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Die Panama-Papers und das Ibiza-Video benennen nur zwei der wirkungsvollen Recherchen der Investigativabteilung der Süddeutschen Zeitung. Regisseur Daniel Sager konnte zwei Journalisten bei ihrer Arbeit begleiten und blickt „Hinter die Schlagzeilen“.

Hinter den Schlagzeilen (2021)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Journalisten bei der Arbeit

Mit dem berühmtesten Whistleblower fängt er an, der Dokumentarfilm Hinter den Schlagzeilen“. Zu sehen sind zwei Männer, die sich in einem Hotelzimmer mit jemanden verabredet haben. Man weiß nicht, wer sie sind und auf wen sie warten. Der Mann, mit dem sie telefoniert haben und der ohne Telefon unterwegs ist, entpuppt sich dann als Edward Snowden. Sie treffen ihn in Moskau, er erwähnt die Panama-Papers und damit ist auch klar, dass es sich um Journalisten der Süddeutschen Zeitung handeln muss. Sie sprechen über das Verhältnis von Journalisten und Informanten, die verschiedenen Interessenslagen und wie schwierig es ist, einander zu vertrauen.

Damit ist das Thema dieses Films gesetzt: Durch die Beobachtung zweier Journalisten wird die Arbeit gezeigt, die hinter investigativen Recherchen steckt. Frederik Obermaier und Bastian Obermayer arbeiten in der Investigativabteilung der Süddeutschen Zeitung. Sie haben die Panama Papers mit ausgewertet und gerade wurde ihnen ein Video angeboten, das brisant und wichtig ist. Es könnte eine Regierung bedrohen – mittlerweile ahnt man, worum es geht. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt wussten sie noch nicht einmal, ob sie dieses Video jemals vollständig bekommen werden. Und deshalb machen sie im Film mit anderen Storys weiter. Sie recherchieren zu der Ermordung der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia. Sie war an der Arbeit zu den Panama Papers beteiligt und wurde durch eine Autobombe ermordet – eine Tat, die weiterhin nicht vollständig aufgeklärt ist. Sie macht sehr deutlich, welcher Gefahr sich Journalist*innen aussetzen – und zwar nicht nur in Kriegsregionen, sondern auch in Europa. Außerdem recherchieren sie zu einem Waffenhändler, der in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Aber sowohl von iranische als auch US-amerikanischen und israelischen Experten bekommen sie kaum mehr als politische Phrasen zu hören.

Völlig unaufgeregt zeigt Daniel Sager diese Arbeit von Obermaier und Obermayer. Sie reisen, versuchen Kontakte zu knüpfen, führen Interviews, immer wieder auch in (internationaler) Zusammenarbeit. Investigative Recherchen sind Teamarbeit. Sie sind entgegen der Darstellung vieler Journalistenfilme weit weniger glamourös und aufregend, obwohl sie gefährlich sind.

Dieses Spannungsfeld zwischen Recherche und Brisanz fasst der Film gut ein, vor allem macht er sehr deutlich, welche wichtige Rolle Zeit spielt. Zwischen den Recherchen zu den Panama Papers und der Veröffentlichung lag ein Jahr. Auch auf das Video, das sie sich anfangs angesehen hatten, mussten sie warten. Sie haben so viel möglich vorab abgeklärt. Als das komplette Material vorliegt, geht es richtig los: Besprechungen mit Redakteuren und Kolleg*innen, ein Forensiker wird hinzugezogen, um die Echtheit des Videos zu begutachten. Mittlerweile ist klar, dass es sich um das Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache handelt – die Zuschauer*innen wissen also, wie es ausgeht. Aber der Weg dorthin ist interessant: Ein Team transkribiert das Video. Jeder Satz in jedem Artikel, der in der SZ dazu erscheint, wird mit einer Fußnote belegt. Und durch diese Sorgfältigkeit zeigt sehr deutlich, dass sich Journalist*innen eben gerade nicht Geschichten ausdenken. Vielmehr haben insbesondere populistische Parteien und korrupte Menschen ein Interesse daran, diesen Eindruck entstehen zu lassen.

Zu ihrer Arbeit gehören auch Gespräche mit Juristen über mögliche rechtliche Konsequenzen, vor allem die Frage, ob sie das Video mit Bild und Ton veröffentlichen dürfen. Das ist eine grundlegende Herausforderung dieser Arbeit: Sie müssen abwägen, wie groß das öffentliche Interesse und wie groß das juristische Risiko ist. Darüber hinaus aber macht dieser Film auch deutlich, dass investigative Recherchen ein Umfeld brauchen, in dem sie möglich sind. Sie erfordern Zeit, Ausdauer, Ressourcen und damit auch Geld. Sie brauchen Unterstützung – und dazu gehört auch eine Öffentlichkeit, die nicht hinnimmt, dass Journalist*innen um ihre Sicherheit, um ihr Leben fürchten müssen.

Hinter den Schlagzeilen fängt diese kleinteilige Arbeit gut ein und spiegelt damit die Sorgfalt wieder, die gut zu dem unaufgeregten Stil des Films passt. Daher irritiert umso mehr der plötzliche Einsatz von Musik, die das Hinauflaufen im Treppenhaus oder eine Fahrt mit dem Auto aus der Tiefgarage begleitet. Natürlich ist die Tiefgarage gerade in Journalistenfilmen ein sagenumwobener Ort. Hier fand schon ein möglicher Kontakt zwischen Woodward und Carl Bernstein mit „Deep Throat“ bei den Watergate-Recherchen statt. Vielleicht also soll es nur eine kleine Referenz auf diese fiktive Behandlung sein. In diesen Film aber ist es wie ein Bruch, wie ein nachgereichter Versuch, Spannung zu erzeugen, der nicht passt. Viel besser ist dagegen das Ende: Nachdem das Ibiza-Video veröffentlicht wurde, die österreichische Regierungskoalition zerbrochen ist, gehen alle einfach wieder in die Redaktion. Denn die nächste Story wartet bereits.

Hinter den Schlagzeilen (2021)

Zwei Jahre nach der Enthüllung der Panama Papers stehen die Journalisten der Investigativ-Redaktion der Süddeutschen Zeitung vor neuen Herausforderungen: der politische Mord der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galicia und ein mysteriöser Waffenhändler, der mit dem iranischen Atomraketen-Programm in Verbindung gebracht wird. Doch als ihnen im Frühling 2019 ein geheimes Video zugespielt wird, das den österreichischen Vizekanzler HC Strache schwer belastet, überschlagen sich die Ereignisse.

Für den Dokumentarfilm HINTER DEN SCHLAGZEILEN öffnet Deutschlands größte Tageszeitung erstmals die Tür zu ihrem weltweit renommierten Investigativ-Ressort und erlaubt einen intimen Einblick in Arbeitsprozesse, die sonst nur unter strikter Geheimhaltung stattfinden. 

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