Hong Kong Trilogy (2015)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Mehr reagieren, weniger bestimmen

Christopher Doyle, berühmt geworden vor allem für seine Arbeit an den frühen Filmen von Wong Kar-Wai, gilt als jemand, dessen Kamera vielmehr auf Geschehnisse am Set reagiert, statt sie zu bestimmen. Für Hong Kong Trilogy hat der Kameramann wieder einmal selbst Regie geführt. Es scheint fast so, als hätte er sich dabei nicht zwischen Reagieren oder Bestimmen entscheiden können.

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Anfang 2014 begann Doyle mit einer Vertragsarbeit: dem Kurzfilm Preschooled über Schulkinder in seiner Wahlheimat Hongkong, in Auftrag gegeben vom Hong Kong International Film Festival. Als kurz darauf im September Streikende in der Stadt Hauptstraßen und Plätze besetzten und das sogenannte umbrella movement an Fahrt gewann, fühlte Doyle sich zu Höherem berufen. Eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter ermöglichte den Dokumentarfilm, dessen Untertitel seine drei Segmente benennt. „Preschooled“ – die Kinder einer Grundschule im Stadtzentrum. „Preoccupied“ – junge Studenten und Künstler, die in ihrem Kampf für die Demokratie eine halbe Stadt lahmlegen. „Preposterous“ – alleinstehende Senioren, die an einem Speed-Dating-Event teilnehmen. Christopher Doyle lässt diese drei Kapitel zunehmend ineinander übergehen, webt exzentrische Figuren in das Geschehen. Ein maskierter Skater rollt häufig durch das Bild, Doyles Freund Kevin Sherlock, der bereits in dessen erster Regiearbeit Away With Words auftauchte, spielt einen britischen Expat mit Vorliebe für geklautes Bier. Am Ende treffen die Protagonisten aller drei Kapitel am Strand aufeinander, um über die Zukunft Hongkongs nachzudenken. Ein meditatives, esoterisch angehauchtes Ende für einen Film, der sich bei aller überaus präsenten Künstlichkeit kaum als kohärentes Ganzes fassen lässt.

Hong Kong Trilogy spielt mit den kreativen Auswüchsen, aber auch den zahlreichen Widersprüchen, die gezwungenermaßen auftreten, wenn der ordnende, manchmal manipulierende Blick eines Filmemachers auf das dokumentarische Subjekt fällt. Für seinen Film hat Doyle Interviews mit mehr als hundert Bewohnern Hongkongs aus allen Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten geführt und aus ihren Antworten ein fiktionales Konstrukt gebaut. Während Laiendarsteller diesen Plan vor der Kamera ausagieren, sind auf der Tonspur die tatsächlichen Aussagen der Befragten zu hören.

Als stärkste Momente tun sich dabei schon bald die Sequenzen aus dem „Preoccupied“-Segment hervor. Nicht nur, weil protestierende Studenten und symmetrisch angeordnete Zeltstädte in den Häuserschluchten die besten Bilder generieren, sondern auch, weil hier der Ausnahmezustand regiert, der gewissermaßen den Kern des Films bildet. Wenn überhaupt als Portrait, dann ist Hong Kong Trilogy als Portrait Hongkongs vor dem Hintergrund des umbrella movements zu lesen. Als Portrait einer Stadt, die zaghaft nach Wandel und Unabhängigkeit strebt und sich dafür erst langsam das nötige Selbstbewusstsein aneignen muss. In den Camps der Protestierenden wird die Normalität zum Besonderen, die perfekte Organisation zur Rebellion. Ein improvisiertes Postamt liegt in direkter Nachbarschaft zur Bio-Farm, die jemand in einem ehemaligen Zierbeet angelegt hat. Essen, Wasser und Regenschirme gibt es kostenlos.

Die Faszination für solche Entdeckungen täuscht nur nicht darüber hinweg, dass sich beim Schauen von Hong Kong Trilogy auch einige brennende Fragen stellen, deren Beantwortung Christopher Doyle unbefriedigenderweise schuldig bleibt. Zum Beispiel: Was sollen die versprengten Theatergruppensketche? Und warum finden in dem Film zwar Kinder, Studenten und Senioren statt, aber kaum Menschen mittleren Alters? Doyle scheint andeutungsweise auf etwas hinauszuwollen: vielleicht sind für ihn die perfekt funktionierenden Angestellten die Bequemen, Schuld an der lähmenden Gegenwart. Wovor die Alten einst flohen und wogegen die Jungen nun angehen müssen. Es bleibt ein unklares Statement, das im luftleeren Raum nicht so recht Resonanz findet. Aussagekräftiger als die zunehmend aufdringliche Kunst-Attitüde wären an dieser Stelle vielleicht ein paar mehr Stimmen der Hongkonger gewesen. Zurückhaltung. Mehr reagieren, weniger bestimmen.
 

Hong Kong Trilogy (2015)

Christopher Doyle, berühmt geworden vor allem für seine Arbeit an den frühen Filmen von Wong Kar-Wai, gilt als jemand, dessen Kamera vielmehr auf Geschehnisse am Set reagiert, statt sie zu bestimmen. Für „Hong Kong Trilogy“ hat der Kameramann wieder einmal selbst Regie geführt. Es scheint fast so, als hätte er sich dabei nicht zwischen Reagieren oder Bestimmen entscheiden können.

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