion eine andere Seite zu offenbaren. Schließlich ist das so mit den Dominosteinen: Ihren finalen Sinn erfüllen sie erst im Sturz, im Destruktiven. So, wie Hypnotic das Unglaubliche in schwindelerregende Höhen treibt, um sich am Ende einmal einzureißen und von innen nach außen zu stülpen. 

Hypnotic (2023)

Nur ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit verändert sein Leben für immer. Seit der Entführung seiner Tochter versinkt Detective Danny Rourke (Ben Affleck) in Trauer und Verzweiflung. Halt findet er nur in seinem Job als Polizist. Als er bei seinen Ermittlungen zu mehreren Banküberfällen plötzlich eine Spur zu seiner vermissten Tochter erkennt, schöpft er wieder Hoffnung. Zusammen mit Diana Cruz (Alice Braga) macht er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Bankräuber (William Fichtner), der sein Umfeld auf mysteriöse Weise kontrollieren kann. Schon bald wird Rourkes Realität, wie er sie kannte, komplett auf den Kopf gestellt und er muss alles und jeden in seiner Welt in Frage stellen…

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