Herrenkinder

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

"Glauben, gehorchen, kämpfen"

Hinter dem im Volksmund als „Napola“ bekannten Begriff versteckt sich die „nationalpolitische Erziehungsanstalt“ (NPEA), eine Eliteschule der Nationalsozialisten, deren Absolventen nach 1945 oftmals Karriere in Deutschland und Österreich machten. Dazu gehörten u.a. der Literaturkritiker Hellmuth Karasek oder der ehemalige Herausgeber der ZEIT, Theo Sommer, die in diesem Dokumentarfilm zu Worte kommen und die Vergangenheit Revue passieren lassen.
Die beiden Dokumentarfilmer Eduard Erne und Christian Schneider versuchen dem Phänomen der „Napola“ nachzugehen, indem sie nicht nur die nachhaltigen Auswirkungen auf die ehemaligen „Jungmannen“ beleuchten, sondern auch die generationenübergreifenden Spuren, die dieses braune Erbe hinterlassen hat. Dabei wird deutlich, dass selbst noch die Enkel von der Nazi-Vergangenheit betroffen sind. Selbst wenn die Großväter versucht haben, diese Zeit totzuschweigen, so setzt sich das Trauma fort. Eine der Nachfahren bringt es auf den Punkt: „Es gibt keine Ruhe und keinen Frieden zu diesem Stoff!“ Etwas anderes wird aber auch noch deutlich in Herrenkinder. Nämlich dass sich die Zeit der nationalpolitischen Erziehungsanstalt nicht nur traumatisch auf seine Ehemaligen ausgewirkt hat, sondern dass sie durchaus mit Wohlwollen darüber erzählen. Da glänzen die Augen, wenn über den Elitegedanken gesprochen wird. Stolz wird davon erzählt, dass der damalige Einstellungstest zwar hart war, aber gleichzeitig Gutes in den Jungen hervorgerufen habe, wie eisernen Willen, Kampfgeist und Ehrgeiz. Das erstaunt ein wenig, vor allem bei einem Mann wie Hellmuth Karasek, dem auf dem ehemaligen Gelände seiner NPEA-Schule die Erinnerung kommt, dass die „Kameraden“ damals „Judenköpfen“ gespielt hätten. Zwei Blütenstengel wurden dabei gegeneinandergeschlagen, bis ein Blumenkopf abbrach. Verblüfft stellt Karasek sich dieser Erinnerungen, ohne dabei die Grausamkeit dieses Spieles zu hinterfragen. Man hätte sich dabei damals nicht wirklich etwas gedacht, sondern einfach nur gespielt … Somit deckt der Dokumentarfilm vor allem auf, dass diejenigen, die während der NS-Herrschaft lebten, auch heute nur wenig Reflektionsarbeit gegenüber dieser Zeit leisten und sich im kollektiven Vergessen üben. Die Nachgeborenen machen sich darüber wesentlich mehr Gedanken, wollen versuchen, ihre Väter zu verstehen, unter deren oftmals lieblosen und harten Erziehung sie gelitten haben. Nichts war ihnen scheinbar gut genug, Respekt vor der Autonomie einer anderen Person nicht vorhanden, und Sprüche wie „Hab‘ dich nicht so“ oder „Mehr sein als scheinen“ prägten die Kindheit der zweiten Generation.

Einer der verstörendsten Lebensläufe ist wohl aber der von Marva Karrer, deren Eltern 1987 gemeinsamen Suizid begingen. Sie versucht hinter das Geheimnis dieser Selbsttötung zu kommen und findet ihre Antwort u.a. in der NPEA-Zeit ihres Vaters, aber auch in der jüdischen Abstammung ihrer Mutter. Gemeinsam mit ihren Söhnen Jakob und Philipp Krovoza betrachtet Marva Karrer die Photos ihrer Eltern und interpretiert sie. Dadurch gelingt dem Film der Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart, auch wenn er insgesamt mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Herrenkinder arbeitet bisweilen unkonventionell, indem er mit langsamen Kamerafahrten und dramatischer Musik, ähnlich einem Thriller, immer wieder den Bungalow der Karrers einblendet. Vor allem eine nur wenig aufstehende Eisentür wird dabei als Symbol genommen, dass der Zugang zur Vergangenheit wohl immer ein ungeklärtes Geheimnis bleiben wird. Dann wieder werden Bilder der Vergangenheit in heutige Räume projiziert, wodurch die Gegenwärtigkeit der Geschichte verdeutlicht wird, und die Schnittfolgen werden gegen Ende des Filmes immer schneller und manche Bilder werden nur einen Wimpernschlag lang eingeblendet – ganz so, wie es Erinnerung oftmals ist. Kaum greifbar, sehr schemenhaft und ungenau. Das macht aber auch diesen Film kaum greifbar, denn er hätte in vielen Punkten mehr in die Tiefe gehen können und auch müssen, damit man sich als Zuschauer dem Phänomen der „Napola“ hätte annähern können. So bleibt nur die Erkenntnis, dass die ehemaligen Schüler — die „fügsam wie Plastilin“ waren — ihre Vergangenheit nie verarbeitet haben, und auch wenn sie dieser Zeit quasi mit einem Schweigegebot begegnen, so haben sie ihren Nachfahren vieles davon mit auf den Weg gegeben.

Herrenkinder

Hinter dem im Volksmund als „Napola“ bekannten Begriff versteckt sich die „nationalpolitische Erziehungsanstalt“ (NPEA), eine Eliteschule der Nationalsozialisten, deren Absolventen nach 1945 oftmals Karriere in Deutschland und Österreich machten. Dazu gehörten u.a. der Literaturkritiker Hellmuth Karasek oder der ehemalige Herausgeber der ZEIT, Theo Sommer, die in diesem Dokumentarfilm zu Worte kommen und die Vergangenheit Revue passieren lassen.
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Meinungen

Gerhard Holzheid · 08.08.2016

Hallo einen Kommentar kann ich nicht angeben, doch habe ich eine dringende Mitteilung für Frau Marva Karrer.
Einige Jahre war ich freier Mitarbeiter, als Architekt BDA im Hause
der Eltern in Döffingen/Württ.. Frau Marva habe ich viele Jahrzehnte gesucht.