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Neben Helmut Newton kommen in der Dokumentation über den Starfotografen ausschließlich Frauen zu Wort: Ehefrau June, Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour und die Musen seiner Kunst erzählen, wie er war und wie sie mit ihm gearbeitet haben. Fragen bleiben trotzdem offen.

Helmut Newton - The Bad and the Beautiful (2020)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Mit Bildern provozieren

Er liebte die Frauen, vor allem die großen. Und er machte Ikonen aus ihnen, fotografierte sie mit Vorliebe nackt und in Schwarzweiß. Helmut Newton hat seine Models stets zu großartigen Figuren seiner Bildergeschichten gemacht, mit ihnen erzählt und provoziert, sie ins perfekte Licht gerückt und das Beste aus ihnen herausgeholt. So beschreiben einige von ihnen die Arbeit mit dem berühmten Fotografen in der Dokumentation „Helmut Newton – The Bad and the Beautiful“, darunter Claudia Schiffer, Nadja Auermann, Grace Jones, Isabella Rossellini, Charlotte Rampling und Hanna Schygulla. Der Dokumentarfilm von Gero von Boehm lässt ausschließlich Frauen sprechen und feiert den Fotografen, lässt aber doch an einigen Stellen Fragen offen.

Geboren wurde Helmut Newton in Berlin; und zur Stadt – das zeigt ein Spaziergang mit ihm durch den Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist – hatte er immer eine besondere Beziehung. Er lebte in London, Paris und seit den 1980er Jahren in Monaco, die Sommer verbrachte er dann regelmäßig in Los Angeles; mit Berlin aber verband ihn eine Nostalgie, die sich aus den Kindheitstagen im Berlin der Weimarer Republik speiste. Es ist das Berlin der 20er Jahre, das er tief in sich trug.

Nach dem Schulabbruch lernte Helmut Newton bei der bekannten Berliner Fotografin Yva, die die Modefotografie mitbegründete, musste dann aber 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus Berlin fliehen. Über Triest und Singapur gelangte er schließlich nach Australien, wo er seine erste Anstellung als Reporter erhielt, jedoch, wie er selbst sagt, nicht gut gewesen sei. Und er lernte June kennen, die er 1948 heiratet.

Fortan arbeiteten die beiden oft gemeinsam – eine fruchtbare Zusammenarbeit. Sie inspirierten sich gegenseitig, kritisierten und diskutierten und brachten so die schönsten ihrer Werke hervor. Ab den 1950er Jahren fotografierte Helmut Newton für verschiedene internationale Ausgaben der Modezeitschrift Vogue. Und auch deren US-Chefredakteurin Anna Wintour erzählt von ihrer Zusammenarbeit und Freundschaft mit Helmut Newton, vor dem sie zunächst eine solche Ehrfurcht hatte, dass sie sich vor dem ersten Treffen mit ihm krankmeldete.

Helmut Newton – The Bad and the Beautiful ist voller solch amüsanter Anekdoten und Geschichten. Die Protagonistinnen erzählen mit großer Offenheit von ihren Begegnungen mit Helmut Newton. Trotzdem erfährt man an manchen Stellen etwas zu wenig; der Film hält immer wieder mit der Informationsvermittlung zurück, setzt manches Wissen über den Starfotografen vielleicht auch voraus und blendet bestimmte Informationen aus. Das ist schade, denn der Film hätte ein Mehr an Klarheit vertragen und Helmut Newton hätte sie verdient.

Dramaturgisch ist Helmut Newton – The Bad and the Beautiful äußerst geschickt angelegt: Der Film verweilt lange auf den Bildern, den Blickwinkeln und Sichtweisen des Fotografen, den man kennt. Er projiziert die ikonenhaften Bilder, die viele Zuschauerinnen und Zuschauer schon gesehen haben dürften, auf die Leinwand, erklärt sie, lässt Models und Schauspielerinnen erzählen, wie es zu den Bildern kam, wie Helmut Newton mit ihnen gearbeitet hat, wie er zusammen mit ihnen diese oder jene Fotografie regelrecht erarbeitet hat. Und gerade dann, als man sich fragt, wie er eigentlich zu dem wurde, der er war, beginnt der Film den Werdegang des Fotografen aufzurollen und in Kindheit, Jugend und die Jahre der Ausbildung zu blicken.

Der Film verschweigt auch nicht, dass Newtons Bilder kontrovers aufgenommen wurden – sie haben provoziert, immer wieder wurde ihm der Vorwurf des Sexismus und der Erniedrigung der Frau zum Objekt gemacht, so von der Schriftstellerin und Philosophin Susan Sontag. Die Darstellung der Kritik an Newtons Arbeit allerdings ist kurz beziehungsweise wird recht schnell mit den Argumenten von Kunst und Ästhetik beantwortet. Es überwiegen die positiven Urteile, das Lob, die Anerkennung und Bewunderung für den Künstler. Auch Helmut Newton selbst kommt zu Wort: „Mir sind der Körper, das Gesicht wichtig, mich interessieren das Gesicht, der Busen, die Beine.“

Helmut Newton – The Bad and the Beautiful erscheint nun anlässlich des 100. Geburtstags von Helmut Newton am 31. Oktober 2020 in den Kinos und feiert den Starfotografen und seine Bilder. Und er erreicht, dass man gerne einmal wieder ins Bücherregal greift und einen seiner Bildbände herausholt. Und Details, die einem fehlen, lassen sich dort vielleicht nachlesen.

Helmut Newton - The Bad and the Beautiful (2020)

Er war einer der Großmeister der Fotografie, eine Legende. Elegant, verspielt, erfinderisch, provokativ, inspirierend — und selbst inspiriert durch scharfe Beobachtungen und tiefe Kindheitswurzeln im Berlin der Goldenen Zwanziger. Berlin war seins und er war Berlin. Aber er war noch viel mehr. Ein Kosmopolit, der in New York und Paris, in Monte Carlo und in Rom zuhause war. Immer noch hat Helmut Newton einen Kultstatus in der Kunstszene — bis zum heutigen Tag, vierzehn Jahre nach seinem tragischen Tod in Los Angeles. Im Jahr 2020 wäre er hundert Jahre alt geworden. Newton führte ein Leben wie im Kino — nun wird es zum ersten Mal für die große Leinwand erzählt. (Quelle: Lupa Film)

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