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Ruth Olshans Film will nicht wie andere Komödien für Kinder sein, sondern nimmt seine jungen Protagonist:innen ernst. Ein wenig mehr Dramaturgie hätte allerdings nicht geschadet. So plätschert „Himbeeren mit Senf“ sehr entspannt durch seine Story.

Himbeeren mit Senf (2021)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Der Tod und die Liebe

Meeri ist 13 Jahre alt, die Tochter eines Bestatters und hat vor einigen Jahren ihre Mutter verloren. Im Gegensatz zu ihrem Vater Ernst und ihrem kleinen Bruder Luk ist sie noch nicht bereit für eine neue Frau in ihrem Leben. Dann melden sich auch noch Gefühle für den Mädchenschwarm Rocco. Während sich bei anderen nur ein Flausein im Magen einfindet, macht die erste Liebe mit Meeri allerdings spektakuläre Dinge: Die 13-jährige kann plötzlich buchstäblich fliegen.

Regisseurin Ruth Olshan, die auch am Drehbuch mitarbeitete, hat es sich mit Himbeeren mit Senf nicht einfach gemacht. Denn sie erzählt die Geschichte nicht als locker-leichte Komödie mit viel Augenzwinkern, sondern zeigt ihre jungen Protagonist:innen als komplexe und nicht immer liebenswerte Figuren. Gerade Meeri ist im Umgang mit Papas neuer Freundin Charlotte fies und erntet dafür wenig Verständnis, weder bei der Familie noch beim Publikum. Der jungen Heldin des Films zuzugestehen, dass sie Fehler macht, ist mutig und verleiht der Figur viel Authentizität. So wird Meeri vermutlich gerade für gleichaltrige Zuschauer:innen zu einer interessanten Identifikationsfigur.

Zudem nimmt sich Olshan in Himbeeren mit Senf auch einiger Themen an, die in einem Film für Kinder nicht unbedingt erwartbar sind. Neben Meeris erster Liebe spielt auch der Tode eine Rolle. Der Tod der Mutter, der bereits geschehen ist, und die tägliche Konfrontation mit dem Tod als Tochter eines Bestatters, was in der Kleinstadt, in der die Familie lebt, auch oft bedeutet, dass die Toten keine Unbekannten sind. Auch der Konflikt zwischen Meeri und der neuen Freundin ihres Vaters ist ein wesentlicher Handlungspunkt. Charlotte ist hochschwanger und versucht alles, um Meeri entgegenzukommen, doch die 13-jährige will keinen vermeintlichen Verrat an ihrer Mutter begehen. Über eine Bande von Mitschülern, die Meeris Bruder Luk das Leben schwer macht, nimmt sich der Film auch des Themas Mobbing an. Das alles schultern das Drehbuch und die Inszenierung ohne große Probleme. Allerdings geht es oft zu Lasten der Dramaturgie.

Denn Ruth Olshan erzählt diese Ereignisse meist mit so entspannter Haltung, dass Spannung und Aufregung auf der Strecke bleiben. Selbst junge Zuschauer:innen dürften nie das Gefühl bekommen, es könnte wirklich etwas Schlimmes passieren. Und so verpufft das eine oder andere Thema, so gut es gemeint ist, doch schneller als erwartet und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Das Kernthema des Films aber ist die erste Liebe (die Flugzeuge im Bauch, hier inszeniert als Fliegen) und das setzt Olshan dagegen hinreißend niedlich in Szene. Die Ernsthaftigkeit, mit der Olshan von den ersten wilden Gefühlen erzählt, wird nie für einen billigen Witz aufgegeben. Auch die Gefühle von 13-jährige haben Respekt und Ernsthaftigkeit verdient – das macht Himbeeren mit Senf hinreichend deutlich. Hätte sich der Film noch mehr auf dieses Kernthema fokussiert, wäre vielleicht auch ein Spannungsbogen gelungen, der diesen Namen verdient.

Die wundervolle Leichtigkeit, mit der Meeri eine schwierige Zeit meistert, macht dennoch Spaß. Das liegt zu einem guten Teil an Leni Deschner, die das Gefühlschaos eindrucksvoll auf die Leinwand bringt. Aber auch an der warmen, umschmeichelnden Atmosphäre des ganzen Films. Daher ist Himbeeren mit Senf ein kleines Juwel unter den Kinderfilmen, wenn auch kein makelloses.

Himbeeren mit Senf (2021)

Meeri ist Tochter eines Bestatters und hat ein spezielles Verhältnis zu Leben und Tod. Mit jeder Leiche unterhält sie sich wie mit einem guten Freund und mogelt in jeden Sarg einen Brief an ihre verstorbene Mutter. Meeri glaubt, dass ihre Mutter so im Himmel lesen kann, was Meeri hier auf der Erde denkt und fühlt und macht, denn sie hat ein spezielles Talent – sie kann fliegen, denn Liebe verleiht Flügel! Allerdings kann sie das Fliegen nicht immer kontrollieren. Vor allem nicht, wenn Rocco in der Nähe ist. Immer wenn sie ihn sieht, hebt sie ab. 

Meeris Verbündete haben ihre eigenen Probleme. Ihre Freundin Klara will die erste katholische Priesterin der Welt werden. Ihr Bruder Luk legt sich auf gefährliche Weise mit der lokalen Fahrradgang an. Und ihr Vater Ernst sucht über eine Partneragentur eine neue Frau und Mutter für seine Kinder. Und zu allem Überfluss muss sie feststellen, dass Rocco ihre Gefühle nicht erwidert. Bis Meeri kapiert, dass die Pubertät nur halb so schlimm ist, wenn man seine Gedanken und Gefühle mit den irdischen Menschen teilt, wird noch so einiges passieren … 

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