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Macht und Gier und Mord, / und niemand ist gut. / Ekel sei der Mensch / Frischfleisch und Blut

Human, Space, Time and Human (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Narrenschiff

„Riecht nach Blut“, sagt der frischgebackene Ehemann, „Wie viele Menschen hier wohl gestorben sind?“, entgegnet seine junge Frau. Sie sind auf Hochzeitsreise. Und auf was für einer. Auf einem alten, reichlich verrosteten Kriegsschiff. Mit ihnen an Bord: Der Präsidentschaftskandidat und sein Sohn, einige jugendliche Rüpel, eine Gangsterbande, Hütchenspielbetrüger, Nutten. Der Kapitän wünscht viel Spaß auf dieser, wie er es nennt, „bedeutungsvollen“ Fahrt: Kim Ki-duks absurde Unmenschlichkeitsparabel Human, Space, Time and Human

Blut ist nicht dicker als Wasser, lernen wir. Dafür ist immer schön rot und flüssig, auch in einem tagealten Leichnam, dessen Fleisch absolut ungenießbar ist – auch für den im Kannibalismus Geübten. Überhaupt sollte Menschenfleisch niemals gekocht oder gegrillt werden, sieht besser aus, wenn rotblutige Fleischstücke aus einem Eimer gefressen werden.

Durst ist niemals das Problem, dafür nach drei Minuten Einsamkeit des Schiffes der Hunger. Der Hunger löst aber nur die Begierde nach Sex ab. Sex- und essenshungrig wiederum sind vornehmlich die Männer. Frauen leiden. Zum Beispiel unsere schöne Braut: Nach feinem ehelichen Beischlaf wird der Bräutigam böse weggezerrt, sechs- bis siebenfache Vergewaltigung folgt. Was ihr nicht so viel ausmacht im Weiteren. Weil alles Teil ist eines großen Kreislaufes, wie wir erfahren.

Am Anfang eskalieren die Dinge nicht. Eskalation würde bedeuten, dass sich das Schlimme steigert. Kim Ki-duk inszeniert von Beginn an den vollen Exzess: Der Mensch ist des Menschen Wolf. Bzw. dessen Mensch. Jedes Tier würde sich schämen. Gewalt, Egoismus, Herrschaft sind die Vektoren des menschlichen Daseins. Unschuldig ist nur eine, die Braut. Ach ja, und der seltsame ältere Herr, der auf dem Schiff Staub in einen Plastikbecher sammelt.

Das nervt alles nach ein paar Minuten, weil einem dramaturgisch alles übern Kopf geschüttet wird: Der korrupte Politiker, die Gangster, die sich ihm andienen, all die zerfressene Unmoral, die allenthalben herrscht. Wobei das einzig Positive noch ist, dass alles in einem absurden Rahmen spielt – und wenn der Film dann richtig abhebt, gibt es einen Moment, an dem man ihm vieles verzeihen will. Doch schnell kommt alles ins alte Fahrwasser, und es ist unklar, ob die Durchsage des Käpt’n freiwillig komisch ist: „Wir haben kein Radar, das Wasser ist weg, wir fliegen durch die Luft. Wir versuchen, herauszufinden, was passiert. Also bitte keine Panik!“

Was schlimm anfängt, kann noch schlimmer werden, der latente Faschismus wird manifest, die Oberen unterdrücken die Unteren, bis hin zum Handgranaten-Holocaust. Ist voll okay, wenn einer ein negatives Menschenbild hat – aber das Bild sollte halt auch in sich konsistent sein. Ist es hier in keiner Weise. Hat Kim Ki-duk einen ersten Drehbuchentwurf verfilmt? Oder einfach nicht nachgedacht? Oder ist er der Meinung, dass im Absurden keine Regeln gelten – also die der Logik innerhalb der aufgebauten Erzählwelt? Snowpiercer zum Beispiel macht das vor: Die ganze Situation unklar, aber innen stimmig.

Hier nun will der Herr Regisseur bedeutungsvoll philosophisch sein, braucht dazu natürlich Gewaltexzesse, braucht natürlich Kannibalismus – aber der Kreislauf des Lebens kann nur funktionieren, wenn die Schwangere einen Sohn zur Welt bringt. Und wenn diesem Sohn dann der Inzest gestattet wird. Und wer Kannibalismus sagt, darf zu Mamaficken nicht nein sagen. Passengers – zwei allein im Weltall – hat diese Frage noch geschickt umschifft, Kim Ki-duk zerschellt daran. Und leider auch an vielem anderen.

Human, Space, Time and Human (2018)

Mit einem alten Kriegsschiff sticht eine Gruppe unterschiedlicher Menschen in See: ein Senator mit seinem Sohn, ein frisch verheiratetes Paar, ein mysteriöser Alter, eine Gruppe Sexarbeiterinnen und eine Bande gewaltbereiter krimineller Männer. Das aggressive Verhalten der Schlägerbande und ihres Anführers richtet sich erst gegen die Passagiere der ersten Klasse, dann immer wahlloser gegen den Rest der Mitreisenden. Auf Vergewaltigung folgt Mord und die erste von zahlreichen, immer brutaler werdenden Meutereien lässt nicht lange auf sich warten. 

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