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Spione, Doppelspione, Kommunisten und Diktatoren liefern sich einen Kampf um Leben und Tod in diesem südkoreanischen Actionthriller, der mit Gewalt und Leichen nicht geizt.

Hunt (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Das Ziel heiligt die Mittel

Das südkoreanische Kino ist bekannt und beliebt für seine Actionkracher. Deren große Stärke ist in der Regel die Mischung der Genres: Humor trifft auf Gewalt und spektakulären Kampfszenen, dazu noch ein wenig Sozialkritik, manchmal auch Romantik. Auf diese Weise bieten die Filme jedem Zuschauertyp etwas. Dabei gilt es vor allem, ein gutes Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Stilen zu finden. Dass in südkoreanischen Produktionen oft bei der Darstellung von Gewalt nicht zimperlich umgegangen wird, weiß man. Diese wird oftmals als Verherrlichung durch Ästhetisierung kritisiert, was nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Deswegen braucht es ja genau diesen Sinn für Witz, den viele der besten Filme aus Korea haben, um das Ganze abzufedern. Was passiert, wenn das fehlt, zeigt nun „Hunt“ auf eine mehr als unangenehme Weise.

Der Film ist das Regiedebüt des bisher als Schauspieler bekannten und verehrten Lee Jung-jae. Zu seinen bekanntesten Rollen gehören Auftritte in Das Hausmädchen (2010) von Im Sang-soo, in Assassination (2015) von Dong-hoon Choi oder natürlich in der Erfolgsserie Squid Game, in der er einen der Hauptcharakter spielt. Entschieden hat sich Lee mit Hunt für einen Spionage-Actionfilm, der sich mit der Geschichte Südkoreas auseinander zu setzen versucht. Es kann nicht schaden, selbst etwas Ahnung davon zu haben, um der Handlung zumindest grob folgen zu können. Doch im Grunde ist hier alles nur ein Vorwand für die Inszenierung einer geschmacklosen Gewaltorgie, die einen nach mehr als zwei Stunden emotional sowie körperlich mitgenommen zurücklässt.

Nach dem Koreakrieg übernahmen in Südkorea nacheinander zwei Diktatoren die Macht, die sich über die Forderung nach freien Wahlen hinweggesetzt haben, ein Regime der Unterdrückung installierten und offenbar auch massive Gewalt gegen Opponenten ausübten. In den frühen 1980er Jahren setzt Hunt ein, als das gerade amtierende Staatsoberhaupt einen Besuch beim US-Präsidenten abhalten will. Er möchte sich dessen Unterstützung sichern, um seine Stellung gegenüber dem kommunistischen Norden zu festigen. Es könnte aber alles ganz anders sein. Denn die äußeren Ereignisse spielen hier schlichtweg kaum keine Rolle. Auf jeden Fall kommt es zu einem Attentatsversuch gegen den südkoreanischen Präsidenten, den seine Sicherheitsbeauftragten, darunter Park (Lee Jung-jae), zuständig für den Geheimdienst, und Kim (Jung Woo-Sung), Leiter einer Parallelabteilung, verhindern. Der Film eröffnet wortwörtlich das Feuer; bereits in den ersten zehn Minuten kommt es zu einem ersten Dutzend toter Spione.

Ab diesem Moment steigt Zahl der Fallopfer rapide an. Mitzählen wird keiner können. Müsste man schätzen, sollte am Ende des Films auf Hundert Leichen getippt werden. Damit dürfte man nah dran sein. Geschossen wird mit kleinem und großem Kaliber; Wagen fliegen in die Luft, Menschen werden erstochen oder einfach zu Tode geprügelt. Die beiden Protagonisten, wobei es sich Regisseur Lee nicht nehmen lässt einen der beiden harten Kerle selbst zu verkörpern, misstrauen sich und müssen sich nicht nur vor den äußeren Feinden, sondern auch vor dem jeweils anderen in Acht nehmen. Sie müssen dementsprechend auch selber einige Kinnhaken einstecken und Fleischwunden verschmerzen.Ganz nach dem Motiv des stählernen Helden à la Mission: Impossible prallt alles an ihnen ab.

Realitätsnähe in dieser Art Film zu verlangen, mag unsinnig sein. Hier aber ist es der Überdrehtheit und der Spezialeffekte definitiv zu viel. Nicht nur das. Krude und voyeuristisch sind die Bilder, die immer wieder auf der Leinwand abgespult werden. Besonders dann, wenn es um die Folterszenen geht. Gut, eine oder vielleicht zwei ausgekugelte Schultern kann man zeigen, aber beim zehnten Mal überfordert einen das Geräusch der brechenden Knochen zwangsläufig. Zum einen wird es schlichtweg langweilig, zum anderen mehr und mehr ärgerlich. Diese Gewalt um der bloßen Gewalt willen wirkt als Motiv überholt – unnötig und fragwürdig.

Vermutlich war es durchaus die Intention des Filmemachers, einen kritisch-politischen Kommentar zu formulieren: Für das Recht auf Freiheit und Demokratie müssen eben Opfer gebracht werden. Doch Hunt fehlt es gänzlich an intellektuellem Gehalt. Das ist besonders enttäuschend, betrachtet man die Liste der darin verpflichteten Schauspieler, die alle zu den begehrtesten des Landes gehören. Es scheint, dass Lee jedem seiner Kollegen gerecht werden wollte, auch wenn er ihnen zum Teil, wie dem großartigen Hwang Jung-min (Veteran, The Spy Gone North), der als nordkoreanischer Militärpilot in den Süden desertiert, eine winzige und kaum relevante Rolle gegeben hat – Hauptsache all die Namen sind untergebracht und blähen den Abspann auf. Sehr schade, denn genau Hwang hätte eine Spur benötigte Ironie einbringen können.

Hunt (2022)

Als in den 1980er Jahren die Militärdiktatur ihren Höhepunkt erreicht, begeben sich die beiden Top-Agenten des südkoranischen GeheimdienstesPark Pyong-ho und Kim Jeong-do auf die Jagd nach einem hochrangigen Spion aus dem Norden, während ihnen zunehmend klar wird, in welcher Lage sich ihr eigenes Land befindet.

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Meinungen

Larissa · 28.06.2022

Zum Film selbst kann ich zugegeben noch nichts sagen, da ich leider nicht die Möglichkeit hatte nach Cannes zu fahren.
Ich möchte aber über eine Sache aufklären, die hier zu Unrecht genannt wurde.
Die großen Namen sind nicht im Film um den Abspann ‚aufzublähen‘, sondern weil diese Schauspieler alle sehr gute Freunde (vor allem Hwang, nebenbei erwähnt) von Lee Jungjae und Jung Woosung und unbedingt dabei sein wollten, wenn die beiden besten Freunde nach 23 Jahren endlich wieder zusammen auf der Leinwand zu sehen sind.

Das ist natürlich Wissen das man nur besitzt, wenn man sich schon etwas länger mit der koreanischen Filmszene befasst.

Und immerhin gab es 7 Minuten Standing Ovations.