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Ryan Murphy und Ian Brennan konzipieren in ihrer Mini-Serie „Hollywood“ ein Paralleluniversum, in welchem reale und fiktive Personen im Los Angeles der 1940er Jahre aufeinandertreffen.

Hollywood (Miniserie, 2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Es hätte einmal gewesen sein können…

Von Schwerem möglichst leicht zu erzählen, ist eine große Kunst. So richtig deutlich wird das vielleicht erst dann, wenn man einen Versuch sieht, bei dem das gründlich misslingt. Die sieben Episoden umfassende Mini-Serie Hollywood ist leider ein solcher Fall. Sie schildert unter anderem Prostitution, Ausbeutung, Machtmissbrauch und Diskriminierung in der (vermeintlichen) Traumfabrik der 1940er Jahre – und lässt diese Themen durch ihre überwiegend heiter-fluffige, oftmals kitschige Verpackung äußerst banal erscheinen. Dass sie sich dabei nicht nur mit fiktiven, sondern auch mit realen Geschehnissen und Personen befasst, macht alles nur noch ärgerlicher.

Im Zentrum des Plots steht zunächst der (fiktive) junge Kriegsveteran und Schauspiel-Aspirant Jack Castello (David Corenswet), dessen Gattin Henrietta (Maude Apatow) Zwillinge erwartet. Hier fangen die Probleme von Hollywood auch direkt an: Jack ist weder eine besonders interessant gezeichnete noch eine einnehmend verkörperte Figur. Seine Motivation, ein Filmstar zu werden, ist oberflächlich; sein biografischer Hintergrund bleibt unterbelichtet. Man könnte wohlwollend argumentieren, dass es durchaus clever ist, mit der konventionellsten Figur (weiß, männlich, hetero) zu starten – und sich erst allmählich jenen zu widmen, die vom Mainstream über viele Dekaden hinweg vernachlässigt wurden. Das ist indes kein Grund, Jacks Geschichte derart fragwürdig und schwach zu erzählen.

Um Geld zu verdienen, heuert Jack an der Tankstelle von Ernie West (Dylan McDermott) an. Dort werden nicht nur Fahrzeuge aufgetankt; es werden auch sexuelle Wünsche erfüllt. Den Ort und dessen Betreiber hat es wirklich gegeben; und alles, was sich darüber in Erfahrung bringen lässt, ist spannender als das, was Hollywood dazu zu sagen hat. Darin wird das Setting in erster Linie dazu genutzt, damit sich Jacks erste Kundin Avis Amberg (Patti LuPone) als Ehefrau des (fiktiven) Studiobosses Ace (Rob Reiner) entpuppt. Prostitution wird hier mal eben mit flotter Musik, hochglänzenden Bildern und angestrengt pointierten Dialogen in Szene gesetzt. Für alle Schwierigkeiten finden sich rasch Lösungen: Als sich Jack etwa weigert, auch Männern sexuelle Dienste zu erweisen, rekrutiert er kurzerhand den schwulen Archie Coleman (Jeremy Pope) als neuen Mitarbeiter und besänftigt damit seinen Chef.

Archie wiederum hat ein Skript über die (echte) gescheiterte Schauspielerin Peg Entwistle geschrieben, die sich 1932 vom „H“ des Hollywoodland-Schriftzuges in den Tod stürzte. Als erster Afroamerikaner will er als Drehbuchautor eines filmischen Großprojekts genannt werden. Und bald kämpft nicht nur Jack um einen Part in dem entstehenden Werk, sondern auch Archies neuer Freund (Jake Picking), der von dem (realen) Agenten Henry Willson (Jim Parsons) zum Leinwandhelden Rock Hudson aufgebaut wird, welcher wohl auch dem heutigen Publikum noch ein Begriff sein dürfte. Um die weibliche Hauptrolle bemühen sich hingegen Avis’ und Aces Tochter Claire Wood (Samara Weaving) sowie Camille Washington (Laura Harrier), die bereits auf bittere Weise lernen musste, als Afroamerikanerin nur Stereotype verkörpern zu dürfen – ähnlich wie die (echte) Oscar-Preisträgerin Hattie McDaniel (Queen Latifah). Camilles Freund Raymond Ainsley (Darren Criss) ist derweil als Regisseur mit an Bord – und möchte die (ebenfalls echte) einst erfolgreiche chinesisch-amerikanische Schauspielerin Anna May Wong (Michelle Krusiec) für einen Auftritt gewinnen.

Die wenigen Szenen, in denen Krusiec als Anna May Wong die Ungerechtigkeit vermitteln darf, die Nicht-Weißen in der damaligen Ära widerfahren ist, zählen zu den raren starken und eindringlichen Momenten von Hollywood. Auch eine Sequenz, in welcher sich die Produzentin Ellen Kincaid (Holland Taylor) ihrem heimlich schwulen Kollegen Dick Samuels (Joe Mantello) anzunähern versucht, ist von einer Intensität, die sich über weite Strecken hinweg nicht einzustellen vermag. Das liegt einerseits am Ensemble: Corenswet, Pope, Picking, Criss, Harrier und Weaving hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Dass Jack, Camille und Claire über außergewöhnliches schauspielerisches Können verfügen, wie mehrmals behauptet wird, müssen wir einfach glauben; wirklich demonstriert wird es uns nicht. Auch Archie und Raymond sind als begabte Künstler im Hintergrund keine allzu überzeugenden Figuren. Man möchte mit diesen jungen, ambitionierten Menschen, die sich gegen die Machtstrukturen im Studiosystem auflehnen, wahrlich mitfiebern; Buch, Regie und Schauspiel geben dazu aber entschieden zu wenig Anlass. Einige Passagen – etwa eine dramatische Wendung in Jacks Beziehung – sind dermaßen überzogen umgesetzt, dass man es für eine unoriginelle Parodie auf schlechte Melodramen halten könnte.

Die größten Ärgernisse ergeben sich allerdings aus dem Umgang mit realen Personen. Jim Parsons’ Interpretation des sich offensichtlich selbst hassenden Agenten Henry Willson ist eine bizarre Karikatur, die zu keiner Sekunde glaubwürdig wirkt. Dass man ihm gegen Ende noch eine Wandlung andichtet, macht alles nur noch lächerlicher. Und auch die betont hölzerne Darstellung von Rock Hudson ist problematisch (wenn auch nicht ganz so unverschämt wie die völlig misslungene Vivien-Leigh-Imitation durch Katie McGuinness). Gerade in Bezug auf Hudsons Biografie mutet Hollywood zuweilen seltsam übergriffig an. Die Showrunner Ryan Murphy und Ian Brennan, die gemeinsam auch schon den Serien-Hit Glee (2009-2015) schufen, entwerfen ein „Was wäre, wenn …“-Szenario, das gewiss als Empowerment gemeint ist. Ähnlich wie Quentin Tarantino in Once Upon a Time in Hollywood (2019) schreiben sie die Geschichte um, um dadurch für verdiente Triumphe zu sorgen. Während Tarantino das Blut in Strömen fließen lässt, setzen Murphy und Brennan auf Feel-Good sowie Tränen der Rührung – und in beiden Fällen soll Humor das Ganze unterhaltsam machen. Stets bleibt jedoch das Gefühl zurück, die wirklich interessanten Dingen nicht näher zu erfahren.

Bitte, erzählt uns von Persönlichkeiten wie Anna May Wong, Hattie McDaniel und Rock Hudson beziehungsweise von Sharon Tate (oder besser noch: lasst sie selbst erzählen!), zeigt uns die Vergangenheit, um die Gegenwart besser zu verstehen – und greift dafür gerne auf dramaturgische Kniffe zurück. Vielleicht sind Kitsch beziehungsweise Splatter sowie langweiliges Personal im Mittelpunkt aber einfach die falschen Mittel dafür.

Hollywood (Miniserie, 2020)

„Hollywood“ erzählt von einer Gruppe aufstrebender Schauspielerinnen, Schauspieler und Filmemacher nach dem Zweiten Weltkrieg in Hollywood, die den großen Durchbruch schaffen wollen – koste es, was es wolle. Jede Figur eröffnet auf ihre ganz besondere Weise einen Einblick hinter die Kulissen des goldenen Zeitalters von Hollywood. Dabei kommt ein unfaires System voller Vorurteile in Bezug auf Herkunft, Geschlecht und Sexualität ans Licht, die bis zum heutigen Tag andauern.

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